Ein Jahr Forum an der Museumsinsel
Ein Stadtplatz als Geschenk für die Berliner: So läuft es im neuen Kiez made in Amerang
Vor einem Jahr hat der Ameranger Ernst Freiberger den Berlinern einen Stadtplatz geschenkt. Wie kommt der neue Kiez an der Museumsinsel an? Und wie klappt es mit den Mietern der historischen Immobilien, darunter Google? Michael Schürer, Geschäftsführer des „Forums Museumsinsel“, über das neue Quartier.
Amerang/Berlin – Hightech und Historie: Das passt zusammen, ist der Ameranger Ehrenbürger und Unternehmer Ernst Freiberger seit vielen Jahren überzeugt. Seine Unternehmensgruppe mit Sitz im Chiemgau betreibt deshalb nicht nur die Medical Park Kliniken sowie Hotels, sondern restauriert auch geschichtsträchtige Immobilien. Das Besondere: Sie bleiben in Besitz der Freiberger-Gruppe. Dies gilt auch für acht Gebäude aus vier Jahrhunderten im Herzen von Berlin, die sich um den neuen Stadtplatz im Szeneviertel Oranienburger Straße gruppieren: darunter das älteste Logenhaus der Freimaurer in Deutschland, das Bauhaus und der Hörsaal im Gropius Ensemble, wo der weltberühmte Chirurg Sauerbruch lehrte, das Simon Palais, die Residenz Monbijou, das Fernsprech- sowie das Haupt-Telegrafenamt.
20 Jahre Zeit hatte sich Freiberger (73) für Planung und Sanierung gelassen. Vor einem Jahr feierte er die Vollendung seines Lebenswerks im Beisein von über 12.000 Bürgern. Damals wurde zwei Tage lang gefeiert: mit bayerischem Flair in Berlin. Sogar eine Pferdekutsche mit Bier aus dem Chiemgau fuhr auf dem Platz nahe dem Hackeschen Markt vor.
Alle wesentlichen Gebäude vermietet
2023 war um diese Zeit noch nicht alles fertig, das Logenhaus beispielsweise befand sich noch im Endstadium der Sanierungsarbeiten. Ein Jahr danach vermeldet Michael Schürer, dass die acht Gebäude zu 99,8 Prozent fertiggestellt sind. Alle wesentlichen Flächen seien von den Mietern bezogen, nur noch etwa fünf Prozent ständen zur Verfügung, freut sich der geschäftsführende Direktor der Freiberger Holding SE & Co. KG, der die gesamten Immobilienaktivitäten der Unternehmensgruppe verantwortet. Es bleibe beim Versprechen Freibergers, den Platz mit Potenzial für weitere 20.000 Quadratmeter vermietbarer Fläche nicht zuzubauen.
Hauptnutzer: die Mieter, darunter Google und Delivery Hero, eine Online-Bestell- und Lieferplattform, sowie weitere Technologie- und Marketingunternehmen. Die Mitarbeitenden sitzen in der Mittagspause auf den Bänken des Platzes, verlagern jetzt im Sommer bei gutem Wetter so manche Sitzung nach draußen oder laden Geschäftspartner in die Gastronomie ein, freut sich Schürer. Auch die Berliner, die hier nicht arbeiten, schauen nach seinen Angaben immer öfter vorbei. Touristen würden im Torhaus vor den Videowänden und den Tafeln an den Gebäuden stehen und sich über die Historie des Areals informieren. Stadtrundfahrten mit Bussen, die das Forum an der Museumsinsel direkt ansteuern, werde es aber nicht geben, betont er. „Wir sind kein Ort für den Massentourismus“.
Stattdessen eher ein öffentlicher Platz, den Insider oder all jene besuchen, die auch abseits der ausgetretenen Tourismuspfade wandeln, betont er. Auch Studierende der Architektur und Geschichte hat Schürer schon entdeckt: „mit Skizzenbuch und Stift“, wie er freudig berichtet.
Auch die neue Gastronomie im Stadtviertel trifft den Zeitgeist, sagt Schürer. „Das Diesel“ beispielsweise, wo mitten in Berlin Obazda, Weißwürstl und bayerischer Wurstsalat auf der Speisekarten stehen, laufe gut, das Café am Wasser sogar so gut, dass bei schönem Wetter die Berliner Schlange stehen würden, um einen Platz zu ergattern. Auch das First-Class-Hotel im Haupt-Telegrafenamt (hier machte unter anderem die Berliner Fashion-Week Station) und der Fitness-Membersclub hätten sich etabliert. Veranstaltungen wie ein Frühlingsmarkt mit Ständen auf dem Platz oder Konzerte und wechselnde Ausstellungen in einer Galerie würden das Rahmenprogramm abrunden.
6.000 Menschen arbeiten im Forum Museumsinsel, ein internationales Publikum, das vor allem in der Online-Branche tätig ist, sagt er. Vorrangig junge Leute, die gut verdienen und Wert auf Nachhaltigkeit und Qualität legen, berichtet Schürer. Die Mieter passen nach seiner Erfahrung in das historische Quartier, das seit Jahrhunderten für Forschung, Entwicklung und Kreativität sowie Kommunikation stehe. Hier nahm in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Berliner Postzentrum den Dienst auf, im von Freiberger betriebenen Hotel startete 1916 die Stadtrohrpost.
Die Leitungen mit einer Länge von 250 Kilometern verschickten jährlich 25 Millionen Sendungen. Die neuen Nutzer, zum Großteil aus der IT, schlagen den Bogen von der Historie zur Moderne. So soll es bleiben. Schürer bekräftigt auf Anfrage, was Freiberger bereits bei der Eröffnung betonte: „Das Forum Museumsinsel soll langfristig in Familienbesitz bleiben.“ Weitere Pläne für einen Ausbau gebe es nicht. Es solle alles so bleiben, wie es sei. Ungewöhnlich in diesen unruhigen Zeiten hektischer Betriebsamkeit, vor allem in Berlin.


