Krebspatient ohne Führerschein auf der Flucht
Mit 140 Sachen durch Anger: Wilde Verfolgungsjagd unter Drogen landet in Laufen vor Gericht
Ein krebskranker Mann aus Österreich flieht vor der Polizei und wird nach einer wilden Verfolgungsjagd in Bulgarien verhaftet. Er hatte versucht, sich einer Kontrolle zu entziehen und war ohne Führerschein und unter dem Einfluss von Cannabis unterwegs. Sein Anwalt plädiert für eine Bewährungsstrafe.
Anger/Laufen – Der 30-jährige Österreicher hat Krebs. Um seine Schmerzen zu lindern, konsumiert er Cannabis, setzt sich aber trotz Fahruntüchtigkeit ans Steuer, und das ohne Führerschein. Auf regennasser Fahrbahn war er in halsbrecherischer Weise vor der Polizei geflohen. Die Staatsanwaltschaft warf dem bis vor Kurzem in Anger lebenden Mann ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen, Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Trunkenheit im Verkehr vor. Zur Verhandlung wurde der Angeklagte aus der Reichenhaller Haftanstalt ins Laufener Amtsgericht gebracht.
Eine Zivilstreife der Zentralen Einsatzgruppe wollte den Österreicher anhalten, weil bekannt war, dass gegen den Mann ein Haftbefehl bestand. Nach dem Stopp-Signal verringerte er zunächst sein Tempo, beschleunigte aber dann, um sich einer Kontrolle zu entziehen. Teils auf der Gemeindestraße entlang der Autobahn, teils auf der Staatsstraße 2103 durch Aufham raste er mit bis zu 140 Kilometern pro Stunde, wurde aber schließlich direkt an der Dienststelle der Bundespolizei gestoppt, da dort mehrere Polizeifahrzeuge den Weg versperrten.
Verhaftung in Bulgarien und Auslieferung nach Deutschland
Weil der Österreicher in Folge flüchtig war, wurde europaweit ausgeschrieben und am 18. Februar 2025 in Bulgarien verhaftet und knapp einen Monat später an die Bundesrepublik ausgeliefert. „Wegen seines bösartigen Tumors wollte er sich in der Türkei behandeln lassen“, erklärte Rechtsanwältin Katharina Pilsel die Reise ihres Mandanten. Weil der „psychisch so belastet war, hat er sich nicht mehr gemeldet“.
„Ich bereue diesen Fehler“, versicherte der Österreicher, „ich will nur wieder gesund werden.“ Selbst während der Verhandlung musste der 30-Jährige Schmerzmittel einnehmen und zwischenzeitlich aufstehen, um Becken und Rücken zu entlasten. Doch der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt. Vier Einträge finden sich im Bundeszentralregister: Einfuhr von Betäubungsmittel, zweimal Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie die Untersagung von Waffen- und Munitionsbesitz. Weshalb er im Mai 2024 von der Staatsanwaltschaft Bielefeld gesucht wurde, wollten Angeklagter und Verteidigerin nicht vertiefen. Bekannt ist, dass sich auf dem Mobiltelefon das Video eines brennenden Autos fand.
Trotz Vorstrafen erhält der Angeklagte eine Chance
Staatsanwältin Windmüller beschrieb einen „Wiederholungstäter mit hoher Rückfallgeschwindigkeit“. Für die Teilstrafen von acht und zehn Monaten wollte sie keine Bewährung mehr zugestehen. Pilsel sprach von einem „ganz besonderen Fall“, denn eine adäquate Behandlung ihres „todkranken“ Mandanten sei nur außerhalb des Strafvollzugs möglich, weshalb die Strafen zur Bewährung ausgesetzt werden sollten.
Richter Josef Haiker folgte mit Strafen von acht und acht Monaten zur Bewährung dem Antrag der Anwältin, monierte aber, dass die Fahrten „völlig grundlos“ stattgefunden hatten. „Äußerst dreist“, meinte er zu dem Umstand, dass der Angeklagte ohne Führerschein mit verbotenem Springmesser erwischt wurde, und ein halbes Jahr später erneut unterwegs gewesen war. „Mit 140 über schmale Straßen und durch geschlossene Ortschaften“, beschrieb Haiker die abendliche Fahrt. „Nicht auszumalen, was hätte passieren können.“ Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre, die Führerscheinsperre 18 Monate. Daneben hat der Österreicher 1000 Euro an die Staatskasse zu zahlen. In die Haftanstalt zurück musste er trotzdem, weil er dort aktuell eine Ersatzfreiheitsstrafe für eine nicht bezahlte Geldstrafe absitzt. (hhö)