Te Araroa – der längste Wanderweg Neuseelands
„Jeder macht seine Regeln selbst“: Wie Till Gottbrath (64) 3000 Kilometer durch Neuseeland lief
Über 3000 Kilometer von Norden nach Süden, einmal quer durch Neuseeland. Für viele ein Traum. Till Gottbrath hat sich diesen erfüllt. Zu Fuß wanderte er diese Strecke über den Te Araroa Trail, den längsten Fernwanderweg Neuseelands. Was er unterwegs erlebte und ihn besonders berührt hat.
Aschau – „Für mein Alter ist meine Kondition ganz gut“, sagt Till Gottbrath. Der 64-jährige Aschauer habe sich deswegen nicht viele Gedanken gemacht, ob der Te Araroa Trail, der längste Fernwanderweg Neuseelands, herausfordernd oder schwierig werden könnte. Als freier Journalist in der Outdoor-Branche und begeisterter Bergsportler hat er schon die halbe Welt bereist und darüber geschrieben. Er begleitete den bekannten deutschen Polarforscher und Autor Arved Fuchs auf mehreren Expedition und unternahm selbst diverse Extremtouren. Vor zwanzig Jahren zog er in den Chiemgau, damit er auch nach der Arbeit „noch mal schnell“ auf den Spitzstein gehen konnte.
Von Norden nach Süden über zwei Inseln
Auf den knapp 3030 Kilometer langen Te Araroa Trail ging es für Gottbrath zum ersten Mal. Startpunkt ist das Cape Reigna im Norden der Nordinsel. Über Land und Berge, entlang am Strand und durch den Sumpf des Longwood Forest führt der Trail quer über beide Inseln Neuseelands bis in das beschauliche Örtchen Bluff im Süden der Südinsel.
Unter den Wanderern hat sich eine Art Szene entwickelt, erklärt Gottbrath. Es gibt die sogenannten Section-Walker, also „Abschnitts-Läufer“, die nur Teile des Trails wandern und die „Through-Hiker“, die alles laufen. Die Wanderung werde durch zwei Abschnitte unterbrochen, bei denen man mit einem Kanu über zwei Flussabschnitte paddeln beziehungsweise aufs Mountainbike umsteigen kann. Wer die gesamte Strecke zu Fuß zurücklegt, nenne man „Every-Stepper“. Feste Vorschriften, wie der Trail zu absolvieren ist, gebe es aber nicht. „Jeder macht seine Regeln selbst“, sagt Gottbrath.
Zahlreiche Weggefährten
Till Gottbrath hatte sich vorgenommen, den gesamten Weg zu wandern. Fünf Monate Zeit nahm er sich dafür. „Vier Monate davon bin ich nur gelaufen.“ Aber er habe ein „bisschen geschummelt“. Insgesamt etwa 140 Kilometer habe er sich gespart und sei wegen schlechter Wetterverhältnisse und hohem Wasserstand eines Flusses per Anhalter gefahren – zweimal. „Wenn man einmal beschissen hat, dann fällt es einem beim zweiten Mal leichter“, berichtet der Aschauer und lacht. Die Kilometer habe er aber wieder wettgemacht, da er unterwegs statt einem flachen Abschnitt über Viehweiden einen etwa 100 Kilometer langen Ausflug zu einem Vulkan gemacht hätte.
Unterwegs war Gottbrath selten allein. Auf dem Trail habe er andere Wanderer kennengelernt, die mit der Zeit zu einer „Trail-Family“ wurden. „Manche Abschnitte wandert man gemeinsam, dann läuft man wieder allein und trifft sich irgendwo wieder.“ An manchen Orten entlang des Weges sei man komplett allein, an einigen Ecken sei der „Overtourismus“ sehr spürbar gewesen. „Einige Orte, die aufgrund der sozialen Medien beziehungsweise dem Film „Der Herr der Ringe“ besonders beliebt sind, ersticken förmlich an den Besuchermassen.“
Engel auf unwegsamen Wegen
Dort, wo die Infrastruktur fehlte, habe es die „Trail Angels“ gegeben. Einheimische, die in der Nähe des Trails leben, stellen auf unwegsamen Gelände Getränke und Snacks zur Verfügung oder bieten den Wanderern einen Unterschlupf. „Diese Gastfreundschaft hat mich geradezu umgeworfen“, erläutert Gottbrath. Einige Momente seien besonders emotional und berührend gewesen.
Seine schönste Erfahrung: Ein sogenanntes Powhiri – ein Willkommensritual der neuseeländischen Ursprungsbevölkerung, der Maori. Er sei bei zwei älteren männlichen Trail-Engeln, die zusammen wohnen, von denen einer maoristämmig war, untergekommen. Vor dem gemeinsamen Essen begrüßten ihn die Gastgeber nach alter maorischer Tradition. „Das war sehr emotional, das echte, ursprüngliche Neuseeland erleben zu dürfen.“
Wanderer sind oft Suchende
Das Leben auf dem Trail sei sehr simpel, sagt Gottbrath. „Essen, Trinken, Schlafen. Wie bei einem Baby.“ Es gehe hauptsächlich ums Wandern, den Trail selbst und dessen Bewältigung. Die Rückkehr nach Hause und in den Alltag führe bei einigen zu einer „Post-Trail-Depression“. „Die Komplexität des Alltags, der Verlust der Trail-Family und auch das Vermissen jener Person, die man selbst auf dem Trail war, brechen über einen herein.“ Aufgrund seiner zahlreichen Reisen habe ihn das nicht getroffen. Aber er erinnert sich noch an dieses Gefühl, das er bei seinen ersten längeren Reisen empfunden hat.
Für viele Wanderer sei der Te Araroa Trail ein lebensveränderndes Ereignis, erklärt Gottbrath. „Manche suchen sich selbst, andere fragen sich, ob sie auf dem richtigen Weg sind oder sehnen sich einfach nach einer Auszeit vom Alltag oder der Verantwortung des Jobs. Andere haben einen Schicksalsschlag erlebt und sortieren sich neu.“ Für Gottbrath sei die Wanderung die Erfüllung eines langgehegten Wunsches. Nach vielen Jahren der Selbstständigkeit habe er beschlossen, sich zur Ruhe zu setzen und nur noch kleinere freiberufliche Tätigkeiten auszuüben. „Jetzt möchte ich nur noch Dinge machen, die mir Freude bereiten“, so Till Gottbrath.
Te Araroa – Vortrag von Till Gottbrath
Till Gottbrath ist leidenschaftlicher Outdoor-Sportler und hat schon über 100 Länder bereist. Er war Chefredakteur des Magazins „Outdoor“, arbeitete als freier Journalist und war später Partner in einer PR-Agentur. Er unternahm diverse eigene Expeditionen und gehört zur Crew des Polarforschers Arved Fuchs, mit dem er unter anderem versuchte, Mitte der 1990er-Jahre das Patagonische Inlandeis zu durchqueren. Mit seiner Frau Nicole lebt er im Priental, wo er so oft wie möglich in den heimischen Bergen unterwegs ist. Er engagiert sich ehrenamtlich als Sprecher des Arbeitskreises Bergsteigerdorf Sachrang. Bei einem Vortrag am Donnerstag, 30. Januar, um 19.30 Uhr in der Priental-Halle in Aschau nimmt er die Besucher mit auf den längsten Fernwanderweg Neuseelands. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen. Anmeldung per E-Mail an till@gottbrath.com



