Max Bosch ist stellvertretender Betriebsleiter bei der Berchtesgadener Bergbahn AG am Jenner und seit 2006 Mitarbeiter bei der Jennerbahn. Wie er das Alpinaus am Jenner empfunden hat und und warum das Aus gleichzeitig einen Neustart bedeutet, erzählt er im Interview:
Berchtesgadener Land/Schönau am Königssee – Den Umbruch am Schönauer Hausberg, dem Jenner, müssen auch langjährige Mitarbeiter wie der stellvertretende Betriebsleiter Max Bosch erst einmal verdauen. Das Aus für Alpinskifahrer bedeutet aber gleichzeitig einen Neustart für Bahn und Berg im Winter. Der Wandel dahin war absehbar, sagt Bosch: „Die Skifahrer wurden seit Jahren immer weniger, besonders außerhalb der Ferienzeiten.”
Sie sind seit fast 20 Jahren am Jenner beschäftigt. Mit welchen Aufgaben haben Sie hier damals begonnen?
Max Bosch: Als ich angefangen habe, hatte ich bereits eine Ausbildung als Metallbauer absolviert. Das war die ideale Grundlage für den Einstieg bei der Seilbahn. Heute gibt es eine eigene Ausbildung zum Seilbahntechniker. Anfangs war ich Betriebsbediensteter, also quasi Schaffner am Bahnsteig. Ich hatte dann die Möglichkeit, als Maschinist weiterzuarbeiten. Das heißt, ich war für jeweils eine Anlage zuständig. Seit November 2020 bin ich geprüfter stellvertretender Betriebsleiter.
Alpines Skifahren war immer wesentlicher Teil des Jenner-Winters. Ab kommender Saison ist das anders. Bedauern Sie das aus persönlicher Sicht ein wenig?
Bosch: Aus persönlicher Sicht bedauere ich das, weil ich selbst gerne Ski fahre.
Heuer wurden die Saison über nur noch 700 Tickets für Skifahrer verkauft. An welche Zeiten erinnern Sie sich?
Bosch: Früher sah man in den Weihnachtsferien auch mal Schlangen an der Talstation. Der Andrang war aber nur gefühlt mehr, weil wir mit der alten Bahn ja viel weniger Förderkapazität hatten. Heute sind Aufwand und Kosten viel höher, um wettbewerbsfähige Pisten herstellen zu können. Das macht das alpine Skifahren für Seilbahn und Gast immer teurer. Die Skifahrer werden seit Jahren immer weniger, besonders außerhalb der Ferienzeiten.
Jenner nach Alpinaus: Kulturelle Identität verloren?
Ganze Generationen lernten am Jenner das Skifahren. Inwiefern geht Ihrer Ansicht nach mit dem Ende des alpinen Skibetriebs auch ein bisschen kulturelle Identität verloren? Oder sollte man das alles nicht so tragisch sehen?
Bosch: Sicher fehlt uns jetzt hier am Jenner dieses Angebot im Winter, aber: Kinder von Ski fahrenden Eltern werden sicherlich weiterhin Skifahren lernen, und können ihre Sportart in der Region ausüben.
Die Skipisten des Jenners werden künftig nicht mehr präpariert. Braucht man die Pistenbullys dann noch? Was machen dann die ganzen Mitarbeiter?
Bosch: Die Anzahl der Pistenbullys können wir reduzieren, aber die verbleibenden werden im Einsatz bleiben. Wir präparieren ja weiterhin den Krautkaserhang für den Deutschen Skiverband und unsere Rodelbahn. Die Mitarbeiter sind dort weiterhin im Winterdienst-Einsatz. Am Jenner wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
Skitourengehen boomt, auch am Jenner. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Leute neuerdings lieber raufgehen als ausschließlich runterzufahren?
Bosch: Skitourengehen ist im Berchtesgadener Land schon immer zuhause, allerdings früher meist im freien Gelände. Viele sind jetzt aus Fitnessgründen unterwegs, nutzen präparierte Pisten, weil sie gar nicht im freien Gelände fahren können.
Die Bergbahn AG profitiert von Tourengehern nur bedingt. Warum sind die Leute trotzdem wichtig?
Bosch: Viele der Skitourengeher kommen aus dem Chiemgau und dem benachbarten Salzburg. Sie nutzen unsere Infrastruktur, kehren aber auch gern in der Jenneralm ein. So lernen sie den Jenner kennen und kommen vielleicht auch im Sommer mit der Familie, um die Bergbahn zu nutzen. Und erzählen am Ende dann weiter, wie schön es bei uns ist.
Jenner nach Alpinaus: neue Wege
Der Jenner könnte in Zukunft der Berg für Rodler und Winter-Wanderer werden. Was ist in dieser Hinsicht vorstellbar? Warum ist Rodeln so attraktiv geworden?
Bosch: Rodeln ist für die Gäste mit wenig Aufwand verbunden. Ein Schlitten oder einen Bob gibt es für kleines Geld im Verleih. Man hat einfach Spaß im Schnee, als Familie oder als Freundesgruppe. Die Beherrschung des Schlittens kann man schneller lernen als das Skifahren. Ob das Rodeln das Skifahren komplett kompensieren kann, wird sich zeigen.
Mit der Jennerhex gibt es bereits eine Rodel-Talabfahrt von der Mittelstation. Ist es vorstellbar, in Zukunft auch vom Gipfel aus auf Kufen runterzufahren?
Bosch: Das ist Zukunftsmusik. Wir planen aber eine einfache, zweite Rodelstrecke an der Mittelstation.
Das für den Jenner wichtigere Geschäft ist das im Sommer. Bleibt da alles wie gehabt?
Bosch: Aktuell gibt es keinen Anlass, im Sommer etwas zu verändern. Im Sommer sind schon immer mehr Gäste da gewesen, und die Bahn ist gut ausgelastet. Die Möglichkeiten am Berg sind schon groß: Wandern, Bergsteigen, Klettersteig, Paragliden, dazu die tolle Nationalparkausstellung in der Bergstation. Für Kinder gibt es Spielplätze an Berg- und Mittelstation. Viele unserer Gäste sind allein schon von unserem Panoramablick und der großen Terrasse der Jenneralm begeistert.
Dieses Interview führte Kilian Pfeiffer.