Widerstand gegen Ausbau der Bergbahn
Demo auf 1.600 Metern Höhe: Naturschützer protestieren auf der Kampenwand – das steckt dahinter
Eine Protest-Demo auf dem Berg und sich damit für die Natur einsetzen: Das ist für Michael Pröttel nichts Neues. Er und sein Team haben vor einigen Tagen gegen den geplanten Ausbau der Kampenwand-Seilbahn protestiert. Was sie stört und wie der Betreiber darauf reagiert.
Aschau im Chiemgau - Michael Pröttel ist ein Macher. Deshalb steht er bei bestem Sonnenschein auf der Spitze der Kampenwand und präsentiert zusammen mit weiteren Mitgliedern von „Mountain Wilderness Deutschland“ ein Banner. Mit diesem Stück Stoff demonstrierten sie gegen den Umbau der Kampenwandbahn und stehen für die Natur ein.
Dass Pröttel lieber handelt, als redet, zeigte sich auch vor 25 Jahren, bei der Gründung des Vereins. Den Anstoß hierfür hat er beim Schreiben eines Artikels über „Mountain Wilderness Schweiz“ bekommen. Auf seine Frage, weshalb es sowas nicht bei ihm zu Hause gibt, erhielt er nur die Antwort: „Weil du kein ‚Mountain Wilderness Deutschland‘ gründest.“ Das ließ sich der gebürtige Offenburger sich nicht zweimal sagen.
Noch mehr Menschen in sensibler Natur
Seitdem setzt sich der Verein für mehrere Ziele ein: den sogenannten sanften Tourismus in den Alpen, Gletscherschutz und den Bergsport mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln betreiben. Der sanfte Tourismus spielt laut „Mountain Wilderness Deutschland“ auch eine Rolle in der Region, und zwar in Aschau an der Kampenwand. Somit möchte der Verein dort vor allem darauf achten, dass der Tourismus so weit wie möglich die Natur als auch die Einheimischen schont. Dazu zählt auch das Besteigen der „Berge aus eigener Muskelkraft“, betont Pröttel. Durch den Neubau der Seilbahn sei der sanfte Tourismus außer Acht gelassen, weshalb der Verein sich dagegen einsetzt und demonstriert.
Zu solchen Aktionen treibt Pröttel vor allem eins an: „Die Betreiber müssen sehen, es gibt auch Widerstand.“ Der Neubau der Bahn ist nun schon seit über acht Jahren geplant und zusätzlich gibt es seit 2022 mehrere Gerichtsverfahren zu dem Thema. Zuletzt wurde die Grenzziehung des Naturwaldgebietes angepasst. Der Verein sieht diese Änderungen als einen Gefallen für die Seilbahnbetreiber, damit das Vorhaben leichter genehmigt wird. „Das stellen sie in Abrede, aber für uns hat das ein ‚Geschmäckle‘“, prangert der 60-Jährige an.
Es wurden „fiktive Naturwaldflächen ausgewiesen“
„Die Behauptung, das Bayerische Forstministerium hätte die Naturwaldkulisse zugunsten der geplanten neuen Trassenführung angepasst, verkehrt die Realität“, ist die Reaktion von Eric Zbil, Geschäftsführer der Kampenwandseilbahn, auf solche Aussagen. „Es wurden in Teilen der heute bestehenden Trasse fiktive Naturwaldflächen ausgewiesen, die in der Realität bereits seit Jahrzehnten nicht bestehen. Dieser planerische Fehler wurde daher durch das Bayerische Forstministerium korrigiert.“
Der Konflikt um den Neubau der Kampenwandbahn ist noch offen und dauert an. Bei einem anderen geplanten Bauvorhaben in der Region war „Mountain Wilderness Deutschland“ allerdings erfolgreich. Das Nußdorfer Aktionsbündnis „Rettet den Heuberg“ wurde 2021 von Bürgern ins Leben gerufen, um den Ausbau des bestehenden Steinbruchs zu verhindern. In diesem Zuge sind die Gründer auch auf „Mountain Wilderness Deutschland“ zugegangen und haben eine Zusammenarbeit angefragt. Schlussendlich hat die Bürgerinitiative es geschafft, dass die Erweiterung des Steinbruchs nicht stattfindet. „Da haben wir zusammen mit der Initiative viel erreicht“, betont Pröttel stolz.
„Wir sind der ‚Watschenbaum‘“
Neben den genannten Initiativen hat „Mountain Wilderness Deutschland“ noch weitere Projekte, die sie bearbeiten. Diese kommen ganz unterschiedlich zustande. Manchmal kommen Initiativen auf sie zu, andere Male finden die Mitglieder des Vereins selber Punkte beim sechswöchigen Stammtisch in München. „Jeder kann sich da einbringen.“ Teilweise kommen aber auch Leute von vor Ort auf den Verein zu, die sich nicht trauen, „weil der soziale Druck zu groß ist, eine Demo anzumelden. Das machen wir dann und sind sozusagen der ‚Watschenbaum‘, der das alles abbekommt. Aber dadurch sind die Leute vor Ort ein bisschen entlastet“, erläutert der Diplomfotograf.
Auch bei der Kampenwand gibt es vor Ort Leute, die der Vorsitzende und der Verein entlasten wollen. Beim Neubau der Kampenwandseilbahn gibt es Anwohner, die „sagen, sie ersticken bereits jetzt schon im Verkehr.“ Gleichzeitig gibt es auch das Lager, welches sich durch den Ausbau wirtschaftlichen Profit verspricht. „Da einen Ausgleich zu finden, ist natürlich extrem schwierig.“
Wobei Pröttel Leuten mit dem Argument des Ausbaus für den Tourismus entgegnet, dass „die Seilbahn natürlich eine Bedeutung für den Tourismus hat, aber das funktioniert auch wunderbar ohne einen weiteren Ausbau. Deswegen wird es nicht weniger attraktiv.“ Das einzige Argument, das seiner Meinung nach bedingt für die Baumaßnahmen spricht, wäre die Anstehzeit. Diese könne durch die hohen Besucherzahlen im Urlaubsgebiet Chiemgau durchaus länger dauern.
Es gibt bereits funktionierende Konzepte
Den sanften Tourismus in den Bergen, den sich der Verein wünscht, gibt es laut Pröttel bereits. Hierfür gibt es die Beispiele des Ökomodells Achental und die Bergsteigerdörfer bei Schleching und Marquartstein. Bei ersterem sollte die Seilbahn am Geigelstein neu gebaut beziehungsweise renoviert werden. „Da haben die damals schon gesagt ‚Nein, das brauchen wir nicht.‘“ Pröttel appelliert damit an das Motto „Lass uns auf unsere bestehenden Ressourcen schauen und auf die wunderbare Landschaft.“ Womit er gleichzeitig auch den Standpunkt von „Mountain Wilderness Deutschland“ gegenüber der Kampenwandseilbahn deutliche macht: Lasst sie so wie sie ist.
Entscheidung weiterhin vor Gericht
Das entspricht nicht den Vorstellungen der Betreiber. Diese halten an ihren Plänen für den Umbau fest. Es ist „die verträglichste und zeitgemäßeste Form der Zukunftsplanung“, so Eric Zbil. Die Umbaumaßnahmen enthalten demnach die „Attraktivität unserer Region sowohl für Einheimische als auch für Besucher.“ Ob diese Pläne am Ende umgesetzt werden, wird ein Gericht entscheiden. Der Ausgang ist weiterhin offen.

