„Orix“ aus Piding versorgt ganz Süddeutschland
Kaugummis für die Kleinen, „Gags“ für die Großen: Zu Besuch im „Automaten-Mekka“ im BGL
Bunte Kaugummis, glitschiges Kinderspielzeug, kauzige Sex-Gags, Kondome: In Piding befindet sich die Zentrale für alles, was für kleines Geld aus dem Automaten kommt. Die Firma „Orix“ beliefert ganz Süddeutschland. Wir haben sie besucht und mit dem Chef Hannes Viehhauser über Vergangenheit und Zukunft dieser ganz speziellen Branche gesprochen - und über einen „Erpresserbrief“, den er von einer Kindergruppe aus dem Rosenheimer Raum bekam.
Piding - Sie wirken wie Relikte aus dem vorigen Jahrtausend: Blecherne Automaten mit Kaugummis oder Schnickschnack, oft im typischen Rot, an den Fassaden alter Wirtshäuser oder Wohnblocks. Kaufen Kinder sowas wirklich noch? Wie oft die wohl geleert werden? Und was ist da eigentlich drin? „Die Zeiten, an denen man sich an den Kaugummis die Zähne ausgebissen hat, sind vorbei. Die Qualität ist heute besser - und für 20 Cent will der Kunde ja auch was haben“, sagt Hannes Viehhauser. Er muss es wissen. Denn Viehhauser ist Chef der Pidinger Firma „Orix“.
„Squishies“ oder Kaugummis mit Zungenfärber: „Die Hersteller wissen, was geht“
Der typische „Kunde“, von dem Viehhauser spricht, ist in diesem Fall meistens noch gar nicht voll geschäftsfähig: „Auf Schulwegen oder an Bushaltestellen, das sind die besten Plätze“, weiß Viehhauser. Wer glaubt, dass Buben und Mädchen von heute nicht mehr gespannt vor den Automaten stehen, der irrt. Münze in den Schlitz, Hebel drehen, die Mechanik kracht - und dann macht der Ausgabeschacht „klack“. Welcher Geschmack der Kaugummi wohl haben wird?
„Auch bei den Kaugummis gibt‘s Trends“, weiß der „Orix“-Chef, „heuer sind es die mit Zungenfärber.“ Links ein Schacht mit Kaugummis, rechts ein Schacht mit kleinem Spielzeug - die typische Kombination. „Momentan sind da die Squishies der Renner.“ Squishies? „Ja, diese Gummiviecher zum Drücken“, sagt der 45-Jährige halb verlegen, halb ernst. „Naja, die Kinder wissen‘s schon.“ Aber Glück braucht man auch: In der Kugel könnte genauso gut ein Flummi sein. Oder ein Schlüsselanhänger. Oder eine Troll-Figur. Wer weiß das schon so genau. Das Sortiment wird immer wieder durchgetauscht. „Die Hersteller wissen, was geht“, grinst Hannes Viehhauser.
13 Angestelle für 7000 Automaten
„Orix“ ist ein klassischer Familienbetrieb. 1985 gründete der Vater das Unternehmen in München, sechs Jahre später ging man nach Piding. Die Viehhausers kommen aus St. Johann im Pongau, daher der grenznahe Firmensitz. 13 Angestellte beschäftigt man, davon fünf Außendienstler, die sich um die Automaten kümmern. In Piding werden sie aufgefüllt, repariert und saubergemacht. 7000 Automatenstandorte betreut die Pidinger Firma, davon 2000 reine Kaugummiautomaten. In Süddeutschland ist man Marktführer. Brummt ein Standort, wird der Automat monatlich leergekauft. Läuft es zäh, dauert es auch schon mal ein Jahr.
Die Werkstatt in Piding ist klein, das Lager umso größer. Die Ware kommt aus der ganzen Welt: aus Spanien oder China, aus Belgien oder Österreich. „Und die Kanadier liefern die Kaugummis“, schaut sich Viehhauser zwischen den bunten Kartons um. Aber da lagert noch mehr als nur Kaugummis und Schnickschnack. Auch Automaten mit Pistazien oder Cola-Krachern tragen das „Orix“-Etikett. Und nicht zuletzt: Kondome oder Sex-Gags. Die hängen dann meist auf den Toiletten von Wirtshäusern und Kneipen. „Übrigens bei Männlein wie Weiblein“, fügt Hannes Viehhauser hinzu.
„Erpresserbrief“ von Bad Feilnbacher Kinder-„Gang“
Mit den Kondomautomaten ist die Firma damals in den 80ern überhaupt erst gestartet. Die Aids-Epidemie war in aller Munde. Hier habe der Umsatz etwas nachgelassen, auch weil Gastronomen immer öfter „Nein“ sagen. Dabei gehe es doch um die Gesundheit, so der „Orix“-Geschäftsführer. Außerdem könne man am Automaten auch nachts und anonym kaufen, anders als im Drogeriemarkt. Und die Sex-Gags, die meistens direkt daneben hängen? „Die typische Kundschaft kommt aus Junggesellenabschieden. Da ist eine bunte Mischung aus Überraschungen drin, wenn man mal lustig unterwegs ist.“
Die Retro-Welle hat auch die „Orix“-Automaten erfasst. Aber manchmal sind sie gefragter, als es das Gesetz erlaubt. Viehhauser findet dann seine abgeschraubten Automaten bei Ebay-Kleinanzeigen wieder. „Die Polizei hat nach einer Hausdurchsuchung schon mal mehrere unserer Automaten aus einem Wohnzimmer herausgetragen.“ Auch ein „Erpresserbrief“ landete bereits auf Viehhausers Schreibtisch: „Vor fünf Jahren hat sich da ein gutes Dutzend Kinder zusammengetan. Das war in Wiechs bei Bad Feilnbach. Es hieß, entweder gibt es im Automaten wieder Halsketten, Ringe und ganz bestimmte Kaugummis - oder sie würden nie wieder kaufen“, lacht Hannes Viehhauser. Er hatte ein Einsehen und beugte sich den „Erpressern“.
„Die Anziehungskraft der Automaten ist nach wie vor da“
Mit Blick auf seine Branche machen Viehhauser zwei Dinge Sorgen. Das Eine: „Früher waren die Standorte von Kaugummi-Automaten fast egal. Die Kinder waren überall unterwegs und die roten Kästen wurden oft zu regelrechten Treffpunkten.“ Heute würden die Kleinen aber immer öfter mit dem Auto in die Schule gebracht. Das Andere: Bargeld wird seltener. Von der Oma gab es früher ein paar Münzen, die wurden dann oft fürs Schleckzeug investiert. „So haben die Kinder auch gelernt, mit Geld umzugehen.“ Ja, die Goldene Ära seiner Automaten sei vielleicht vorbei, sagt Hannes Viehhauser: „Aber die Anziehungskraft ist nach wie vor da.“ (xe)

