Diskussion im Gemeinderat um Tempo 30 auf der Bahnhofstraße
Fokus verschiebt sich in Piding auf Ausweichverkehr: „‚Anlieger frei‘ wäre mir hundertmal lieber“
In einem fraktionsübergreifenden Antrag wird gefordert, auf der Bahnhofstraße Tempo 30 einzuführen. Im Gemeinderat wurde am Dienstagabend vor allem eines klar: Mit den geplanten Baumaßnahmen an der Autobahn ist inzwischen weniger die Unfallgefahr, sondern der Ausweichverkehr das große Thema.
Piding – Der fraktionsübergreifende Antrag war in der Gemeinderatssitzung am 9. Januar eingegangen. Darin fordern die sechs Unterzeichner ein Tempo-30-Limit auf der Bahnhofstraße. Gerhard Rotter (CSU) und Verkehrsreferent Franz Geigl (FWG) hatten als Gründe angeführt, dass durch die Tatsache, dass auf der Straße bei den Geschäften und Banken sehr viele Kunden rückwärts ausparken, eine erhöhte Unfallgefahr bestehe. Zudem würden viele Autos zu schnell fahren – ein Risiko für Fußgänger und Radfahrer.
Die Verwaltung forderte daraufhin Stellungnahmen von der Polizei, den Stadtwerken sowie der Unteren Straßenverkehrsbehörde ein. Zudem wurde die Kommunale Verkehrsüberwachung im Januar und Februar für jeweils zwei Tage im Bereich der Bahnhofstraße eingeteilt. Das Ergebnis: Für eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 km/h gibt es keine rechtlichen Voraussetzungen.
Die Stellungnahme der Polizeiinspektion Bad Reichenhall
Laut Polizei ist die Unfallsituation in der Bahnhofstraße „völlig unauffällig“. Innerhalb der vergangenen vier Jahre gab es dort lediglich elf Unfälle. Sechs davon fanden zwischen geparkten PKW statt, zwei waren selbst verschuldete Fahrradstürze. Hinzu kommen ein Unfall beim Abbiegen und das Streifen mit dem Außenspiegel an einem Zaun sowie ein Crash beim Einfahren in die Bahnhofstraße, weil das Stoppschild missachtet wurde.
„Es gab keinen Unfall aufgrund überhöhter Geschwindigkeit. Keiner dieser Unfälle hätte zudem mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung verhindert werden können“, heißt es von der PI. Darüber hinaus sei die Rechtsgrundlage für eine Tempo-30-Zone oder ein Streckenverbot nicht gegeben. „Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der (...) Rechtsgüter erheblich übersteigt.“
Das Ergebnis der Stadtwerke, der Verkehrsbehörde und der Verkehrsüberwachung
„Für den Stadtbus würde das eine Verzögerung von rund zwei Minuten bedeuten“, schrieben die Stadtwerke Bad Reichenhall. Diese Verzögerung würde natürlich akzeptiert werden. Allerdings versuche man ja eigentlich, den ÖPNV attraktiver und schneller zu machen. Auch die gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten könnten wohl gerade noch eingehalten werden. Sollten die Beschränkungen wirklich kommen, werde man im Detail berechnen müssen und gegebenenfalls den Takt und die Linienführung anpassen.
Die Untere Verkehrsbehörde stellte in der Bahnhofstraße eine „völlig unauffällige, ortsübliche Verkehrslage im Innerortsbereich“ fest. Sie sah wie die Polizei keinen Handlungsbedarf aus Gründen der Verkehrssicherheit und mangels Rechtsgrundlage.
Von April 2023 bis Februar 2024 wurde die Kommunale Verkehrsüberwachung an neun Einsatztagen in der Bahnhofstraße eingeteilt. Während eines Zeitraums von 27 Stunden wurden 5177 Fahrzeuge kontrolliert. Dabei kam es lediglich zu vier geahndeten Verstößen. Das entspricht einer Verstoßquote von 0,08 Prozent. Bereits in den Jahren 2017/18 wurden Messungen vorgenommen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug hier 40-41 km/h.
