Umstrittenes Angebot
„Als Einheimischer bist da Depp“: Jennerbahn gratis für Chiemgauer Gäste, aber nicht für die aus BGL
Für Empörung sorgt ein Angebot der Jennerbahn: Urlaubsgäste aus dem benachbarten Landkreis Traunstein dürfen mit der Chiemgau-Karte kostenlos auf den Hausberg von Schönau am Königssee fahren. Die Gäste im Berchtesgadener Land dagegen gehen leer aus und müssen die normalen Preise zahlen. Das stört die Einheimischen, auch der Zweckverband Bergerlebnis schaltet sich ein.
Schönau am Königssee - Seit Juni dürfen Urlaubsgäste mit Chiemgau-Karte kostenlos mit der Jennerbahn in Schönau am Königssee fahren. Das sorgt unter manchen Einheimischen für Empörung. Denn die hiesigen Gäste dürfen das nicht. Selbst unter verantwortlichen Touristikern gibt es nun konkrete Erwartungen.
Möglich macht das Angebot eine neue Partnerschaft zwischen der Berchtesgadener Bergbahn AG (BBAG), die kürzlich einen Käufer für die Jennerwiesenbahn gefunden hat, und der Inzeller Touristik. Gäste aus den Gemeinden Bergen, Grassau, Inzell, Ruhpolding und Siegsdorf haben seit Kurzem die Möglichkeit, die Jennerbahn kostenlos zu nutzen. Finanziert wird das Modell über eine Umlage, welche die Gemeinden leisten. Die Jennerbahn ist Teil des Pakets: Wer die Chiemgau-Karte besitzt, zahlt für die Auffahrt nichts.
Nur eine kurzfristige Werbemaßnahme?
Doch genau das sorgt für Empörung: Nicht etwa die Einheimischen oder deren Urlaubsgäste profitieren vom neuen Angebot, sondern Besucher aus dem benachbarten Landkreis Traunstein. Was aus Sicht der Betreiber ein cleverer Coup ist, neue Gäste zu gewinnen, empfinden einige in der Region Berchtesgaden-Königssee als Affront. Denn die eigenen Gäste zahlen weiterhin den regulären Preis, trotz ortsüblicher Gästekarte. Die Kritik kommt nicht nur von Gastgebern, sondern auch von offizieller Stelle.
Die Tourismusregion Bergerlebnis Berchtesgaden als kommunaler Zweckverband könne und wolle betriebswirtschaftliche Entscheidungen privater Unternehmen zwar nicht kommentieren, heißt es auf Anfrage. „Laut Vorstand der Berchtesgadener Bergbahn AG ist das extrem vergünstigte Ticket für Gastgeber aus unserem Nachbarlandkreis eine kurzfristige Werbemaßnahme, die die Bekanntheit der Jennerbahn im Chiemgau erhöhen soll”, äußert sich Bartl Wimmer, Vorsitzender des Zweckverbands Bergerlebnis Berchtesgaden, auf Nachfrage.
„Als Einheimischer bist echt da Depp“
Und ergänzt: „Falls diese Werbemaßnahme länger als bisher beabsichtigt erfolgt, erwarten wir, dass die Berchtesgadener Bergbahn AG auch den Gästen des Bergerlebnisses Berchtesgaden diese vergünstigten Konditionen anbietet.” Der Unmut ist seit Ankündigung greifbar: Viele fragen sich, warum Einheimische und ihre Urlaubsgäste schlechter gestellt sind als Besucher aus dem Nachbarlandkreis.
In sozialen Netzwerken äußern sich einige direkt: „Als Einheimischer bist echt da Depp“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer notiert sarkastisch: „Dann nehmen wir uns halt für eine Nacht eine Ferienwohnung in Inzell, dann fahren wir auch gratis.“ Eine Facebook-Nutzerin verweist auf finanzielle Vorleistungen der Gemeinde: „300.000 Euro Schönauer Gemeindegelder für ein Privatunternehmen zur Aufrechterhaltung des Winterbetriebs waren sehr willkommen … und nun kommen noch Chiemgauer Tagesgäste zu uns, und wir warten auf eine eng getaktete ÖPNV-Verbindung.“ Auch andere Einwände werden laut: „Alle zahlen das Gleiche oder keiner“, schreibt ein Nutzer. „Alles andere verstößt gegen das Gleichbehandlungsprinzip.“
Angebot wird durch Chiemgauer Gästekarten-System möglich
Dass die einen gratis fahren und die anderen nicht, hat auch mit dem zugrunde liegenden System zu tun. Die Chiemgau-Karte ist eine Premium-Gästekarte, deren Leistungen durch die beteiligten Gemeinden direkt mitfinanziert werden. Sie funktioniert als Umlagemodell und ist voraus finanziert: Die Kommunen zahlen pro Gästebett einen festen Beitrag, dafür erhalten Urlauber freien Zugang zu Seilbahnen, Schwimmbädern oder Museen. Die Berchtesgadener Gästekarte hingegen ist klassisch kurbeitragsfinanziert und bietet in erster Linie Rabatte und freie Nutzung des Nahverkehrs, aber keine vollumfänglichen Leistungen wie etwa das Fahren mit Seilbahnen.
„Die Chiemgauer Gastgeber finanzieren das Angebot“, bestätigt auch eine Sprecherin der Jennerbahn, auf Nachfrage. Dass am Ende auch hiesige Gäste kostenlos mit der Bahn auf den Schönauer Hausberg fahren könnten, wäre Sache der Tourismusregion, heißt es weiter. „Bei den Besuchern mit Chiemgau-Karte handelt es sich um eine neue Gästegruppe aus einer benachbarten Region, die wir gern mitnehmen wollen“, so die Sprecherin. „Natürlich bringen die Gäste unserer Region auch Umsatz.” Bei der Jennerbahn weiß man: „Das sind alles Menschen, die sonst vielleicht nicht gekommen wären.“ Bislang zählte man seit Startschuss am Jenner über die Chiemgau-Karte mehr als 2800 Fahrten.
Gibt es im Berchtesgadener Land ein neues Modell?
Die Jennerbahn gilt als einer der touristischen Magnete der Region. Rund 70 Prozent der Fahrgäste sind Urlauber, heißt es bei der BBAG, 30 Prozent sind Tagesgäste. Im Hintergrund laufen laut Wimmer Gespräche über eine mögliche Weiterentwicklung der regionalen Gästekarte. Noch sei offen, wie ein solches Modell aussehen könnte.
Klar ist: Ein großer Teil der Einheimischen erwartet, dass die Gäste der Region Berchtesgaden nicht dauerhaft schlechter gestellt bleiben. Ob die Kooperation mit dem Chiemgau Schule machen wird oder als einmalige Aktion endet, ist momentan ungewiss. (kp)