Spendenkampagne zur Unterstützung gestartet
Nur noch Asche: Familie aus Ramsau verliert nach Brand ihre Existenz - „Wir stehen vor dem Nichts“
Familie Wegscheider aus dem Bergsteigerdorf Ramsau steht vor dem Nichts. Kein Zuhause mehr, die Existenzgrundlage zerstört, viele Erinnerungen unter der Gluthitze des Feuers zusammengeschmolzen. Das verheerende Unglück beginnt am Samstag (5. April) gegen 15 Uhr in der Garage. Innerhalb weniger Minuten frisst sich der Brand durch das Wohnhaus. Die Familie rettet sich, doch zurückbleibt nur eine Ruine. Und Florian Wegscheider, der ohne Versicherungsschutz dasteht. Erste Unterstützung gibt es bereits, doch: Wie geht es weiter? Geht das überhaupt nach einer solchen Tragödie?
Ramsau - „Es ist, als ob jemand einfach unser ganzes Leben gelöscht hätte“, sagt er fassungslos. Vor der verkohlten Hülle seines Hauses stehend, spürt man die Fassungslosigkeit in jeder seiner Bewegungen. Noch immer liegt der beißende Geruch von verbranntem Holz in der Luft. Er, seine Ehefrau Catharina, der fünfjährige Sohn Beni, Tochter Laura und Mutter Monika stehen buchstäblich vor dem Nichts. Keine Versicherung. Kein Erspartes. Kein Plan, wie es weitergehen soll.
Was bleibt, sind verrußte Bilder, zerstörte Habseligkeiten und eine schwarze, stinkende Lache aus Löschwasser, die sich noch immer durch das Badezimmer zieht. Ohnmacht legt sich wie ein bleierner Schleier über die Familie.
Wie aus der Heimat der Ort der Zerstörung wurde
Das Haus - ein 150 Quadratmeter großes Häuschen aus dem Jahr 1954 - liegt malerisch zwischen Bergwiesen, direkt neben einem Bauernhof. Monika Wegscheider bewohnte das Erdgeschoss, ihr Sohn Florian mit seiner jungen Familie das Obergeschoss. Seit 2003 lebte er hier - mit Blick auf den Watzmann. Dieses Haus war Rückzugsort, Lebensmittelpunkt, Heimat. Nun ist es ein Ort der Zerstörung.
Die Katastrophe beginnt in der Garage, wo Florian Wegscheider, 46, das Lager seines Hausmeisterservices eingerichtet hat. Vermutlich entzündet ein Kabelbrand an einer Steckdose die hölzerne Werkbank - der Beginn eines Infernos. In der Garage lagerten sämtliche Arbeitsmaterialien: teure Maschinen, Sägen, Werkzeuge, eben alles, was ein Handwerker braucht. Brennstoff für die Flammen.
Dem Sohn fällt der Brand zuerst auf
Es ist Catharina Wegscheider, die den Rauch als Erste bemerkt. „Der Beni hat noch gesagt: Der Staubsauger stinkt aber“, erinnert sie sich. Sekunden später schlagen Flammen aus der Garagentür. Sie will noch löschen, doch da ist es bereits zu spät. „Ich hab nur noch gespürt, wie die Hitze mir ins Gesicht geschlagen ist.“ Da weiß sie: Sie müssen raus. Monika rettet sich durch das Küchenfenster. Florian sagt später: „Wäre das Feuer nachts ausgebrochen, wäre mein Sohn als Erster verbrannt.“ Der Gedanke erschüttert ihn bis ins Mark.
Er selbst ist zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause, sondern gerade erst zum nahegelegenen Fischweiher aufgebrochen. „Ich war nur ein paar Minuten weg“, sagt er. Wenig später steht sein Haus in Flammen. Das Feuer frisst sich durch das hölzerne Gebälk, zerstört Spielsachen, Möbel, Erinnerungen. Die Flammen knistern wie zerplatzende Luftballons. Der Feuerwehr gelingt es an diesem schicksalhaften Samstagabend nicht, das Obergeschoss zu retten.
