„Versuchen, mich durch Bestechung zu diskreditieren“
„Absolutes No-Go“: Kolbermoorer Stadtrat Reischl entsetzt über anonymen Brief mit Bargeld
Stadtrat Stefan Reischl ist entsetzt, aber auch stinksauer. Er erhielt einen anonymen Brief, der Anschuldigungen gegen Anwohner in Kolbermoor und 20 Euro Bargeld enthält. Er spricht von „falsch verstandener Bürgerbeteiligung“ und stellt klar: „So etwas geht gar nicht“. Worum es dabei geht.
Kolbermoor – Eigentlich verliert Stefan Reischl nie die Fassung. Als Stadtrat der Parteifreien Kolbermoor und Vorsitzender des Fördervereins für das Heimat- und Industriemuseum ist er eher ein stiller Mensch, der nicht viel „Brimborium“ um sein ehrenamtliches Engagement macht. Jetzt aber hat er es richtig dick und spricht Tacheles, denn: „Das ist ein absolutes No-Go.“
Grund für seine Empörung ist ein anonymer Brief, der an seine persönliche Adresse geschickt wurde. Da er Stadtrat ist, kann diese jeder auf der Homepage der Gemeinde einsehen. Dass sie aber für eine anonyme Aktion missbraucht wird, die ihn diskreditiert, ärgert Reischl gewaltig.
Anwohner werden „hingehängt“
Im Brief hängen anonyme Verfasser zwei Anwohner der Filzenstraße namentlich hin, weil sie, so die Behauptung, für ihre privaten Gärten illegal auch das Tonwerkgelände und damit ein Biotop auf landkreiseigenem Grund nutzen würden. Sie berufen sich dabei auf Beiträge in den OVB-Heimatzeitungen. Darin klärte Michael Fischer, Pressesprecher des Landratsamtes, schon im Januar darüber auf, dass „die Vielzahl an Überschreitungen von Grundstücksgrenzen durch private Eigentümer die Ausarbeitung eines Konzeptes notwendig mache.“
Landratsamt löst das Problem bereits
Im März informierte das Landratsamt darüber, „dass es nun durchgreifen, die genauen Grundstücksgrenzen vor Ort festlegen, im Anschluss eine Nutzungsunterlassung aussprechen und den Rückbau bis zu den eigenen privaten Grundstücksgrenzen einfordern“ werde. Trotzdem behaupten die anonymen Autoren im April in ihrem Schreiben an Stadtrat Reischl: „Leider ist bis heute nichts passiert.“
Eine falsche Behauptung, denn der Prozess ist längst im Gange, nur werden darüber Nicht-Betroffene auch nicht informiert. „Die Grundstücksnutzer wurden angeschrieben“, so Michael Fischer. „In dem Brief werden sie aufgefordert, die Nutzung der dem Landkreis gehörenden Grundstücke einzustellen sowie Gegenstände und Pflanzen zu beseitigen. Bei Letzterem ist Zeit bis zum Herbst, weil die Brutzeit zu beachten ist.“
Doch den anonymen Briefeschreibern geht es scheinbar nicht schnell genug. Und sie scheinen auf „Kontrollgängen“ offenbar genau zu prüfen, ob die betreffenden Anwohner der Filzenstraße ihre illegalen Nutzungen bereits zurückgebaut haben. So jedenfalls wird es im Brief, der den OVB-Heimatzeitungen vorliegt, beschrieben. Einer habe sein Trampolin schon entfernt, so die Behauptung. Ein anderer Anrainer aber ignoriere die Grundstücksgrenze weiterhin.
Verfasser versuchen es mit „Parteipolitik“
Während im Schreiben konkrete Namen und Adressen genannt werden, entschuldigen sich die Verfasser, dass sie ihre nicht preisgeben, denn: Es handle sich um einen gemeinsam entworfenen Brief und unter den Autoren seien auch Kunden eines Betroffenen.
Doch damit nicht genug: Die anonymen Verfasser wünschen sich konkretes Handeln und schlagen vor, dass die Stadt aufs Landratsamt zugehe, den alten Zaun entferne, die betreffende Fläche von etwa 1200 Quadratmetern einzäune und aufforste. „Es wäre jetzt noch Zeit“, wird auf Eile gedrängt. Dann werden die Autoren noch persönlicher: „Wäre es nicht schön, wenn der Vorschlag für die Umwelt nicht von den Grünen, sondern mal von einer anderen Partei eingebracht wird.“ Und schließlich könne man im Heimatmuseum dann ja auch Vorher-Nachher-Fotos aufhängen.
Zu guter Letzt schreiben sie: „Worte sind das eine, Taten das andere. Deshalb haben wir dem Schreiben eine Barspende von 20 Euro für die Neubepflanzung beigefügt.“ Stefan Reischl hat so etwas noch nie erlebt: „Menschen, die nicht die Courage haben, zu ihrer Kritik mit Namen zu stehen, aber andere öffentlich und namentlich anprangern. Und die versuchen, mich als Stadtrat durch Bestechung zu diskreditieren.“ Er ist erschüttert: „So nicht. Das ist absolut falsch verstandene Bürgerbeteiligung.“
„Falsch verstandene Bürgerbeteiligung“
Zwei weitere Stadträte von CSU und Parteifreien wohnen übrigens auch an der Filzenstraße. Sie erhielten kein anonymes Schreiben und haben das Glück, sich nicht mit dem unguten Gefühl auseinandersetzen zu müssen, missbraucht zu werden. „Das ist nicht meine Art zu kommunizieren“, stellt Stefan Reischl unmissverständlich klar: „Bürger können mich jederzeit anrufen oder mir eine E-Mail schreiben. Ich kümmere mich gern um ihre Anliegen. Aber so etwas geht gar nicht.“
Er fordert die anonymen Verfasser auf, Courage zu zeigen und sich bei ihm zu melden: „Ich will ihnen die 20 Euro zurückgeben. Sollten sie das Geld nicht abholen, werde ich es dem Bund Naturschutz spenden.“
Parallel dazu hat sich der Kolbermoorer mit der Problematik beschäftigt, auch wenn sie „Sache der übergeordneten Behörde ist und wir uns da nicht einmischen müssen“.
Zaun wurde vor mehr als 40 Jahren gebaut
Er kennt das Tonwerksgelände seit Kindertagen, hat zudem im Museum alte Karten und Unterlagen gesichtet. „Den Zaun gibt es seit mehr als 40 Jahren. Die Mitarbeiter des Tonwerkes, die einst dort lebten, hatten die Erlaubnis von ihrem Arbeitgeber, die Grünfläche bis dorthin zu nutzen“, weiß er.
Inzwischen haben die Grundstücke andere Besitzer, es sind neue Familien eingezogen. „Warum sie die angrenzenden Flächen noch heute nutzen, weiß ich nicht, aber den Zaun müsste meiner Meinung nach das Landratsamt entfernen, da es das Gelände Anfang der 90er-Jahre so erworben hat.“ Das würde natürlich auch bedeuten, dass die Anwohner an ihren Grundstücksgrenzen eigene Zäune errichten müssten.
Und noch eines möchte der Heimatforscher Reischl klarstellen: „In diesem Bereich war nie ein Wald, sondern immer nur eine Grünfläche.“
