Paukenschlag in Berchtesgaden
Größtes Wohnungsbauprojekt auf Eis gelegt - Baulücke könnte Ortsbild vorerst prägen
Eines der wichtigsten Projekte zur Förderung bezahlbaren Wohnraums in Berchtesgaden kann nicht umgesetzt werden: Ende vergangener Woche muss Florian Brunner, Geschäftsführer des größten Vermieters im Landkreis, des Wohnbauwerks Berchtesgadener Land, eine mehr als ernüchternde Nachricht verkünden. Wie geht es weiter?
Berchtesgaden - Es sind gravierende Folgen, die mit der Nachricht des Geschäftsführers des Wohnbauwerks Berchtesgadener Land einhergehen. Ein Projekt, das seit Jahren als eines, der wichtigsten überhaupt angepriesen wird, muss erst einmal pausieren. „Für 2025 gibt es keine Mittel mehr“, sagt Florian Brunner. Damit ist auch der seit Langem kommunizierte Zeitplan für das Großprojekt vom Tisch.
Wann die Fördermittel wieder zur Verfügung stehen? Frühestens 2026: „Wir müssen schauen, dass wir kommendes Jahr die Förderung bekommen“, sagt Brunner. 2027 könnte dann frühestens mit dem Bau begonnen werden. Alle Prognosen zum jetzigen Zeitpunkt sind mehr als fraglich. Klar ist: „Das, was die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim mit einem Neubauprojekt in Bischofswiesen trifft, trifft nun auch uns, das Wohnbauwerk Berchtesgadener Land“, so Brunner.
Fördertopf ist ausgeschöpft
Geplant waren in Berchtesgaden rund 60 Wohnungen, einkommensorientiert gefördert (EOF). Die EOF-Mittel seien in diesem Zusammenhang wichtig gewesen, hieß es immer wieder: Damit der Mietpreis am Ende für einheimische Mieter noch irgendwie bezahlbar ist, angesichts ständig steigender Mietpreise im sowieso als teures Pflaster geltenden, touristisch geprägten Berchtesgaden.
Der EOF-Fördertopf sei landesweit aber mit 1,8 Milliarden Euro deutlich überzeichnet, weiß Brunner. Er betont, dass die Entwicklung derzeit kein Einzelfall sei. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist zum massiven Problem im Land und zudem zum Politikum geworden – auch in Berchtesgaden. Erst kürzlich sagte Unternehmer und Vorsitzender des Zweckverbands Bergerlebnis Berchtesgaden, Dr. Bartl Wimmer: „Das Wohnbauwerk muss mit Eigenkapital ausgestattet werden (...). Sonst wird das nichts mit bezahlbarem Wohnen.“
BayernHeim hat abkassiert
Fakt ist: Im Freistaat Bayern herrscht ein gewaltiges Problem, Wohnungen zu bauen. Wimmer nimmt auf Nachfrage kein Blatt vor den Mund: „Die EOF-Mittel sind ausgeschöpft. Der Skandal dabei ist, dass die BayernHeim als staatliches Unternehmen einen Großteil abkassiert hat. Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften schauen mit dem Ofenrohr ins Gebirge.“ Der 64-Jährige kritisiert nicht unbegründet: Für ihn gilt es als ausgemacht, dass die Wohnraumproblematik erst am Anfang steht angesichts düsterer Sozialraumprognosen. Laut Brunner sei die BayernHeim mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag bedacht worden. All diese Mittel stehen anderweitig nicht mehr zur Verfügung.
Zuversicht war eigentlich groß
Trotz der prekären Lage und der fehlenden Förderung hält das Wohnbauwerk Berchtesgadener Land an seinen Bauabsichten an der Salzburger Straße fest. „Wir geben unser Bestes“, sagt Florian Brunner, dessen Unzufriedenheit in seiner Stimme zu hören ist. Ohne Zweifel wollte der Geschäftsführer so schnell als möglich loslegen, weil er um die Wichtigkeit von Wohnraum Bescheid weiß. Zudem war das Projekt, das als Generationenwohnen angekündigt worden war, lange Thema. Die Zuversicht auf zeitnahe Umsetzung war groß. Mehr als 500 Leute stehen auf der Warteliste des Wohnbauwerks.