Mülltonnen geschmolzen, Trophäen verbrannt
Im Badezimmer steht das Löschwasser noch immer - eine schwarze, übelriechende Brühe. An der Wand hängen Wäschestücke, einst zum Trocknen aufgehängt, jetzt schwer vom Ruß. In der Küche liegt eine feine Schicht aus Asche über allem. Der Alltag der Familie, in Ruinen konserviert.
Im Hof türmt sich das verkohlte Dachstuhlholz zu einem bizarren Haufen. Die Mülltonnen nebenan sind durch die Hitze geschmolzen. Vom einstigen Dachboden ist nur noch die verkohlte Räucherkammer zu erkennen: Früher hing hier der Speck. Florian Wegscheider ist leidenschaftlicher Jäger. „Die Jägerei ist mein Leben“, sagt er. Mehr als 300 Trophäen - Geweihe, Schädel, präparierte Tiere - waren im Haus verteilt. Jetzt: nur noch verkohlte Reste, zerbröselnde Erinnerungen.
Unterlagen und Bargeld vernichtet
Die Winterjacken im Schrank sind zusammengeschmolzen. Urkunden, Papiere, Rechnungen - alles zerstört. Auch die 7600 Euro Bargeld, die Florian im Haus aufbewahrte, sind verschwunden. „Der Umschlag ist weg“, sagt er. Dabei bräuchte er das Geld jetzt dringender denn je. „Im Haus war alles drin, was wir uns in zwanzig Jahren aufgebaut haben. Und jetzt? Wir stehen vor dem absoluten Nichts.“
Das große Problem: Es gibt keine Gebäudeversicherung, keine Hausratversicherung. Die Familie steht vor dem wirtschaftlichen Abgrund. Das Wohngebäude gehört Florians Vater, der es seinem Sohn vermietet hatte. Seit über zwanzig Jahren lebten sie hier - jetzt bleibt nur ein Totalschaden, der abgerissen werden muss.
Bringt eine Spendenkampagne etwas Hoffnung?
Ohne externe Unterstützung sieht die Familie keine Zukunft. Florian Wegscheider hat Bürgergeld beantragt. „Man weiß überhaupt nicht, wo man anfangen soll“, sagt Catharina, während sie den kleinen Beni im Arm hält. Florian telefonierte mit dem Landratsamt, mit Hilfsorganisationen, bekam erste Spenden, Gutscheine und Kleidung. Freunde und Bekannte gaben ihm 2000 Euro - ein Anfang. Nicht viel, aber auch nicht nichts. Mittlerweile haben Freunde der Familie eine Spendenkampagne gestartet.
Florian Wegscheider schätzt den Schaden samt Inventar auf einen mittleren sechsstelligen Betrag. Verarbeiten kann er das Erlebte noch immer nicht.
Neue Wohnung noch nicht in Sicht
Seit dem Brand ist das Hotel Hindenburglinde zur Zuflucht der Familie geworden. Hotelier Richard Resch hat die Wegscheiders untergebracht - vorübergehend, bis die Urlaubssaison zu Ostern startet. Dann sind die Zimmer bereits gebucht. Eine neue Wohnung ist noch nicht in Sicht.
Florian leidet zusätzlich an Schmerzen im Knie, kürzlich wurde er operiert. Arbeiten kann er nicht: nicht wegen der Verletzung, sondern weil seine gesamte berufliche Existenz in Flammen aufging. Catharina versucht, stark zu bleiben. Doch der Schlaf will nicht kommen. In ihrem Kopf kreisen die Gedanken, die Sorgen, die Ungewissheit. Man funktioniert, sagt sie, aber innerlich herrscht Leere.
Die Familie vermisst ihr Zuhause und alles, was man mit Geld nicht ersetzen kann. Jeden Tag fährt Florian vom Hotel zur Brandstelle, in der Hoffnung, noch etwas Unversehrtes zu finden. Beim Abschied blickt er ein letztes Mal auf die Ruine. Und hofft auf einen Neuanfang, mitten aus der Asche. (kp)



