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Wohin mit dem Biomasseheizwerk?

Droht eine Verschandelung der Landschaft? – Aschauer bereiten Bürgerbegehren vor

Die Pölchinger Straße (oben), die Landstraße in der Nähe des Ortsteiles Fellerer (unten), ein Porträt von Michael Link.
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Michael Link bereitet ein Bürgerbegehren vor. Das soll ausschließen, dass weder an der Pölchinger Straße (oben) noch an der Landstraße in der Nähe des Ortsteiles Fellerer (unten) ein Biomasseheizwerk gebaut wird.

Aschauer Bürger streben einen Bürgerentscheid an: Mit einer Unterschriften-Sammlung bereiten sie gerade ein Bürgerbegehren vor. Sie brauchen 454 Unterschriften, damit alle Wahlberechtigten eine entscheidende Frage beantworten können: Wohin mit der Energiezentrale für die Priental Wärme?

Aschau im Chiemgau – Seit Januar steht die zentrale Wärmeversorgung für Aschau wieder im Fokus. Der Netzausbau soll 2026 beginnen. Der Start ist im Ortsteil Niederaschau geplant – der erste Hauptstrang könnte von Pölching aus durch den Ort bis zur Orthopädischen Kinderklinik verlaufen. Die Wärme soll in einem Biomasseheizwerk – der Energiezentrale – erzeugt werden.

28 Standorte für Biomasseheizwerk wurden geprüft

In Vorbereitung einer möglichen Fernwärmeversorgung für Aschau im Chiemgau haben die Planer 28 Standort-Alternativen geprüft. Vorrangig in einem „Suchbereich“ am nördlichen Ortsrand von Aschau. Grundlegende Anforderungen bei dieser Voranalyse waren: die Verfügbarkeit eines Grundstücks von mindestens 4000 Quadratmetern mit Erweiterungsoption, die Möglichkeit einer geordneter Grünflächengestaltung und von Ausgleichsflächen, Infrastruktur wie Verkehrsanbindung, Strom- und Wasserversorgung oder Kanalanschluss. Zudem sollte zum einen ausreichend Abstand, zum anderen aber auch die Nähe zu den Wohngebieten gegeben sein, die angeschlossen werden sollen. Baustellen-Logistik und Liefer-Verkehr sollten möglichst außerhalb des Ortskerns stattfinden.

28 mögliche Standorte für ein Biomasseheizwerk wurden geprüft. Die besten Voraussetzungen fanden sich im Bereich der Pölchinger Straße und dem Ortsteil Fellerer mit den Standorten A, B, C und D.

Felder an der Pölchinger Straße wären ideal

Nach Abwägung der Standortkriterien wurden die „Standort-Bereiche A, B oder D“ als beste Ideen bewertet. Spitzenreiter ist die Pölchinger Straße Süd, denn hier gebe es auch die wenigsten Konflikte mit Naturschutz oder Hochwasserrisiken. Zwar befinden sich alle Standorte im baurechtlichen Außenbereich, doch ein „Sondergebiet Energieversorgung“, so die Planer, wäre grundsätzlich genehmigungsfähig.

Baugesetz regelt,was im Außenbereich gebaut werden darf

Nach Paragraf 35 (1) des Baugesetzbuches ist ein Bauvorhaben im Außenbereich dann zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die Maßnahme einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. In dem Fall müssen die Voraussetzungen für die sogenannte „Privilegierung“ erfüllt werden.

Ein Sondergebiet ist ein Baugebiet, welches nach § 10, § 11 der deutschen Baunutzungsverordnung (BauNVO) eine zweckgebundene Nutzung hat. Zu Sondergebieten zählen unter anderem Gebiete für „Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien dienen“.

Im Jahr 2014 wurde das Baugesetzbuch mit dem „Flüchtlingsunterbringungsmaßnahmengesetz“ geändert. Damit wird auch die Unterbringung von Flüchtlingen auf Flächen im Außenbereich gestattet werden, die unmittelbar an einen bebauten Ortsteil anschließen (§ 246 Absatz 9 BauGB).

Ob Grundstücke als Bauland ausgewiesen werden, entscheidet die Kommune in ihrer Bauleitplanung. Die Bauleitplanung ist eine Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde, um die städtebauliche Entwicklung zu planen und zu leiten. Mit einem bestandskräftigen Bebauungsplan wird ein Grundstück zum Bauland.

