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Ainringer sollen selbst bestimmen

Geplanter Bürgerentscheid zur Reiter Alm: Die 10 wichtigsten Fragen

Projekt Reiter Alm in Ainring und eine Wahlurne
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Die Ainringer sollen selbst entscheiden, wie es bei der Reiter Alm weitergeht.

Die Gemeinde Ainring steht mit dem Thema Reiter Alm vor dem ersten Bürgerentscheid ihrer Geschichte. Bis dahin ist noch einiges zu klären. Inzwischen hat sich auch die Bürgerinitiative zu Wort gemeldet. Die zehn wichtigsten Fragen im Überblick.

1. Was ist an der Reiter Alm geplant?
Im Oktober 2022 gab der Gemeinderat mit deutlicher Mehrheit die Zustimmung zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Im Januar 2023 folgte eine Infoveranstaltung. Damals wurde das Projekt den Bürgern ausführlich vorgestellt. Dabei soll das Haupthaus erhalten und zusätzlich ein 80 Meter langes Bettenhaus mit zwei und zum Teil drei Stockwerken und 81 Zimmern sowie eine Tiefgarage errichtet werden. Der Neubau soll nicht höher werden als das Bestandsgebäude. Ausführlich erklärte der Investor Schorsch Brüderl auch, was in den Räumlichkeiten entstehen soll: Eine Reha-Klinik zur präventiven und akuten Behandlung psychosomatischer Erkrankungen. Mit der Realisierung würden rund 60 Arbeitsplätze entstehen.
Visualisierung des Projektes: Links der Neubau, rechts das Bestandsgebäude
2. Wie kam es zum Vorschlag des Ratsbegehrens?
Gegen das Projekt formierte sich Widerstand. Die „Bürgerinitiative zum Schutz des Ainringer Högls“, wie sie sich inzwischen nennt, sammelte Unterschriften und legte Bürgermeister Martin Öttl im Februar einen Bürgerantrag mit über 1500 Unterschriften gegen die geplante psychosomatische Klinik vor. Der Antrag forderte, das Bauleitverfahren sofort einzustellen und das geltende Sondergebiet für Gastronomie und Wellness zu erhalten. Die Reha-Klinik würde das harmonische Landschaftsbild am Högl zerstören, das Naherholungsgebiet müsse für Gäste und Einwohner im jetzigen Zustand bleiben. Zudem bestehe kein Bedarf an einer weiteren Klinik im Landkreis, zumal die Gemeinde selbst keinen Nutzen davon hätte, hieß es in der Begründung.
In der Gemeinderatssitzung vom 14. Mai sollte über den Antrag abgestimmt werden. Doch es kam anders: Öttl schlug vor, den Bürgerantrag abzulehnen und stattdessen ein Ratsbegehren zu initiieren. Sprich: Die Ainringer sollen per Bürgerentscheid die Möglichkeit bekommen, selbst über die Reiter Alm abzustimmen. Sein Vorschlag erhielt den Zuspruch von 16 der 18 anwesenden Gemeinderäte.
3. Warum hat Bürgermeister Öttl das Ratsbegehren vorgeschlagen?
„Ich bin durch und durch Demokrat und habe überhaupt keine Scheu davor, diese Form der direkten Demokratie anzuwenden“, erklärt Öttl auf Anfrage. „Der Sinn des Ratsbegehrens ist dabei, diese wichtige Entscheidung durch die Bürgerinnen und Bürger in besonderer Art und Weise legitimieren zu lassen.“ Die 1536 Unterschriften seien jedenfalls eine große Anzahl, die man nicht ignorieren wollte. „Ich persönlich kann mir das Projekt nach wie vor vorstellen und halte es in Anbetracht der Fakten nach wie vor für die beste Alternative. Aber ich kann das Projekt auch loslassen, wenn tatsächlich die Mehrheit der Bürger gegen das Vorhaben ist. Daher habe ich vorgeschlagen, jetzt die Bürger zu fragen.“
4. Was ist ein Ratsbegehren?
