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Flucht wie einst Clint Eastwood

Mit Löffel durch Außenmauer gekratzt und mit Laken abgeseilt – Ausbrecher (29) zu weiterer Haft verurteilt

Schnee am Laufener Amtsgericht.
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Schnee am Laufener Amtsgericht (Archivbild).

Ein Ausbruch wie im Film: Ein Häftling hat monatelang ein Loch in die Wand seiner Gefängniszelle gekratzt und sich an Bettlaken abgeseilt - Motiv, so sagt er: Sehnsucht nach seiner kleinen Tochter.

Laufen/Bad Reichenhall – Über drei Monate hatte der 29-jährige Häftling an Putz und Fugenmörtel gekratzt, bis das Loch in der Außenmauer der Reichenhaller Haftanstalt groß genug war. Dann seilte sich der Familienvater mit einem Bettlaken gut sechs Meter nach unten ab. Sein Ziel: die Familie. Genau dort war der Schneider und Schuhmacher wenig später wieder festgenommen worden. Der Laufener Strafrichter schickte den mehrfach vorbestraften Mann für sieben Monate hinter Gitter. Doch das wird nicht das Ende seiner Strafliste sein.

Angeklagter (29) kein unbeschriebenes Blatt

„Haben Sie sich wieder beruhigt?“, fragte Christian Daubner den Angeklagten gleich zu Beginn, denn zuvor hatte der Strafrichter „diesen Eindruck“ nicht gehabt. Im Saal 234 standen deshalb vier Beamte parat, auf den Zuschauerplätzen saßen Familie und Verwandtschaft. Der 29-jährge Mann ist kein unbeschriebenes Blatt. Er hat sechs Vorstrafen wegen Handelns mit Betäubungsmitteln, sexueller Belästigung, Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Diebstählen. Wegen weiterer Anklagen sitzt der Mann in Untersuchungshaft. 

Diese Geschichte hatte kurz vor Weihnachten Schlagzeilen gemacht, nachdem der Häftling seit August in der Kurstadt hinter Gittern saß. „Wie haben Sie das Loch gemacht?“, wollte Daubner von dem Angeklagten wissen. Der gestand, über Monate mit einem normalen Esslöffel den Putz abgeschabt und die Fugen ausgekratzt zu haben. Gab’s da keine Kontrollen? „Doch, jeden Tag.“ Warum wurde das nie entdeckt? „Ich habe das Material als Attrappe wieder eingesetzt. Es war unmöglich zu erkennen“, so der Angeklagte.

„Wie die Daltons bei Lucky Luke“

Mit einem Loch von 30 mal 30 Zentimeter wagte er die Flucht per Bettlaken, das er am Bett befestigte und sich damit gut sechs Meter abseilte. „Wie die Daltons bei Lucky Luke“, scherzte Rechtsanwalt Dr. Markus Frank, wobei das Durchkratzen der Wand eher an Clint Eastwoods Flucht aus Alcatraz erinnert. „Er wollte zu seiner Familie und zu seiner kleinen Tochter“, beschrieb der Verteidiger den „Hintergrund“ der Tat. Seiner Anregung, diese Sache im Hinblick auf das parallel laufende Verfahren einzustellen, wollte Staatsanwältin Helena Neumeier nicht folgen. 

Sie sah den Angeklagten schuldig der Sachbeschädigung und der Zerstörung von Bauwerken. „Er begeht aus der U-Haft eine weitere Straftat“, meinte Neumeier und beantragte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Mit „große Sehnsucht“, beschrieb Frank erneut den Grund der Flucht. „Er wollte sich dem Verfahren nicht entziehen.“ Der Verteidiger spekulierte über die „marode Substanz“ der Haftanstalt und sah lediglich eine Sachbeschädigung verwirklicht, weshalb er eine Geldstrafe mit 90 Tagessätzen für ausreichend hielt.  

„Ich wollte nicht flüchten“

„Ich wollte meine kleine Tochter sehen“, erklärte der Angeklagte in seinem Schlusswort, „ich wollte nicht flüchten.“ Die unmittelbare Folge seiner Tat waren 22 Tage „Bunkerarrest“, oder anders: Isolierhaft. Strafbar sei eine Flucht nicht, wie Richter Daubner feststellte. Er urteilte wegen „Zerstörung eines Bauwerks“ auf sieben Monate, nicht zuletzt wegen der Vorgeschichte des Mannes, der zwei von sechs Vorstrafen bereits hinter Gittern absitzen musste. 

Doch den Angeklagten erwartet mehr. Auf Nachfrage teilt die Staatsanwaltschaft Traunstein mit, dass am Landgericht bereits ein Verfahren mit zwei weiteren Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen mitsamt Sachbeschädigung und zweifachen Betrugs in besonders schwerem Fall, jeweils in Tateinheit mit Geldwäsche, in Gang ist. Es handelt sich dabei unter anderen um eine Vielzahl an Diebstählen, teils mit brachialer Gewalt, von sakralen Gegenständen aus Kirchen und von Friedhöfen. Das dort zu erwartende Strafmaß taxierte Verteidiger Dr. Markus Frank auf fünfeinhalb bis sechs Jahre. Nicht zuletzt deshalb hatte das Laufener Amtsgericht für diese Tat in der Kurstadt ein beschleunigtes Verfahren angesetzt.  

hhö

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