Anwohner der Pölchinger Straße sind empört

Der Standort stößt bei den Anwohnern auf wenig Gegenliebe. Das wurde schon in der Bürgerversammlung Ende Februar deutlich. Einige Bürger hatten sich vorab Energiezentralen in der Region angeschaut und waren der Meinung, dass solch ein „gemeiner Gewerbebau“ die Landschaft verschandelt und nicht in einen Ort passt, der von Kultur und Tourismus lebt. Bürgermeister Simon Frank versuchte, sie zu beruhigen. Es seien erste Planungen, erste Ideen. Es gebe noch nicht einmal einen Gemeinderatsbeschluss, noch keinen Bebauungsplan. Für das Biomasseheizwerk solle eine traditionelle Stadel-Optik gewählt werden. Der Standort sei nur ein Vorschlag und es sei „ein Luxusproblem, dass wir vor lauter Landschaft nicht wissen, wohin“. Sobald die Planungen konkreter würden, versprach der Bürgermeister, fänden auch Gespräche mit den betroffenen Bürgern statt.

Das Biomasseheizwerk soll sich durch traditionelle Stadel-Optik in die Landschaft einfügen, stellt sich die Gemeinde Aschau vor.

Doch wirklich beruhigen konnte er die Bürger am nördlichen Ortseingang der Gemeinde damit nicht. Seit der Bürgerversammlung Ende Februar haben sich die Nachbarn von Pölchinger und Herbststraße unterhalten, wegen der voraussichtlichen Wertminderung ihrer Gebäude Pläne für eine Sammelklage geschmiedet, einige das persönliche Gespräch mit dem Bürgermeister gesucht, andere die Initiative für direkte Demokratie ergriffen. „Gegen regenerative Energien und eine Fernwärmeversorgung ist nichts einzuwenden. Es geht uns auch nicht um die Errichtung einer solchen Anlage, sondern es geht um den geplanten Standort. Und der ist völlig falsch gewählt“, erklärt Michael Link.

So funktioniert direkte Demokratie

Die Belastung für die Anwohner mit Emissionen, Lärm und dem zu erwartenden Schwerlastverkehr im Wohngebiet sei übermäßig. „Zudem kommt es zu einem Wertverlust der Grundstücke, der das Lebenswerk vieler Menschen gefährdet, die dort ihre Häuser gebaut oder saniert haben und nun eine solche Anlage vor die Nase gesetzt bekommen“, macht Link klar.

Die schmale Straße – eine 30er-Zone – sei für den Schwerlastverkehr völlig ungeeignet. Erst müsste sich der Baustellenverkehr durchzwängen. Dann die Hackgut-Anlieferungen. Mindestens ein, wenn nicht sogar mehrere Lkw mit Pellets oder Hackschnitzeln müssten das Biomasseheizwerk täglich beliefern. Ein Abbiegen der Lkw von der Hauptstraße auf die enge Pölchinger Straße, noch dazu in unmittelbarer Nähe eines Discounters, werde zum Verkehrschaos führen.

Idealer Standort für eine Energiezentrale? Nach einer Voranalyse der Planer bieten sich links (A) und rechts (B) der Pölchinger Straße die besten Voraussetzungen für den Bau eines Biomasseheizwerkes.

454 Unterschriften sind für Bürgerbegehren nötig

Michael Link bereitet mit Gleichgesinnten das Bürgerbegehren vor. Dafür sammeln sie gerade Unterschriften. „Nach der Gemeindeordnung brauchen wir 454, also zehn Prozent der aktuell 4540 wahlberechtigen Aschauer Bürger“, informiert Link. Die Gemeindeordnung gibt die Regularien vor: Sobald das Bürgerbegehren in der Gemeindeverwaltung eingereicht ist, sollte der Gemeinderat innerhalb von vier Wochen entscheiden, ob es zulässig ist. Bei einer positiven Beschlussfassung muss der Bürgerentscheid innerhalb von drei Monaten stattfinden.

Standort D befindet sich an der Straße zwischen Aschau und Frasdorf, unterhalb der Baumgruppe (rechts). Davon betroffen wären vor allem die Anwohner im Ortsteil Fellerer.

Das Bürgerbegehren stellt die Frage, ob auf den landwirtschaftlichen Flächen an der Pölchinger Straße – und zwar an den möglichen Standorten A, B und D – privilegierte Gebäude wie zum Beispiel eine Biomassekesselanlage für die Nahwärmeversorgung gebaut werden sollen. Nach den Regeln der Gemeindeordnung darf der Gemeinderat nach Einreichung des Bürgerbegehrens keinen Beschluss fassen, der diese drei Standorte betrifft. Vielmehr würde es den 4540 wahlberechtigten Aschauer Bürgern obliegen, diese Standorte auszuschließen oder auch nicht. Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses. Er ist für ein Jahr bindend für Gemeinderat und -verwaltung.

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