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Geschäftsführer Pointner im Interview

Vegane Alternativen bei der Molkerei Berchtesgadener Land? „Müssen weg von einer Ideologie“

Der Geschäftsführer der Molkerei Berchtesgadener Land, Bernhard Pointner, äußert sich zum Thema Nachhaltigkeit.
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Bernhard Pointner betont, dass die Molkerei Berchtesgadener Land zur Kuhmilch steht. Ob es irgendwann alternative Produkte wie Haferdrinks gibt, kann er aber auch nicht ausschließen.

Zum zweiten Mal ist die Molkerei Berchtesgadener Land mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden. Im Interview mit BGLand24.de spricht Geschäftsführer Bernhard Pointner über weitere Möglichkeiten, nachhaltiger zu werden. Außerdem erklärt er, wie Kuhmilch in die heutige Zeit passt, warum manche EU-Entscheidungen aus Brüssel nicht zur Region passen und ob es aus seiner Firma irgendwann veganen Milchalternativen geben wird.

Piding - Hinter der Molkerei Berchtesgadener Land liegen anspruchsvolle Jahre. Corona, russischer Angriffskrieg, Energiekrise: Eine Herausforderung jagte die nächste. Da kam die Nachricht, dass die Molkerei erneut den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhält, genau zur richtigen Zeit. Auch wenn es noch Potenzial gibt, sind der Firma in mancher Hinsicht auch die Hände gebunden, wie Geschäftsführer Bernhard Pointner verrät.