Wenn es nach Brunner geht, wird der alte Gebäudekomplex, an dessen Stelle in Zukunft der neue entstehen soll, aber noch dieses Jahr abgerissen. Das hat Gründe, auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie es weitergeht. „In der Abbruchbranche gibt es derzeit hohe Kapazitäten“, sagt er. Die Ausschreibung dazu soll kurzfristig erfolgen, in der Hoffnung, dass der Abriss aufgrund der derzeitigen Marktlage günstiger umgesetzt werden kann. Man würde sich einige hunderttausend Euro sparen, so Brunner. Für die Abbrucharbeiten rechnet er mit rund 1,5 Millionen Euro.
Baulücke wird bleiben
Die Entfernung des in die Jahre gekommenen Gebäudes gilt zudem als kompliziert. „Wir haben eine eng bebaute Lage, eine Hauptstraße direkt vor der Haustür, ein Altersheim sowie das Schülerforschungszentrum nebenan – das macht es zu einer der schwierigsten Abbruchmaßnahmen, die wir bislang hatten“, weiß Brunner. Der Abriss soll, wenn es nach ihm geht, nach den Pfingstferien beginnen, zunächst mit dem Zechmeisterhaus, danach folgen Entkernung und Abbruch des alten Berchtesgadener Gymnasiums. Zudem müssen Fernwärme- und Telefonleitungen neu verlegt werden, weil in der eng bebauten Lage vieles zusammenhängt. Der Hauptabbruch des restlichen Gebäudekomplexes ist für den Herbst angesetzt. Die Baulücke bleibt dann erst einmal Baulücke.
Derzeit wohnen Geflüchtete und Asylbewerber in dem Gebäudekomplex. Der Mietvertrag mit dem Landratsamt endet Ende Februar offiziell. Brunner sagt, dass die Bewohner mindestens „bis Juni oder Juli“ bleiben können. Mit dem Landratsamt gibt es eine Folgevereinbarung. Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen und der ungewissen Zukunft des Bauvorhabens spricht sich Bartl Wimmer gegen einen Abriss aus: „Solange nicht feststeht, wann mit dem Neubau begonnen werden kann, sollte das Gebäude bestehen bleiben“, betont er. Ähnlich sieht das auch Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp, der mit der aktuellen Entwicklung in seinem Ort alles andere als zufrieden sein kann. Dürfen die derzeitigen Bewohner also doch noch länger wohnen bleiben?
Die Entwicklung im Bauwesen stellt das Wohnbauwerk momentan vor große Herausforderungen. „Seit Corona sind die Baukosten um knapp 40 Prozent gestiegen“, sagt Brunner. Im Jahr 2021 bezahlte das Wohnbauwerk für einen Neubau in Piding pro Quadratmeter noch rund 3300 Euro. Mittlerweile liegen die Kosten bei über 5200 Euro. In Bayern kratzt man bereits an der 6000-Euro-Marke, sagt Brunner. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass viele private Bauträger ihre Projekte eingestellt haben. „Frei finanzierte Wohnungen würden Mieten zwischen 17 und 20 Euro pro Quadratmeter bedeuten – für die meisten ist das unbezahlbar“, betont er.
Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen bekräftigt Brunner das Engagement des Wohnbauwerks: „Wir haben das Projekt immerzu vorangetrieben und wollen es unbedingt umsetzen“, lautet seine Hoffnung. Allerdings könne man bei geplanten Baukosten von weit über 20 Millionen Euro nicht ohne Fördermittel starten. Der Aufsichtsrat des Wohnbauwerks wird sich in den kommenden Wochen mit der Situation intensiv befassen müssen. Brunner bleibt jedoch zuversichtlich: „Wir versuchen unser Bestes, um das Projekt am Laufen zu halten und umzusetzen.“ kp


