Sommer-Hotspot Bischofswiesen
Schleusung aus „Langeweile“ – Mann (27) am Gericht in Laufen verurteilt
Ein Schleuser musste sich am Gericht in Laufen verantworten, weil er 14 Personen, darunter Kinder, über die Grenze nach Bischofswiesen brachte – nun erwartet ihn diese Haftstrafe.
Bischofswiesen/Laufen – Verteidiger Hans-Jörg Schwarzer fragte den Angeklagten, ob er möglicherweise arabische Wurzeln habe. Denn Menschen dieser Herkunft neigen nicht nur seiner Erfahrung nach, selbst auf einfachste Fragen mit weitschweifigen Schilderungen zu antworten. So auch der in Frankreich lebende Kurde, der in seinem Neunsitzer sieben Erwachsene und sechs Kleinkinder über den Grenzübergang Scheffau-Zill zum Rathausplatz in Bischofswiesen gebracht hatte. Wegen Einschleusen von Ausländern unter einer das Leben gefährdenden Behandlung verurteilte ihn das Laufener Schöffengericht zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.
Angeklagter will von allem nichts gewusst haben
Gleich zu Beginn beteuerte der Angeklagte: „Ich sage die Wahrheit.“ Was folgte war das: „Mir war langweilig, ich wollte einfach rumfahren“, behauptete der 27-Jährige, worauf Vorsitzender Martin Forster feststellte, dass ein Neun-Sitzer-Kastenwagen kein „Spaßauto“ sei. Den Renault Master hatte der Kurde in Frankreich angemietet. Damit nicht genug, soll ihn die Autokorrektur seines Handys zu einem „Freund“ gelenkt haben, der ihn dann gebeten habe, „diese Personen mitzunehmen“.
13 türkische Staatsbürger waren schließlich in Budapest eingestiegen, angeblich alle mit Pässen ausgestattet, die sie jedoch nach dem Grenzübertritt ins Berchtesgadener Land weggeworfen hätten. Am Bischofswiesener Rathausplatz war einer Anwohnerin das Fahrzeug mit den verdunkelten Scheiben aufgefallen, nachdem sie bereits am Vortag Ähnliches beobachtet hatte. Die Polizei machte sich mit mehreren Streifenwagen auf den Weg, der Fahrer flüchtete zu Fuß zur Panoramapark-Tankstelle, wo er schließlich gestellt und verhaftet wurde. „Ich habe mich unter Druck gefühlt“, begründete er seine Flucht weg vom Fahrzeug, was zu einem regen Augenverdrehen im Gerichtssaal führte. Weil die Geschleusten ihn als Fahrer identifizierten, drohte er ihnen mit dem Umbringen. Allerdings hätte ihn allein der Autoschlüssel in seiner Tasche verraten.
Hotspot Bischofswiesen
Auch den Beamten hatte er erzählt, er mache solche „Ausflugsfahrten als Ausgleich“. Ein Polizeihauptkommissar der Bundespolizei Freilassing berichtete, dass für jeden Geschleusten 3000 Euro gezahlt worden seien, der Angeklagte 200 Euro pro Fahrgast hätte bekommen sollen. Aber warum Bischofswiesen? Das war im vergangenen Sommer ein Hotspot der Schleuseraktivitäten gewesen, denn laut dem Zeugen waren binnen zweier Monate dort rund 200 Geschleuste aufgeschlagen. Diese 13 Fahrgäste hatten Berlin als Ziel gehabt.
Der Angeklagte arbeitet nach eigener Angabe in Frankreich schwarz am Bau und hat dort Asylstatus, fürchtet aber, den wegen dieser Festnahme zu verlieren. Zurück in die Türkei könne er als politisch verfolgter Kurde nicht, denn dort erwarteten ihn sechs oder sieben Jahre Haft. „Er hat uns hier viel erzählt“, fasste Staatsanwältin Marion Schuller das Gehörte zusammen und beantragte drei Jahre und zwei Monate.
Rechtsanwalt Hans-Jörg Schwarzer räumte ein, sein Mandant habe „sich zugegebenermaßen schwergetan“, sei aber „durch meine kleine Nachhilfe“ doch noch zu einem Geständnis gelangt. „Klar, dass es hier keine Bewährung mehr gibt“, ließ der Verteidiger keinen Zweifel und plädierte auf zwei Jahre und acht Monate.
Erschwerend war aus Sicht der drei Richter der Umstand, dass alle sechs Kinder ungesichert auf den Schößen der Erwachsenen „über eine lange Strecke“ transportiert worden waren. Weitere Schleuserfahrten waren dem bislang nicht vorbestraften Kurden nicht nachzuweisen, aufgrund seiner Schwarzarbeit, dieser Tat und seiner Drohung attestierte ihm Vorsitzender Forster eine „nicht sonderlich ausgeprägte Regelakzeptanz.“ Mit dem Strafmaß von zwei Jahren und acht Monaten zeigte sich der Mann nicht einverstanden.
Stichwort Bewährung: Eine solche hatte Hans-Jörg Schwarzer unmittelbar zuvor in dem Verfahren gegen einen 38-jährigen Moldawier beantragt, der gleich mehrere Anklagepunkte verwirklicht hatte. Im Mai hatte er vier Leute unerlaubt von Ungarn nach München gebracht, im Juni vier türkische Staatsangehörige über den Grenzübergang Walserberg in die Bundesrepublik fahren wollen. Schließlich hatte er eine total gefälschte rumänische ID-Karte vorgezeigt, um visumfrei in Deutschland arbeiten zu können. Hier entschied das Schöffengericht auf zwei Jahre und zwei Monate, die naturgemäß nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können.
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