Wo Sauerbruch lehrte und die Freimaurer tagten
Warum ein Ameranger Unternehmer den Berlinern einen neuen Stadtplatz schenkt
Im Herzen von Berlin nahe Museumsinsel und Szeneviertel Oranienburger Straße hat der Ameranger Unternehmer Ernst Freiberger ein neues, altes Quartier entwickelt. Warum er hier mehrere 100 Millionen Euro investiert hat, um den Berlinern einen Stadtplatz mit bayerischem Flair zu schenken.
Berlin/Amerang – Da staunten die Berliner: Eine Pferdekutsche des Traunsteiner Hofbräuhauses brachte den Verkehr gleich mehrfach zum Erliegen. Der Duft von Nürnberger Bratwürstl wehte hinaus auf die Oranienburger Straße, Treffpunkt der jungen Kreativen in Berlins Mitte. Sogar ein Maibaum wurde hochgezogen – ein Spektakel, das die Generation Z, die mehrheitlich im neuen Forum Museumsinsel wohnt und arbeitet, begeistert und erstaunt zugleich verfolgte.
12.000 Menschen folgten an drei Tagen der Einladung der Ameranger Unternehmerfamilie Freiberger zur Eröffnung des Forums Museumsinsel.
Ernst Freiberger (72), zu dessen Unternehmensgruppe auch die Reha-Kliniken Medical Park mit Verwaltungssitz in Amerang, Hotels und Immobilien gehören, zeigt sich im Gespräch mit dem OVB „sehr zufrieden“ mit dem Verlauf des Eröffnungsevents. Sogar eine Segnung des Platzes, der von allen vier Seiten durch bekannte historische Gebäude eingerahmt wird, gab es. Ein Pfarrer, ein Iman und ein Rabbiner vollzogen sie – „ein Zeichen des Miteinanders, der Toleranz“, freute sich Freiberger.
Das Forum ist sein Lebenswerk
Das Forum ist sein Lebenswerk, sein wichtigste Projekt. 20 Jahre hat er dem Vorhaben Zeit gegeben – ungewöhnlich lange für eine Immobilienentwicklung. In dieser Zeit stiegen die Baupreise, gab es eine Pandemie, neue Herausforderungen wie den Fachkräftemangel und die weltweiten Lieferschwierigkeiten. Jetzt ist es vollbracht, das Jahrhundertprojekt.
Berlins ehemaliger Bürgermeister Klaus Wowereit, der es von Anfang an begleitet hat, gehörte zu den prominenten Gästen der Einweihung. Freiberger selbst hielt sich im Hintergrund. Keine Reden, kein großer Auftritt, keine Pressefotos. Die Action überließ er anderen: einer Marching Band, Straßenkünstlern, dem Jungen Ensemble Friedrichstadt-Palast, Bands und Künstlern wie Bernhard Brink und den Cubaboarischen.
Sie füllten das Areal mit Leben. So soll es bleiben, betont Freiberger. Der neue Stadtplatz im Herzen des historischen Quartier bleibe öffentlich, ein Treffpunkt im Kiez für die Berliner und ihre Gäste - zum ersten Mal in der Geschichte, berichtet Michael Schürer, der als geschäftsführender Direktor der Freiberger Holding SE & Co. KG die gesamten Immobilienaktivitäten der Unternehmensgruppe verantwortet. Freiberger bestätigt, dass es keine Pläne gibt, den Platz mit Potenzial für weitere 20.000 Quadratmeter vermietbarer Fläche zuzubauen.
Er wird an der Museumsinsel und nahe des Hackeschen Marktes umrahmt von acht Gebäuden aus vier Jahrhunderten, die im Besitz der Unternehmensgruppe bleiben werden. Darunter ist das älteste Logenhaus der Freimaurer in Deutschland, das Bauhaus und der Hörsaal im Gropius Ensemble, wo der berühmte Chirurg Sauerbruch lehrte, das Simon Palais, die Residenz Monbijou, das Fernsprechamt, das Diesel- und Torhaus sowie das Haupttelegraphenamt. Nach 20 Jahren Planen, Sanieren und Bauen hat die Unternehmerfamilie Freiberger es nun neuen Nutzern übergeben - unter anderem haben sich hier Vertreter großer Firmennamen wie Google, Delivery Hero, Serviceplan, Zeitgeist und QuantCo eingemietet.
Sie sollen mit ihrer online-orientierten Geschäftspolitik die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und in die Zukunft schlagen. Denn schon früher war das Quartier ein Standort der Kommunikation. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der nördliche Teil zu einem Postzentrum. 1916 nahm im Haupttelegraphenamt, heute ein von Freiberger mit betriebenes First-Class-Hotel, die Stadtrohrpost ihren Betrieb auf. Über ein Fahrrohr mit einer Länge von bis zu 254 Kilometern wurden jährlich 25 Millionen Sendungen zu 99 Stationen in Berlin befördert. Die Technik versteckt sich im Hotel nicht, sie ist Teil des Raumkonzeptes, zeigen Führungen durch das Gebäude.
2000 Fenster originalgetreu saniert
Die Freiberger Holding hat sich als Immobilienentwicklerin unter anderem die Zeit genommen, alle 2000 Fenster im historischen Viertel, dessen Gebäude lange leer standen, auszubauen. Eine Schreinerei mit 30 Mitarbeitern zog auf die Baustelle und sanierte die Bauelemente originalgetreu.
Ein alter Eichenbalken, der im Restaurant „Das Diesel“, früher die Energiezentrale der Reichspost, statisch seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, fand eine neue Verwendung: als Sitzbank. Ein gigantischer Dieselmotor wurde gereinigt und auf einen Sockel gestellt. Die Sanierer retteten Jahrhunderte alte Böden, Treppen, Türen, Malereien und Ornamente. Für die Restaurierung der historischen Substanz hat sich Freiberger den britischen Star-Architekten Sir David Chipperfield sowie das Büro Patzschke & Partner (Hotel Adlon in Berlin-Mitte) ins Boot geholt. Sie stehen für Sanierungen in einem authentischen und zugleich modernen Stil.
Jedes Gebäude erzählt eine Geschichte, die eine ganze Bibliothek füllen könnte, betont Freiberger. Er möchte hier, nah an der neuen Synagoge, dem UNESCO-Weltkulturerbe Museumsinsel, dem Humbold-Forum und dem Boulevard „Unter den Linden“ eine neue alte Welt schaffen, sagt er. Auf dem nun öffentlichen Platz in der Mitte soll jährlich unter anderem der Maibaum aufgestellt werden. Bayern und Berlin: Für Freiberger passt das zusammen. Er ist in beiden Welten zuhause. Das gilt auch für die Medical Park AG mit 3.650 Mitarbeitenden, deren Kliniken und ambulanten Rehazentren vor allem in Oberbayern ansässig sind, eins der 13 Häuser befindet sich jedoch auch in Berlin. Hier hat der Ameranger 1989 schon die Humboldtmühle in Tegel erworben, 1994 den Spree-Bogen. In Berlin hatte er Mitte der 1970er Jahre auch eine Pizzafabrik gekauft, Start seiner geschäftlichen Tätigkeiten im Immobilienbereich. Sein Credo, das er stets betont: „Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiterzutragen.“ Von Amerang bis nach Berlin.







