Blick hinter die Kulissen
Buttnmandllauf der Gebirgsjäger Strub: So viel Arbeit steckt in diesem Brauchtum
Auch in diesem Jahr lockt der Buttnmandllauf der Gebirgsjäger Strub wieder zahlreiche Zuschauer an. Vor allem für die Kinder ist der Lauf der Höhepunkt des Jahres. Damit dieser überhaupt stattfinden kann, muss viel passieren: Allein für das Einbinden eines einzigen Buttnmandls werden bis zu 20 Helfer benötigt. Wie groß der Aufwand ist und warum es selbst für die Gebirgsjäger immer schwieriger wird, den Lauf zu organisieren, zeigt ein Blick hinter die Kulissen.
Strub/Berchtesgaden - Normalerweise stehen hier in der großen Halle eindrucksvolle Fahrzeuge der Bundeswehr. Doch dieser Dienstagmorgen ist kein normaler Dienstagmorgen auf dem Gelände der Kaserne. Zumindest nicht für alle: Während manche Truppen im Gleichschritt über den Übungsplatz kommandiert werden, ist in der Fahrzeughalle überall Stroh zu finden. Glocken läuten, Masken liegen auf einer Holzbank, es liegt ein Geruch aus Leberkas-Semmeln und Stroh in der Luft. Dutzende Helfer machen sich an in Strohbüscheln eingepackten Soldaten zu schaffen. Aus einer Ecke ertönt ein Akkordeon, Seile werden festgezurrt. Für manch einen werden das die letzten angenehmen Minuten sein, denn: Hier werden die Buttnmandln der Gebirgsjäger für den 61. Buttnmandllauf zwischen der Kaserne und dem Christkindlmarkt Berchtesgaden vorbereitet. Und der Vorbereitungsaufwand für dieses Brauchtum ist enorm, wie auch an diesem Dienstagmorgen mal wieder deutlich wird.
Mehrere Stunden sind die Helfer beschäftigt, die Buttnmandln einzubinden. Eine Lkw-Ladung Stroh liegt in einer Ecke der Fahrzeughalle. Damit ein Buttnmandl entsteht, wird zunächst ein langes Seil auf den Boden gelegt. Dann werden mehrere Strohbüschel darauf ausgebreitet, ehe der Soldat darauf gelegt wird. Nun gibt es kein Zurück mehr und es heißt wortwörtlich „Augen zu und durch“.
„Engerl-Vater“ Gerd Schelble
Denn nun werden weitere Strohbüschel auf den Soldaten gelegt und diese mit dem Seil ordentlich festgezurrt. Das Seil darf nicht zu locker, aber auch nicht zu fest sein. „Die Jungs sollen ja schließlich noch Luft bekommen“, erklärt Gerd Schelble. Und wenn es einer weiß, dann ist es der 64-jährige Stabsfeldwebel, der schon lange in der Kaserne stationiert ist und 20 Jahre als „Engerl-Vater“ seinen Teil zum Erhalt des Brauchtums beitrug.
Vor einigen Jahren war er ausnahmsweise nicht dabei, als er mit seiner Familie im Neuseeland-Urlaub verweilte. Mitten in einer traumhaften Kulisse erreichte ihn ein Video, das ihn zu Tränen rührte. „Wir stehen am malerischen Sandstrand und dann kommt dieses Video vom Buttnmandllauf. Ich habe Rotz und Wasser geheult“, erinnert sich Schelble. Denn er weiß: Der Lauf gehört einfach zum Talkessel dazu. Die Gebirgsjäger eröffnen am 5. Dezember immer den Reigen der anderen Gruppen, den sogenannten Bassen, die zusammen mit dem Nikolaus auch noch am 6. von Tür zu Tür marschieren. Mancherorts geht es schon früher los, zum Beispiel in Loipl. Schelble weiß: „Die Nachfrage nach dem Nikolaus wird von Jahr zu Jahr größer, deswegen legen manche eher los.“
Buttnmandllauf sollte Berührungsängste zu Soldaten abbauen
Seit 1962 zieht der Buttnmandllauf der Gebirgsjäger, der von der Kaserne in Strub nach Berchtesgaden führt, viele Schaulustige an. Schelble weiß ganz genau, wieso diese Tradition bei der Soldaten entstanden ist. „Damals ging es darum, Berührungsängste abzubauen und eine Verbindung zur Bevölkerung aufzubauen. Das Thema Soldaten war aufgrund der Historie, vor allem hier vor Ort, natürlich schwierig.“ Wie die Zuschauermassen, die zum Teil unter anderem aus Niederösterreich mit dem Bus nach Berchtesgaden kommen, zeigen: Der Lauf der Gebirgsjäger ist hier nicht mehr wegzudenken. Man fragt sich beinahe unweigerlich, ob es sich noch um ein Brauchtum für die Einheimischen handelt oder vielmehr um ein Event für Touristen.
Buttnmandllauf der Gebirgsjäger von Strub nach Berchtesgaden
So beliebt der Lauf auch ist: Es wird für die Gebirgsjäger immer schwieriger, das Brauchtum durchzuführen. Ähnlich wie bei den Vereinen, die immer händeringender nach Ehrenamtlichen suchen, müssen sich erst einmal Freiwillige finden. Der komplette Lauf ist mit einem riesigen organisatorischen Aufwand verbunden, immer mehr Auflagen kommen hinzu. Pferde und Esel müssen am Standort in Bad Reichenhall, der aufgrund seines Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen die einzige pferdehaltende Dienststelle der Bundeswehr darstellt, für den Lauf ausgewählt, trainiert und zur Kaserne nach Strub transportiert werden.
