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NS-Elite, Kriegsende, Neuanfang

Carolin Ottos Debütroman „Berchtesgaden” verknüpft Geschichte mit Fiktion – Zeitzeuge übt Kritik

Drehbuch- und “Berchtesgaden”-Autorin Carolin Otto stellte ihr Werk im AlpenCongress in Berchtesgaden vor.
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Drehbuch- und “Berchtesgaden”-Autorin Carolin Otto stellte ihr Werk im AlpenCongress in Berchtesgaden vor.

Carolin Otto, bekannt als Drehbuchautorin, veröffentlicht ihren ersten Roman 'Berchtesgaden'. Der Roman verbindet historische Ereignisse mit fiktionalen Elementen und bietet einen Einblick in die letzten Kriegstage und die Nachkriegszeit in Berchtesgaden. Die Autorin hat umfangreiche Recherchen betrieben, um Authentizität zu gewährleisten.

Berchtesgaden – Es ist ein eindrückliches Bild, das das „Obersalzberger Gespräch“ eröffnet: Ein Foto, vor knapp 80 Jahren aufgenommen, zeigt einen US-Soldaten mit zwei Kindern im Zentrum Berchtesgadens. Dr. Mathias Irlinger, Bildungsreferent der Dokumentation Obersalzberg, nutzt das Bild für das soeben erschienene Roman-Debüt von Carolin Otto. Ihr Werk „Berchtesgaden“ entführt in die letzten Kriegstage im Mai 1945 und die unmittelbare Nachkriegszeit der Region.

Carolin Otto ist eigentlich Drehbuchautorin und für das Fernsehen tätig. Sie hat für den Münchner Tatort geschrieben, für Polizeiruf 110, zudem für München 7, alles bayerische Themen. Für ihren ersten Buchroman war die Arbeitsweise eine andere: Die gebürtige Hamburgerin musste in die Historie eintauchen und war für ihren Roman zur Recherche vor Ort in Berchtesgaden. Denn darin verbindet sie historische Ereignisse mit fiktionalen Elementen. Ihre Hauptfiguren treffen auf reale Berchtesgadener Persönlichkeiten, wie etwa den Heimatkundler Dr. Rudolf Kriss oder den Berchtesgadener Pfarrer Otto Schüller. Einige Charaktere sind zudem an historische Vorbilder angelehnt – so erinnert eine Figur an die real existierende Kriegsfotografin Lee Miller. Diese Mischung aus historischer Genauigkeit und erzählerischer Freiheit soll dem Roman eine besondere Authentizität verleihen, sagt die Autorin.

„Ich bin schon ein bisschen neidisch“, gesteht Irlinger, „wie es am Ende gelungen ist, das alles in einen Roman zu packen“, bemerkte Mathias Irlinger mit Anerkennung. Die Autorin hat hierfür umfangreiche Recherchen betrieben, sie hat zahlreiche Quellen im Archiv gesichtet und Gespräche mit Einheimischen geführt, um den historischen Kontext akkurat darzustellen. 

Autorin Carolin Otto verwebt Fiktion und historische Realität in ihrem Debütroman

Die Geschichte beginnt im Mai 1945, der Krieg ist vorüber, als zwei junge Frauen, Sophie und Magda, ein gerade verlassenes Haus im Führersperrgebiet am Obersalzberg erkunden. Die Plünderungen haben begonnen, Lebensmittel und Wertgegenstände der NS-Elite werden gesichert. Schnell stellt sich heraus, dass sie sich im ehemaligen und noch heute existierenden Haus von Hitlers Architekt Albert Speer befinden. Durch die Augen der Protagonistinnen wird die ungewisse, widersprüchliche Zeit nach Kriegsende erlebbar: die Grauen der NS-Verbrechen, die Unklarheit über die Zukunft und die Frage nach Schuld und Verantwortung werden geschildert.

Carolin Otto entdeckte das Berchtesgaden-Thema für sich während ihrer Arbeit an der Fernsehserie „Lena Lorenz“. Die ZDF-Erfolgsserie wird seit mehreren Jahren am Fuße des Watzmanns gedreht. Unweit davon befindet sich Hitlers ehemaliges zweites Zuhause. „Auf dem Obersalzberg war der Endpunkt des Krieges und gleichzeitig das Epizentrum der Elite der Nationalsozialisten“, beschreibt Otto die Situation. Die Faszination für die Region und ihre bewegte Geschichte ließen sie nicht mehr los. „Ich wollte erfahren, wie sich alle Beteiligten gefühlt haben, Überlebende, Täter, aber auch Soldaten und Einheimische.“ Die Mischung aus persönlichen Schicksalen und weltpolitischen Umbrüchen bot den idealen Hintergrund für ihren ersten Roman.

Zeitzeuge kritisiert die „Neuerfindung“ der Geschichte

Carolin Otto sagt, dass für sie das Schreiben am Roman durchaus eine neue Herausforderung gewesen sei – aber auch eine kreative Befreiung. Bei einem Drehbuch müsse sie immer auf eine vereinfachte Sprache achten. Immerhin soll das Aufgeschriebene filmisch umsetzbar sein. „Es reden immer viele Menschen mit“, sagt die gebürtige Hamburgerin. „Bei meinem Roman konnte ich mich vollständig der Geschichte widmen.“ Diese Freiheit ermöglichte ihr eine tiefere Charakterzeichnung und eine atmosphärische Erzählweise, die vor allem von der eindrucksvollen Landschaft Berchtesgadens inspiriert wurde.

Ein historischer Roman, der die Zeit nach Kriegsende in Berchtesgaden beschreibt. Im Buch selbst spielen auch reale Berchtesgadener Persönlichkeiten mit.

So viel ist sicher: Das Ende von „Berchtesgaden“ lässt Raum für eine Fortsetzung – eine Möglichkeit, über die die Autorin bereits intensiv nachgedacht hat. Auch eine Verfilmung sei nicht ausgeschlossen, sagt sie. Gespräche über den Filmstoff hatte es bereits gegeben. Ob diese am Ende verwirklicht werden, ist noch nicht gewiss. Das Publikum zeigte sich angetan von der Lesung, verbunden mit der historischen Tiefe des Romans, den Historiker Irlinger attestierte. Er empfahl allen Anwesenden, sich mit dem Buch näher auseinanderzusetzen, besonders denen, die sich kritisch zur „Neuerfindung“ der Geschichte geäußert hatten. Ein Zeitzeuge, Berti Kastner, hatte kritisiert, dass man Geschichte nicht neu darstellen müsse. „Ich bin damals noch bei einem Nazi-Lehrer zur Schule gegangen, ich habe die Bombardierung Berchtesgadens miterlebt“, sagt Kastner.  

Historiker Mathias Irlinger bleibt dennoch der Überzeugung, dass das Buch seine Daseinsberechtigung hat. Eine der größten Stärken des Romans sei die Balance zwischen dokumentarischer Genauigkeit und der packenden Erzählweise. „Am Ende ist es aber ein historischer Roman.“ Einer, der die bewegte Geschichte der Region einfängt und zudem die Fragen nach Schuld, Verantwortung und Neuanfang aufwirft. (kp)

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