Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Pflegemutter über eine „unerkannte Volkskrankheit“

Alkohol während der Schwangerschaft: Carmen Cimander aus Soyen über dramatische Folgen

Carmen Cimander mit ihrer ältesten Pflegetochter Vivienne.
+
Carmen Cimander mit ihrer ältesten Pflegetochter Vivienne.

Vivienne (7), Aylin (5) und Madjid (4) haben eine fetale Alkoholspektrumstörung (FASD). Das heißt: Ihre Mütter haben während der Schwangerschaft Alkohol getrunken. Die Mädchen sind drei von zigtausenden Menschen, die mit dieser Diagnose leben. Pflegemutter Carmen Cimander aus Soyen über eine unterschätzte Gefahr.

Soyen – Wenn Vivienne (7) von der Schule nach Hause kommt, wird erst einmal eine Stunde über den Tag gesprochen. Erst danach gibt es Abendessen. So ist das Ritual, so verlangt es die Routine. Wenn diese gestört wird, bricht für die Zweitklässlerin eine Welt zusammen. „Vergangenen Sommer musste sie einige Zeit lang einen anderen Bus nehmen und kam deshalb später immer direkt zum Abendessen nach Hause“, erzählt Pflegemutter Carmen Cimander. „Das war für Vivienne schrecklich. Sie konnte damit überhaupt nicht umgehen.“

Soyener Pflegemutter: Wenn Schwangere trinken, sind Kinder oft verhaltensauffällig

Vivienne hat, genau wie ihre Pflegegeschwister Aylin und Madjid, eine fetale Alkoholspektrumstörung (FASD). Das heißt: Ihre Mütter haben während der Schwangerschaft Alkohol konsumiert. Sie sind drei von zigtausenden Menschen, die in Deutschland mit dieser Diagnose leben. Carmen Cimander, Leiterin der Projektstelle „Flohhupferl“ für an FASD erkrankte Kinder in Soyen, hat sie bei sich aufgenommen.

Sie ist spezialisiert auf Fälle wie Vivienne. Sieben Kinder mit FASD hatte sie in ihrer Laufbahn als Pflegemutter bereits in ihrer Obhut. Meist seien die Schützlinge hoch verhaltensauffällig, wenig sozial verträglich. Falle wie bei Vivienne der sichere Rahmen, die Routine weg, seien die Kinder schnell überfordert mit der Gesamtsituation. Oft würden noch Komorbiditäten also Begleiterkrankungen wie Epilepsie, Autismus, Schlaf- und Bewegungsstörungen hinzukommen.

„FASD ist eine Hirnschädigung, dessen muss man sich bewusst sein“, sagt Cimander. Bei ihren Schützlingen müsse sie deshalb Pädagogik neu denken. „Wenn etwas nicht passt, muss ich mich oder die Umgebung ändern“, sagt sie. Von den Kindern können sie nicht verlangen, sich anzupassen. Das sei nicht möglich. „Die Kinder sind, wie sie sind.“ Dennoch arbeite sie gerne mit ihnen. „Sie geben einem so viel zurück. Es ist sehr lehrreich für Erwachsene“, sagt die Soyenerin.

Tausende Kinder kommen mit Behinderung zur Welt

Für Cimander ist FASD eine unerkannte Volkskrankheit. Jährlich würden tausende Kinder mit der Behinderung zur Welt kommen. Das bestätigen auch Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Behörde spricht von 10.000 Kindern allein in Deutschland. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen, denn wie auch Cimander erklärt, sei es noch immer schwierig, eine Diagnose zu erhalten und das Wissen auch bei Fachpersonal sei gering. Sie habe einige Kinder in Obhut gehabt, bei denen ADHS und eine Bindungsstörung diagnostiziert worden sei. Im Nachhinein habe sich oft herausgestellt, dass FASD dahinter stecke. Vivienne hat sie durch die Diagnosefindung begleitet, dafür musste sie wochenlang nach München fahren. Einen Arzt in der Nähe, der FASD diagnostizieren könne, gebe es nicht.

Dabei sei FASD die häufigste Ursache für eine geistige Behinderung. Über dieses Thema aufzuklären, ist ihr deshalb ein Anliegen. Denn noch immer, so ihre Überzeugung, würden die gravierenden Folgen von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft unterschätzt. „Den Menschen muss bewusst werden, FASD ist eine zu 100 Prozent vermeidbare Behinderung. Wer Alkohol während der Schwangerschaft trinkt, riskiert, einen Menschen behindert zu machen“, sagt sie. Dabei sei es egal, welche Menge getrunken werde. Auch das kleine Gläschen Wein oder Sekt könne Folgen haben.

Kommentare