„Ab Oktober brennt die Anmeldeliste“
Es braucht Kutschen, welche die Blasmusik und die Engerl transportieren. Bei Letzteren besteht die Schwierigkeit nicht darin, welche zu finden, sondern eher eine begrenzte Anzahl auszuwählen. „Ab Oktober brennt die Anmeldeliste, das Interesse ist sehr groß.“ Priorität haben die Kinder der Soldaten und der Familien, die einen engen Bezug zur Kaserne haben. Von ihren Müttern bekommen sie die Haare geflochten, werden liebevoll eingekleidet und kostümiert. Da die Kutsche nur begrenzten Platz hat, können insgesamt nur 15 Engerl teilnehmen.
Nicht ganz so liebevoll geht es beim Einbinden der Buttnmandl in der Fahrzeughalle zu: Nach dem Festschnüren der Strohbüschel mit den Seilen werden die Soldaten aufgestellt. Denn: Ohne Hilfe können sie sich nicht mal hinsetzen oder hinlegen, geschweige denn aufstellen. Es wirkt manchmal wie bei einer Schildkröte, die auf ihrem Panzer liegt. Nach der „Frisur“ - das zu lange Stroh wird unten abgeschnitten - folgt die „Kur“: Oben werden die Büschel so zur Seite geschoben, dass der Soldat wenigstens etwas sieht. Am Rücken wird mit etwas Stroh eine Art Polsterung angelegt, an der mit einem weiteren Seil die Glocken befestigt werden. Bis ein Buttnmandl fertig ist, sind bestimmt 20 Personen an seiner Entstehung beteiligt.
Viele Ehemalige helfen mit
Und: Jeder Handgriff muss sitzen, sonst verlieren die Buttnmandln zu viel Stroh auf ihrem Weg, wenn sich die Seile zu sehr lockern. Sie dürfen aber auch nicht zu straff anliegen, denn die Soldaten müssen mit diesem „Anzug“ einige Kilometer zurücklegen. Deshalb überrascht es auch nicht, dass viele ehemalige Buttnmandln und langjährige Einbinder mithelfen, denn: Sie wissen, worauf es ankommt.
Einer der Soldaten lässt sich zum ersten Mal als Buttnmandl verkleiden. Voller Vorfreude, aber auch mit einer gewissen Portion Respekt wartet er auf den Lauf. „Ich freue mich darauf, das gehört einfach zum Talkessel dazu“, sagt der junge Mann aus Laufen. Ein anderer Debütant schildert, dass es der Zufall war, der ihn zum Mitmachen bewegte. „Ich bin erst seit Ende 2021 in der Kaserne stationiert und habe letztes Jahr an Nikolaus auf dem Weg nach Hause die Buttnmandln gesehen. Ich kannte das gar nicht und im ersten Moment war es etwas angsteinflößend. Für mich ist es eine Ehre, an diesem Brauchtum mitzuwirken.“ Auf die Frage nach dem Tragegefühl des Buttnmandl-Kostüms antwortet er kurz und knapp: „So muss sich ein Korsett anfühlen.“
Schwer, unbeweglich und wenig Sicht
Im Zusammenspiel aus dem Gewicht der vielen Strohbüschel, Glocken und der Maske sowie der eingeschränkten Bewegungs- und Sichtfreiheit wird der Lauf für die Soldaten zu einem Kraftakt. Deshalb verwundert es auch nicht, wen Stabsfeldwebel Schelble erzählt: „Da machen nur die jüngeren und fittesten Soldaten mit.“
Nachdem sich der gesamte Lauf in der Kaserne aufgestellt hat, geht es gegen 14 Uhr los: Kutschen und Pferde marschieren vorneweg, die Polizei fährt voraus und sichert die Wegstrecke. Dann folgen drei Engerl, der Nikolaus samt Knecht Ruprecht sowie die Buttnmandl und Ganggerl. Am Hoftor der Kaserne warten Hunderte Zuschauer auf das Schauspiel. Und auch in Berchtesgaden haben sich schon unzählige Schaulustige für das Spektakel positioniert. Vor allem die Kleinen können es kaum abwarten: „Ich höre schon die Glocken“ oder „Da kommen Sie“ ist immer wieder zu hören. Die von der Engerl-Kutsche geworfenen Süßigkeiten sind natürlich auch ein Anziehungspunkt.
Schweißgebadet in den „Endspurt“
Wenn der Buttnmandllauf scheppernd und läutend durch den Christkindlmarkt und über den Schlossplatz gezogen ist, machen die Soldaten neben dem Schloss eine kurze Pause. Schweißgebadet können sie endlich die Masken abnehmen, die meisten lassen sich rücklings auf Schneehaufen fallen. Durch das ganze Stroh wird selbst das Trinken zu einer Herausforderung. Auch jetzt sind wieder helfende Hände gefragt, etwa beim Aufstehen oder Schuhbinden. Noch einmal kurz Durchschnaufen, dann ist der kurze Moment der Ruhe vorbei und es geht nochmal über den Christkindlmarkt. Nach der Einkehr in den Gaststätten löst sich das Ganze auf, der Buttnmandlauf endet am Nachmittag.
Für die Soldaten selbst heißt es nun: ausruhen und „entkleiden“. Sie werden mitsamt ihrem Kostüm zurück zur Kaserne in die Fahrzeughalle gebracht, wo sie vom Stroh befreit werden. Da ist es schon Abend, während in Berchtesgaden auf dem Christkindlmarkt gewohnt reges Treiben herrscht. Für die Zuschauer dort war der Buttnmandllauf ein kurzweiliges Schauspiel, doch für die Verantwortlichen und Beteiligten der Bundeswehr sowie die Tiere und Engerl war es ein langer, anstrengender Tag.