Herr Pointner, Ihr Unternehmen ist zum zweiten Mal mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden. Welche Möglichkeiten gibt es, noch nachhaltiger zu werden?
Ein ganz spezielles Thema ist die Verpackung, das ist der Schlüssel. Wir wollen immer mehr in Mehrweggläser abfüllen. Auch bei den Zutaten gibt es noch weiteres Potenzial, zum Beispiel bei der Frage, wo diese herkommen. Den Bereich Landwirtschaft bei uns in den Berggebieten könnte man höchstens wissenschaftlich noch mehr aufbereiten. Da muss wenig optimiert werden, weil es eigentlich perfekt ist. Die Produktion von Milch im Grünlandgürtel der Alpen ist nahezu CO2-neutral.Wir haben jetzt mit der TU München dazu ein Projekt.
Sehr konkret ist das Thema Fotovoltaikanlagen auf unseren Dächern, da geht es bereits ins Feintuning für das kommende Jahr. Wir bieten bereits Ladestationen für Angestellte mit E-Autos an. Von unseren 500 Mitarbeitern betrifft das ungefähr 30 oder 40, das nimmt tendenziell eher zu. Auch da die Überlegung: Wie bekommen wir das hin? Es gibt auch schon Versuche mit Elektro-LKW, wir haben hybride und vollelektrische Autos im Einsatz. Wir stellen 2024 unsere Logistik auf einen neuen Dienstleister in weiten Teilen um, der mit vielen Zwischenlagern arbeitet und dadurch sicherstellen kann, dass die Lkw mit dem Idealgewicht beladen werden, also voll geladen fahren. Generell ist im Logistik-Bereich noch viel herauszuholen, aber dafür braucht es die IT. Auch KI wird uns hier helfen. 
Welche Rolle spielt der Klimawandel?
Es heißt ja immer, dass sich der Wassermangel schon in ganz Deutschland ausbreitet. Entlang der Alpennordseite wie hier bei uns haben wir dieses Problem nicht. Da entstehen die Flüsse, da sind die Quellen, da hast du Niederschlag an den Bergen. Wir können diese ganzen Wiesen, die sich für nichts anderes als für Gras eignen, aus ideologischen Gründen brach liegen lassen und nur noch Avocados essen. Oder wir können dort Rindvieh hinstellen. Ob das nämlich dort auf der Wiese steht oder nicht: Es regnet dort trotzdem. Genauso gut kann man das Wasser ungenutzt in die Donau und ins Schwarze Messer laufen lassen. Oder wir können in diesem Gebiet Gras wachsen lassen und CO₂ speichern. Wir können hier artgerecht Rindfleisch und Milch in bester Qualität produzieren und damit einen Beitrag leisten, dass dieser Planet 2050 zehn Milliarden Menschen ernährt. 
Spätestens dann, wenn der Klimawandel fortschreitet und sich die Bevölkerung weiter so stark vermehrt, bekommen wir ein Riesenproblem, wenn wir uns ideologisch an die Themen annähern. Wir müssen mit Fakten arbeiten. Zehn Milliarden Menschen können sich nicht vegan ernähren, das geht nicht. Wo soll der Dünger herkommen? Egal, ob es um Getreide geht, um Öle, um Mais: Es bleibt wahnsinnig viel Biomasse übrig. Wiederkäuer wie Milchkühe können das verwerten. Wenn die Ressourcen immer knapper werden, dürfen wir das nicht verschwenden. Deswegen muss nicht jeder jeden Tag zwei Liter Milch trinken und jeden Tag Fleisch essen. Aber man kann das ab und zu. Man hat eine ausgewogene Ernährung und eine Möglichkeit, Biomasse bestmöglich zu verwerten. Und dann hat man wieder einen Dünger als Nebenprodukt. 
Muss man auch unkonventionell denken, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht? Themen und Prozesse, die sich seit vielen Jahren und Jahrzehnten etabliert haben, auch mal hinterfragen? 
Das spielt eine sehr große Rolle und Corona hat einiges ausgelöst. Zum Jahresende laden die Lebensmittelhändler zu Verhandlungen für das kommende Geschäftsjahr in ihre Zentralen ein. Früher war man mindestens zweimal vor Ort: in Hamburg bei Edeka, in Köln bei Rewe, in Düsseldorf bei Metro. Die Biohändler sind bis hoch nach Berlin verstreut. Natürlich fährst du nicht mit dem Auto oder dem Zug, bei dem du irgendwo strandest oder mit Verspätungen am Ziel ankommst, sondern du benutzt das Flugzeug, weil es nicht anders geht. Doch mittlerweile sind mehr Videokonferenzen möglich, das wäre früher ein regelrechter Affront gewesen.
