Nach Überfall auf Geschäft in Bad Reichenhall
Der Boss, der Organisator, der Depp – und gegenseitige Schuldzuweisungen vor Gericht
Samstag, 20 Uhr, Ladenschluss und Feierabend. Doch da steht plötzlich ein 17-jähriger mit Revolver am Hintereingang und bedroht zwei Marktmitarbeiter, fordert Geld, lässt sich 32.500 Euro in seinen Rucksack packen und flieht auf einem Roller ohne Kennzeichen.
Bad Reichenhall/Laufen – Wegen schwerer räuberischer Erpressung standen jetzt zwei junge Kosovaren und ein Deutscher vor dem Laufener Schöffengericht, wo die Verteidiger die Verantwortung ihrer Mandanten jeweils abschieben wollten. Am Ende landeten alle Drei (Anm. der Red.: die Namen sind geändert) im Knast. BGLand24.de hatte über den Überfall damals berichtet.
Kannte Angestellter die Abläufe?
Einer von ihnen war Angestellter des Marktes. Nennen wir ihn Lukas. Der 20-Jährige wusste um die Abläufe, das Personal und wann es sich lohnt, zuzugreifen. Hatte er die Sache geplant und den späteren Täter akquiriert? Ein 17-jähriger Edvin behauptete, dass nur Lukas sein Ansprechpartner gewesen sei und der ihn penetrant zu dieser Tat überreden wollte. Bis er eingewilligt hat. Der Dritte im Bund, der 20-Jährige Leano, soll laut Lukas den Fluchtroller und die angeblich ungeladene Schreckschusspistole besorgt haben.
Für Unmut bei den Eltern und der Reichenhaller Jugend soll gesorgt haben, dass die zwei Kosovaren in Untersuchungshaft landeten, während der deutsche Lukas auf freien Fuß blieb. Den Grund nannte Staatsanwältin Vanessa Juraschek: „Er hat ein frühes Geständnis abgelegt.“ Seine Freundin will lange von den Plänen gewusst, aber sie nicht ernst genommen haben. Die 20-Jährige beschrieb Leano als den „Hauptplaner“, als „Anführer und prahlenden Boss“ seiner Gruppe. „Später sagte er zu mir, dass ich die Fresse halten soll.“
„Da kam dieser Mann mit Helm und Waffe...“
Schwer getroffen hat der Überfall eine 27-jährige Einzelhandelskauffrau. „Da kam dieser Mann mit Helm und Waffe“, schilderte sie diesen Tag im August 2023. „Mit dem Geld war ich ihm zu langsam“, so die Zeugin weiter, und als sie dann auch noch den Alarmknopf drückte, habe sie der Räuber angeschrien, ehe sich Lukas schützend vor sie gestellt habe. „Ich habe immer noch Schlafprobleme“, klagte sie. Ein Kollege war vom Täter getreten worden. „Ich dachte erst an einen Spaß mit einem Freund von Lukas“, berichtete der 19-jährige Marktangestellte.
Seinen Anteil hatte sich Edvin gleich genommen, den Rest hatte er in einem Waldstück nahe der Kaserne versteckt, wo sie von Leano und Lukas am Folgetag abgeholt und geteilt wurde. Der Weg führte die Drei wenig später nach Salzburg, wo sie das Geld unter anderem für „Klamotten“ ausgaben. „Viele in Reichenhall wussten, wer beteiligt war“, sagte die 20-jährige Freundin, „sie haben das Geld sofort ausgegeben.“ Nur Lukas ist dreimal vorbestraft wegen Erwerbs, Besitzes und Handeln mit Betäubungsmittel und dem Besitz einer verbotenen Waffe.
„Viele in Bad Reichenhall wussten, wer beteiligt war“
Staatsanwältin Vanessa Juraschek sprach von einer „schwerwiegenden kriminellen Straftat“, bei der „alle drei mitgewirkt haben.“ Sie empfinde den Versuch der beiden Kroaten, die „Hauptschuld“ auf Lukas zu schieben, „äußerst unsympathisch“. Juraschek beschrieb Leano als „großkotzig“, der getönt habe, man könne ihm am Ende doch nichts nachweisen. Dazu das Zitat: „Da kommt der Lukas in meine Stadt …“ Nicht zuletzt habe Leano mit dem Geld geprahlt. Für ihn beantragte die Staatsanwältin drei Jahre und drei Monate, für den jungen Raubtäter drei Jahre und neun Monate und für Lukas zweieinhalb Jahre.
„Er legt alles offen“, zeigte sich Rechtsanwalt Christian Foitzik verwundert über den Antrag. „Er wusste nicht, wann es passiert und wo das Geld versteckt wird.“ Der Verteidiger von Lukas hielt ein Jahr auf Bewährung für ausreichend. Diesem Marktmitarbeiter wies Anwalt Harald Baumgärtl Idee und Organisation zu. Verräterisch erschienen dem Wahlverteidiger auch die mehrfachen Blicke seiner Freundin während ihrer Aussage auf ihn. Seinem Mandanten Leano sei jedenfalls die Tat selbst nicht zuzurechnen, „er hatte keine Tatherrschaft.“ Es bleibe daher bei ihm nur Beihilfe zu räuberischer Erpressung, wofür – insbesondere nach siebenmonatiger U-Haft – eine Bewährungsstrafe ausreichend sei. Pflichtverteidiger Hans-Jörg Schwarzer beschrieb Lukas als „ganz ausgebufft“, der die Gelegenheit erkannt habe.
„Ideengeber und Initiator, der Kopf war Lukas“, ließ Rechtsanwältin Sandra Däschlein keinen Zweifel, ihren Mandanten Edvin habe er als „Bauernopfer“ gesehen und als „Depp“ bezeichnet. Doch der habe sich lediglich der „Gruppendynamik“ gebeugt, weshalb zwei Jahre zur Bewährung ausreichend seien. Die beiden Kosovaren entschuldigten sich für „diesen riesigen“ und „unverzeihlichen Fehler“. Lukas sagte nichts mehr. Ihn erwartet noch ein Verfahren wegen Einbruchdiebstahls in Augsburg.
Das Jugendschöffengericht war überzeugt, dass der die Infos geliefert, die Tat vorbereitet und auch den Tattag bestimmt hatte. Es sei kein „Schnellschuss, sondern akribisch vorbereitet“ gewesen. „Doch wer war der große Ideengeber für diese Tat?“, fragte Vorsitzender Christopher Lang. Die gegenseitigen Beschuldigten werteten die Richter allerdings jeweils zugunsten der Angeklagten, weil eben dadurch ein Nachweis dafür nicht möglich sei. Alle Urteile erfolgten nach Jugendstrafrecht: Zwei Jahre und zwei Monate für Lukas, zwei Jahre und drei Monate für Leano und zweieinhalb Jahre für Edvin. Richter Lang verschwieg nicht die „Auswirkungen“ auf die mit der Schusswaffe bedrohten Marktmitarbeiter. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
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