Schicht im SS-Schacht
Ein Nazi-Bunker am Obersalzberg macht im Internet auf sich aufmerksam: „Wir machen das Loch zu“
Das Loch in einem steilen Waldhang am Obersalzberg führt in einen ehemaligen SS-Munitionsbunker. Der Wald gehört den Bayerischen Staatsforsten. Tierknochen, wenige Patronenhülsen und vor allem Schutt liegt drin. Der Bunkereinstieg hat sich im Internet herumgesprochen. Der Weg in den Berg gilt als gefährlich. „Wir machen das Loch wieder zu“, sagt Dr. Daniel Müller, Forstbetriebsleiter in Berchtesgaden, auf Anfrage. Denn: Die Zeit drängt.
Obersalzberg – Man muss in die Knie gehen und den Kopf einziehen, wenn man rein will. Auf einem Schuttkegel geht es mehrere Meter in ein dunkles Loch. „Eigentlich ist das die Decke des ehemaligen Bunkers“, weiß Förster Vinzent Bader. Sein Jagdhund, eine Tiroler Bracke, begleitet ihn. Bader ist zuständig im Bereich Berchtesgaden West – und somit auch für den Obersalzberg. Der Bunkereingang lag früher rund sechs Meter weiter unten. Die Bunkerdecke hat nachgegeben. Alte Ruinenreste im Wald erinnern an eine kleine SS-Wirtschaftsbaracke, die hier mal stand.
„Wir haben dran gedacht, ihn zu sprengen“
Seit rund zwei Monaten hat Förster Vinzent Bader Kenntnis von dem Bunkereingang. Dieser war über Jahrzehnte verschlossen, seitdem die beiden Eingänge im Jahr 1945 versprengt wurden. Ende der 1980er-Jahre hatte sich nach anhaltendem Regen ein Schlupfloch gebildet. Erst seit wenigen Monaten ist der Bunker der Nationalsozialisten wieder in den Fokus findiger Waldgänger gerückt, die ein paar Videos online stellten, und damit den Bunkereingang ins Rampenlicht rückten.
Jetzt muss der Eingang aber wieder verschlossen werden. „Wir haben dran gedacht, ihn zu sprengen“, sagt Vinzent Bader. Allerdings wären die Folgen für den im Steilgelände darüber liegenden Wald unabsehbar. Bäume und Gelände könnten nachstürzen. Der Obersalzberg gilt als von Bunkern durchzogen. Es existieren geologische Verwerfungen im Berg.
Der Bunker führt in die Dunkelheit. Er verzweigert sich an einer Stelle. „Das Gestein ist brüchig“, weiß Bader. Von der Decke tropft es. Verwittertes Altholz liegt auf dem Schutt, Reste der Sprengarbeiten vor 75 Jahren. Ein Felsbauingenieur aus Großbritannien war kürzlich im Munitionsstollen. Er hat die Gefahr, die vom Bunker für Leib und Leben nichtsahnender Abenteurer ausgeht, bestätigt. Auch Förster Vinzent Bader sagt: „Die Decke stürzt nach und nach ein.“ Ein geeigneter Ort, offen zur Erkundung? Das ist das Untergrundsystem sicher nicht. Forstbetriebsleiter Dr. Daniel Müller hatte erwogen, den Kampfmittelräumdienst in den Berg zu schicken. So weit kam es dann aber nicht.
Als Grundbesitzer müssen die Bayerischen Staatsforste handeln. „Wir wissen, dass viele da rein wollen und schon drin waren”, sagt der Forstbetriebsmitarbeiter, selbst Familienvater. Es kursieren Videos, in denen Bunkerfreunde von weit her anreisen, nur um die Gänge im Fels zu inspizieren. Bader hat einen Haufen Holz im Eingangsbereich platziert, um den Einstieg zu erschweren. Die Höhlengänger hatten es wieder raus befördert, sagt er.
Eingang wird verschlossen
Die Absicht, den Stollen zu sprengen, haben die Bayerischen Staatsforste wieder ad acta gelegt. Eine Verfüllung des Eingangsbereichs ist ein schwieriges Unterfangen, weil man dafür Unmengen an Beton in unwegsamem Gelände benötigt. „Wir wollen den Eingang aber verschließen“, sagt Vinzent Bader. Er hat ein Team zusammengestellt aus zwei Forstmitarbeitern. Mit Holzpflöcken überdecken sie den Eingang, treiben das Holz in den steilen Untergrund. Bader war kurz zuvor im Bunker drin und hat auf sich aufmerksam gemacht. „Es soll ja keiner drin sein, der dann nicht mehr rauskommt“, sagt er.
Auf die hölzerne Abdeckung über dem Bunkerloch sprühen die Arbeiter mit oranger Farbe einen Totenkopf. Zur Abschreckung. „Lebensgefahr“ sprayen sie in fetten Lettern noch darauf. Allerdings: Das reicht nicht. „Das Holz wäre sofort wieder zerstört“, sagt Vinzent Bader. Er braucht also schwereres Gerät, um sicherzugehen und den Bunkereingang vor unerwünschten Gästen zu schützen.
5 Tonnen Stein liegt nun vor dem SS-Bunker
Bader hat einen Baggerführer beauftragt: Massive Wasserbausteine sollen das verpflockte Eingangsloch im Steilhang sichern. 15 Tonnen Fels wurden heran gekarrt. Diese in das abschüssige Gelände zu bringen, gestaltet sich schwierig. Forststraßen gibt es keine, nur einen schmalen Wanderweg, der in Richtung Kehlsteinhaus führt und oberhalb des freigelegten Bunkereingangs verläuft. Über einen abfallenden Hang müssen die tonnenschweren Steine durch den Wald transportiert werden. Rudi Seidinger sitzt im Bagger. Behände steuert er die Joysticks seines Gefährts.
Zunächst lässt er die wuchtigen Felsen den Abhang herunterrollen, wo sie auf einer Zwischenebene liegen bleiben. Die Forstmitarbeiter treiben mit einem Hammer schwere Eisenstangen neben dem Bunkerstollen in das Erdreich. Sie verankern ein Stahlnetz vor dem im Hang liegenden Loch. Die Wasserbausteine werden mit dem Bagger von oben hineingehievt, in der Hoffnung, dass die Stahlnetz-Verbauung das Gewicht aushält. „Ich sehe nicht über die Kante drüber“, warnt Baggerführer Rudi Seidinger, bevor er seine Schaufel kippt. Die Forstmitarbeiter gehen bei jedem Wasserstein in Sicherheit, weil die Felsbrocken rollend unten in das Netz krachen. Ein dumpfes „Bumm“ ertönt. 15 Tonnen Stein liegt nun vor dem SS-Bunker. „Geschafft“, sagt Vinzent Bader nach zweieinhalb Stunden. „Jetzt wird es nur schwierig möglich sein, in den Stollen hineinzukommen.“ Er weiß aber auch: Bunkerfans sind findig. Mögliche Chancen würden sie sich sicher nicht entgehen lassen.
kp