Es geht auch um ganz viele Dinge in der Produktentwicklung, die man jetzt schon kategorisch ausschließt - Joghurt mit Mandeln beispielsweise. Ob in Kalifornien oder Türkei: Man weiß, dass die Mandeln unter oft fragwürdigen Bedingungen angebaut werden. Wir haben uns auch bei Milchmischgetränken gegen PET-Flaschen entschieden, da diese zu 100 Prozent aus Rohöl bestehen. Da wächst nichts mehr nach, das ist wahnsinnig widerstandsfähig und hält leider ewig. Der Getränkekarton ist zu 80 Prozent Zellstoff: Das war mal ein Baum und wächst wieder nach. Die PET-Flasche wäre aber eigentlich die billigere Variante, an der wir mehr verdienen würden. Mit Blick auf die Entscheidung, dass es ab Januar auf diese Flaschen Pfand gibt, hatten wir im Nachhinein betrachtet auch ein bisschen Glück.
Als Unternehmen ist man natürlich auch immer abhängig von politischen Entscheidungen und von Gesetzen. Viele Landwirte beklagen zum Beispiel die ausufernde Bürokratie. Was können Sie dagegen tun?
Wir sorgen nur für 0,8 Prozent der deutschen Milch, für uns interessiert sich politisch keiner. Die meisten Auflagen kommen von der EU aus Brüssel und dort sind wir mit dieser Menge einfach unsichtbar, beinahe schon ein Direktvermarkter. Grundsätzlich hat man in Brüssel Gutes im Sinn. Aber manche Regelungen passen nur für Regionen mit Intensivlandwirtschaft. Was in den Niederlanden, in Oldenburg und Cloppenburg flächendeckend sinnvoll ist, gilt nicht für unsere Region. Da wird ein Gesetz beschlossen und das gilt dann für den Betrieb mit 1000 Kühen, der im Büro wahrscheinlich Angestellte hat, genauso wie für den Bergbauern mit 20 Kühen, der am Sonntag noch seine Büroarbeit erledigen muss. Für den mutiert das irgendwann zu einem bürokratischen Monster, wo der sagt: Hey, ich verdiene eh nicht viel, eigentlich habe ich keinen Bock mehr. Als Molkerei können wir nur so viel Hilfestellung wie möglich geben, etwa mit Erzeugerberatern und Seminaren.
Wir leben in einer Zeit, in der das Bewusstsein für Ernährung, Müllvermeidung, Klima- und Artenschutz immer mehr zunimmt. Das trifft vor allem auf die jüngeren Generationen zu. Wie passt Kuhmilch in dieses veränderte Bewusstsein, auch mit Blick auf die Zukunft?
Das ist ein Thema, dem wir uns stellen. Wir haben Kooperationen mit Universitäten und haben regelmäßig Studenten hier, mit denen wir über KI diskutieren, über Generation Z, über andere Arbeitszeitmodelle, über Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit und natürlich auch über Ernährungstrends. Wenn wir diese nach den Gründen für eine vegetarische oder vegane Ernährung fragen, erhalten wir nie die Antwort, dass die Alternativen besser schmecken. Es geht um das Klima auf diesem Planeten und das Verhindern von Tierleid. Die junge Generation ist einfach so überladen mit Informationen und gar nicht mehr in der Lage zu filtern, was richtig und was ein Fake ist. Die lesen dann, dass ein Kilo Rindfleisch 7.700 Liter Wasserverbrauch in Deutschland verursacht. Das ist natürlich dort ein Problem, wo es kein Wasser gibt, aber nicht bei uns. Ob die Kuh draußen steht oder nicht: Es regnet trotzdem. Und wir haben volle Trinkwasserreservoirs. Entweder wir ignorieren das oder nutzen es, um Lebensmittel zu produzieren. 
Wir haben bei uns fast ausschließlich Zweinutzungsrassen und damit Kühe, die nicht nur Milch liefern, sondern auch Fleisch. Folglich stellt auch der männliche Nachwuchs einen Wert dar, der gut behandelt wird und auch einen Tierarzt sieht. Das ist nicht wie teilweise in Neuseeland, wo man irgendwelche Pferche sieht und die männlichen Nachkommen gleich zur Hundefutterfabrik gefahren werden. Zwei Drittel der Kühe auf unseren Bauernhöfen grasen auf Weiden, wir haben ein Drittel auf Bio-Flächen. Wir haben Landwirte, die regelmäßig in der Molkerei an Homöopathie-Kurse teilnehmen. Das sind ja keine Leute, denen die Tiere egal sind, sondern die kümmern sich vom Kalb bis zur alten Kuh rührend um sie. Und beim Thema Klimaschutz bekommen wir von universitärer Seite fast schon bestätigt, dass die Milchproduktion im Berggebiet nicht nur klimaneutral ist, sondern bei intelligenter Nutzung noch CO2 speichert.
In 30 Jahren dreht sich also in ihrer Molkerei noch alles hauptsächlich um Kuhmilch oder sind Veränderungen denkbar, vielleicht auch gezwungenermaßen aufgrund von Umständen? 