Bürgermeister Holzner hält die Beschränkung auf 50 km/h für angemessen
Wer die Bahnhofstraße kennt, weiß, dass man immer wieder besonders auf Fahrzeuge achten muss, die rückwärts ausparken. Eine erhöhte Unfallgefahr ist aber dadurch offenbar nicht gegeben. Dass das subjektive Empfinden nicht immer der Realität entspricht, machte auch Bürgermeister Hannes Holzner klar. „Natürlich kann da mal zu schnell gefahren werden oder das Empfinden davon ist da. Das ist aber nicht der Fall.“ Die Bahnhofstraße sei die wichtigste innerörtliche Verbindungsstraße und müsse den ganzen Verkehr aufnehmen. Daher halte er die derzeitige Beschränkung auf 50 km/h für angemessen, die Forderung nach 30 km/h hingegen für eine Überreaktion.
Franz Geigl verwies auf den Sicherheitsbericht der PI Bad Reichenhall bei der Bürgerversammlung. Demnach habe es im vergangenen Jahr 45 Prozent mehr Unfälle gegeben. Die Zahlen bezogen sich jedoch auf das gesamte Gemeindegebiet und nicht speziell auf die Bahnhofstraße. Auch signalisierte Geigl, dass er den Zahlen aus den Stellungnahmen nicht glaube. Gerhard Rotter wohnt direkt neben der Bahnhofstraße und beschrieb die Situation vor Ort: „Das ist eine Tragödie, ein Hupen und Schimpfen.“ Ihm gehe es weniger um die vorgelegten Zahlen, sondern um die gefährliche Parksituation.
Neuer Antrag soll Ausweichverkehr berücksichtigen
Die Diskussion verschob sich im Laufe der Sitzung jedoch immer mehr in Richtung Ausweichverkehr, der auch schon bei der Bürgerversammlung angesprochen worden war. Christian Wagner (FWG) schlug vor, auf allen Durchgangsstraßen während der Bauarbeiten auf der Autobahn Tempo 30 einzuführen. „Dann habe ich eine zeitlich befristete Maßnahme und man sieht, was es bringt.“ In Aufham habe dies schließlich auch funktioniert. Doch gegen einen sofortigen Antrag in diese Richtung sprachen sich gleich mehrere Gemeinderäte aus. Auch hier brauche man Stellungnahmen. „Jetzt etwas schnell rauszuschütteln, ist der falsche Weg“, sagte Johann Steinbrecher (CSU).
Auch Dr. Bernhard Zimmer (Grüne) sah den Ausweichverkehr problematisch. „Wer an der Bundesstraße steht, muss nicht durch den Ort fahren, egal ob mit 30 oder 50. ‚Anlieger frei‘ wäre mir hundertmal lieber.“ Außerdem mache es keinen Sinn, auf der Hauptstraße auf 30 zu beschränken, während auf den Nebenstraßen 50 herrsche, wo Kinder mit dem Fahrrad fahren. Des Weiteren wunderte er sich über Geigl, der die Zahlen aus den Stellungnahmen in Frage stellte. „Ich kann doch nicht sagen, das stimmt alles nicht.“ Mit dem Ansatz aus dem Antrag könne man zumindest den Verkehr nicht reduzieren.
Walter Pfannerstill (FWG) verwies auf Freilassing, das während der Baumaßnahme an der Berchtesgadener Straße die angrenzenden Straßen nur für Anlieger freigegeben und dies auch streng kontrolliert hatte. „Ich hätte die Bitte, dass wir uns trauen, das auch durchzusetzen“, erklärte Rüdiger Lerach (FWG). Christian Kleinert (FWG) brachte schließlich einen Antrag zur Geschäftsordnung ein. Das Thema solle bis zur nächsten Gemeinderatssitzung vertagt werden. Bis dahin solle ein neuer, verfeinerter Antrag eingebracht werden. Der Vertagung stimmen 12 Mitglieder zu, fünf waren dagegen.
mf
