Traunreut, Berchtesgaden und Wasserburg
Prime, Netflix und Co.: Wie kleinere Kinos konkurrenzfähig bleiben wollen
Zuerst Corona, dann die Inflation, und immer wieder die Streaming-Portale: Kinos haben seit Jahren einen schweren Stand. Die Betreiber müssen sich etwas einfallen lassen, um das Publikum weiter anzulocken. Mancher Inhaber schreckt dabei auch nicht davor zurück, auf den ersten Blick ungewöhnliche Maßnahmen zu treffen - zum Beispiel eine Selbstbedienungstheke für Popcorn, Nachos und Co., wie es sie bald in Traunreut geben wird.
Dort haben sich die Geschäftsführer Adriana und Markus Keßler dazu entschieden, das Kino vom 13. bis zum 16. November zu schließen, um den Kassenbereich umbauen zu lassen. Ab dem 17. November ist das Kino wieder geöffnet, der neue Selbstbedienungsbereich wird erst ab dem 24. verfügbar sein. Die Besucher nehmen sich dann Popcorn, Nachos oder andere Süßigkeiten aus einem Regal, auch die Getränke müssen selbst „gezapft” werden. Erst dann wird an der Kasse bezahlt.
Wie die beiden Inhaber erläutern, ist dieses Modell in den USA durchaus gängig, und sie sind auch extra nach Ulm gereist. Dort gibt es in einem Kino diese Selbstbedienung schon seit einigen Jahren - und laut Markus Keßler würde sich die dortige Inhaberin jederzeit wieder dafür entscheiden. „Wir erhoffen uns dadurch, die Wartezeiten für die Besucher deutlich zu verkürzen”, schildert der Geschäftsführer den erhofften Zweck dieser 60.000 bis 70.000 Euro teuren Baumaßnahme. Vorerst soll es die Selbstbedienung nur in Traunreut geben, am anderen Standort in Traunstein im Ortsteil Haslach bleibt alles wie gehabt - zumindest vorerst.
Kosten explodieren
Eine große Rolle bei möglichen Baumaßnahmen spielen Förderungen, etwa durch den FilmFernsehFonds Bayern (FFF). Davon profitiert auch das Kino Berchtesgaden: Betreiber Thomas Kastner kann durch die finanzielle Hilfe einen neuen Laser-Projektor anschaffen. Die Geräte kosten seiner Aussage zufolge mittlerweile 90.000 Euro. „Der Letzte hat noch 40.000 Euro gekostet”, verdeutlicht der Inhaber. Die Kostensteigerungen in sämtlichen Branchen machen auch vor den Kinos keinen Halt.
Ohne die Förderungen haben kleine Kinos keine Chance mehr
„Ohne die Förderungen haben kleinere Kinos keine Chance mehr”, betont Kastner. Technik und Einrichtung, die laufenden Betriebskosten wie Strom, Personal, Lebensmittel: Viele Kosten seien exorbitant gestiegen. „Allein bei den Rohstoffpreisen gab es einen Aufschlag von 100 Prozent”, erklärt der Berchtesgadener Kinobesitzer. Er verdeutlicht auch: Etwa 50 Prozent der Ticketerlöse gehen an Filmverleiher und Filmstudios. Kastner: „Ich kann die Kostensteigerungen nicht immer an die Besucher weitergeben und ständig die Ticketpreise erhöhen. Das Kino ist für die Masse, nicht für den Einzelnen.”
„Viele denke sich: Den Film kann ich mir auch zuhause anschauen“
Aus der Sicht von Kastner habe sich durch die Pandemie einiges verändert, nachdem die Betreiber monatelang auch mit Beschränkungen zu kämpfen hatten. Im Vergleich zu Spanien oder Frankreich sei die Kinokultur in Deutschland weniger ausgeprägt. „Das Interesse ist nicht so groß, und durch die vielen Streaming-Portale sagen sich viele Leute: Den Film kann ich mir auch zuhause anschauen.” In Kastners Kino gibt es nur eine Leinwand, dementsprechend muss die Auswahl der Filme sitzen. „Das ist wie Lotto spielen: In einer Woche stellte ich mit neun unterschiedlichen Filmen einen Rekord für unser Haus auf”, berichtet Kastner.
Der Rückgang der Kinobesucher wird auch bei einem Blick auf die Zahlen deutlich: Laut der Filmförderungsanstalt gab es 2022 insgesamt 76 Millionen Besucher. Immerhin ein Aufschwung im Vergleich zu den Vorjahren (2020: 38 Millionen; 2021: 41 Millionen), aber doch deutlich entfernt von den Werten vor der Pandemie (2019: 115 Millionen Kinobesucher).
Wo sind die jungen Kinobesucher?
Diesen Trend kann auch Rainer Gottwald, Betreiber des Utopia in Wasserburg, bestätigen. Auch wenn es zuletzt wieder leicht aufwärts ging dank starker Titel wie Barbie: Die Besucherzahlen waren schon vor der Pandemie angespannt. „Vor 20 Jahren gehörte die Altersgruppe zwischen 13 und 30 Jahren zu den stärksten. Die sind weg, die fehlen schon länger”, so Gottwald. Während die Altersklassen ab 40 wieder verstärkt das Kino besuchen, haben sich bei den jüngeren Besuchern die Streaming-Portale im Alltag verfestigt.
Umso wichtiger, neue Wege zu gehen: Vor allem die Open-Air-Vorstellungen im Sommer locken Jugendliche an. „Sobald die Vorstellungen einen Event-Charakter haben, kommen auch die jungen Besucher”, berichtet Gottwald. Die Hoffnung liegt auf den kommenden Generationen: Der Inhaber hofft, dass vor allem Kinder das Kino kennenlernen. In den Ferien bemerkte er deutlich mehr Eltern, die mit ihren Kleinen zu ihm ins Utopia kamen. Da helfen natürlich die entsprechenden Titel wie der neue Pumuckl - zu dem der Teisendorfer Michael Regner die Filmmusik komponieren durfte.
Auch ihm geht es beim Thema Investitionen ähnlich wie Thomas Kastner in Berchtesgaden. Gottwald sagt: „Ohne die Förderprogramme ist keine Modernisierung möglich.” Alles sei teurer geworden, und bedingt durch die Energiepreise musste er auch die Ticketpreise erhöhen. Bei der Auswahl der Vorstellungen hat er sein Programm zuletzt etwas reduziert: Bei kleineren Titeln stellt sich Gottwald immer häufiger die Frage, ob sich diese lohnen. Dadurch leidet natürlich auch die Vielfalt, wie er zugibt.