Hätten Sie mich vor vier Jahren gefragt, dann hätte ich gesagt, dass ich daran glaube, dass wir unser Geschäft in diesem Segment weiterführen können. Dass wir laufend optimieren, dass wir noch mehr Energieeinsparungen vornehmen können. Aktuell würde ich mir so eine Aussage nicht mehr zutrauen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass auf dieser Welt nichts mehr planbar ist und dass eigentlich gefühlt alle drei Monate ein neues „U-Boot” auftaucht. Was passiert im Kosovo, was in Armenien? Wie geht es in Israel weiter? Wie massiv werden die Folgen des Klimawandels? Was löst die Migration aus, was passiert da? Letzteres ist nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Chance. Jetzt im Moment erleben wir in Deutschland einen wirtschaftlichen Abschwung. Hier bei uns in der Region könnte ich Ihnen 20 Firmen aufzählen, die entweder in Kurzarbeit gehen, Personal abbauen, kein Weihnachtsgeld bezahlen, nächstes Jahr keinen Lehrling einstellen und so weiter. Das ist natürlich für uns ein schwieriges Umfeld, weil wir im Hochpreissegment Premium-Lebensmittel verkaufen.
Dem Kunden wird es aufgrund der Preise in Discountern leicht gemacht, auf unsere Marke zu verzichten. Wir müssen überzeugen und vermitteln: Du hast hier eine Genossenschaft, deren Ziel es ist, Landwirt- und Kulturlandschaft zu erhalten, und die nicht auf die höchsten Gewinne aus ist. Diese Molkerei gehört den Bauern. Wir haben keine Aktionäre, die Dividende wollen, und keine Privatfamilie, die sich eine Autosammlung leistet. Alles, was wir verdienen, wird sinnvoll investiert beziehungsweise erhalten die Bauern - immer mit dem Ziel, dass diese Molkerei langfristig Bestand hat. Ich glaube, da gibt es schon Kunden, denen das wichtig ist. Aber in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der Mensch egoistisch, und wenn ich mir beim Einkauf fünf Euro sparen kann, dann gibt es viele, die das jetzt schon machen. In dieser aktuellen Phase so weit in die Zukunft zu schauen, ist echt schwierig.
Und was ist mit veganer Ernährung? 
Sie müssen schon wirklich viel Zeit in der Küche verbringen und gerne Tabletten zu sich nehmen, um dem Körper nicht zu schaden. Streng genommen ist das eine Mangelernährung. Wenn man dazu bereit ist, geht das in Ordnung und dann passiert wahrscheinlich auch nichts. Aber es gibt Studien, die zeigen: Wenn sie sich ganz normal und ausgewogen ernähren - nicht nur, aber mit Vollmilch, Joghurt und Käse - dann haben sie ein über 30 Prozent geringeres Risiko, dass sie im Alter einen Oberschenkelhalsbruch erleiden. Oder Studien, die zeigen, dass damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduziert werden. Im Gegensatz dazu gibt es bis heute keinen Beweis für dieses Gerücht, Milch würde bei Männern Prostatakrebs auslösen. Man kann sich guten Gewissens ausgewogen mit tierischem Eiweiß und tierischen Produkten ernähren. Wir müssen wieder dahin zurückkehren, weg von einer Ideologie. Ich habe keinen missionarischen Auftrag, das muss schließlich jeder für sich selbst entscheiden. Aber ich würde meine Kinder niemals rein vegan ernähren, und viele Kunden sehen das genauso. 
Eine Molkerei in unserer Größe muss für diese Fragen und auf das Thema Nachhaltigkeit Antworten haben. Die haben wir, und dann brauchen wir auch keine Angst vor der Zukunft zu haben, weil es wird immer einen Teil der Bevölkerung geben, der sich gerne so ernährt, wie das schon die Eltern und die Großeltern gemacht haben. Und wenn man sich heute anschaut, wie alt die alle werden und wie fit die alle noch sind, dann kann es ja nicht so falsch sein. 
Das heißt also: Die Molkerei Berchtesgadener Land wird künftig nicht einen ähnlichen Weg einschlagen wie zum Beispiel die Rügenwalder Mühle? Dort ist der Umsatz mit den Alternativprodukten größer als mit dem ursprünglichen Sortiment. 
Wir haben da überhaupt keine Berührungsängste. Den Abfüllanlagen ist es auch relativ egal: Die können Milch, Nudelsoße, Orangensaft oder Haferdrinks abfüllen. Grundsätzlich ist alles möglich. Natürlich lebt ein Unternehmen, wenn man es wirtschaftlich betreiben will, von Auslastung. Ich will das jetzt nicht für alle Zukunft ausschließen, nur aktuell sehen wir einfach nicht, dass es für uns hier einen Markt gibt. Dieser wächst nämlich nicht mehr und ist sogar leicht rückläufig. Und irgendwie sehen wir uns schon als Kuhmilchmolkerei, und wir stehen auch dahinter. 

ms

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