Ein Ratsbegehren ist ein Instrument der direkten Demokratie. Es wird vom Gemeinderat initiiert, um die Bürger über wichtige kommunalpolitische Entscheidungen abstimmen zu lassen. Meist wird es eingesetzt, wenn im Rat keine klare Mehrheit für eine bestimmte Entscheidung besteht oder wenn das Thema von großer öffentlicher Bedeutung ist. Im Gegensatz zu einem Bürgerbegehren ist hier keine erneute Sammlung von Unterschriften nötig.
Die Bürger haben dann die Möglichkeit, per Bürgerentscheid über das vorgeschlagene Thema abzustimmen. Die Formulierung eines Bürgerentscheids muss klar und verständlich sein. Der Abstimmungstext muss eindeutig formuliert sein, sodass die Wähler klar erkennen können, wofür sie stimmen. Die Frage muss mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortbar sein. Um Missverständnisse zu vermeiden, müssen zudem die Sachverhalte und die Folgen einer Entscheidung deutlich dargestellt werden. Die Gemeinde prüft die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit des Bürgerentscheids vor der Abstimmung.
Der Bürgerentscheid kommt einem Beschluss des Gemeinderats gleich und ist ein Jahr lang verbindlich. Während dieser Zeit dürfen weder der Gemeinderat noch die Bürger durch ein neues Bürgerbegehren das Thema erneut aufgreifen und eine entgegengesetzte Entscheidung treffen. In Ainring beträgt die notwendige Mindeststimmenzahl der Abstimmungsmehrheit 20 Prozent.
5. Was sagt die Bürgerinitiative zum geplanten Bürgerentscheid?
Gabriele Noreisch, die Sprecherin der Bürgerinitiative, konnte in der letzten Gemeinderatssitzung aufgrund einer Urlaubsreise nicht anwesend sein, wie sie in einer Stellungnahme gegenüber BGLand24.de erklärt. Doch man habe sehr viele interessierte Zuhörer mobilisieren können, zur Sitzung zu kommen. Tatsächlich war der Sitzungssaal an dem Abend voll, sodass zusätzliche Stühle im Vorraum aufgestellt wurden.
„Wir waren darauf vorbereitet, dass der Bürgerantrag abgelehnt wird. So hielt sich die Enttäuschung darüber in Grenzen“, so Noreisch. „Neu war für uns die von der Gemeinde mit der Ablehnung verbundene Option eines Ratsbegehrens.“ Sollte dieses tatsächlich auf den Weg gebracht werden, würde die Gemeinde damit einen begrüßenswerten demokratischen Weg einschlagen und die Meinung der Bürger im Entscheidungsprozess einbeziehen. „Das ist gelebte Demokratie!“
Die Bürgerinitiative hatte zwar ohnehin in Erwägung gezogen, ein Bürgerbegehren zu starten, um damit einen Bürgerentscheid zu bewirken, sollte der Bürgerantrag abgelehnt werden. Dazu wäre aber eine erneute Sammlung von Unterschriften nötig gewesen. Beim Ratsbegehren ist dies nicht erforderlich. Als „entlastend“ bezeichnet Noreisch daher auch den Vorschlag des Bürgermeisters, „wobei der direkte Kontakt zu den Menschen eine wertvolle und aufschlussreiche Erfahrung für uns war.“
Bürgermeister Martin Öttl und Gabriele Noreisch, die Sprecherin der Bürgerinitiative
6. Wie steht der Investor zum Bürgerentscheid?
Die Investor-Firma Brüderl, die das Klinik-Projekt plant, war gegenüber der Redaktion zu keiner Stellungnahme bereit.
7. Wie bereitet sich die Verwaltung vor?
Auch wenn der Beschluss zum Ratsbegehren noch aussteht, beschäftigt sich die Verwaltung bereits mit dem Thema, da der Gemeinderat schließlich in der Mai-Sitzung dem Vorgehen mit großer Mehrheit zumindest grundsätzlich zugestimmt hat. Zunächst muss die Gemeinde eine Satzung zum Thema Ratsbegehren und Bürgerentscheid erlassen. „Das war eine dringende Empfehlung der Rechtsaufsichtsbehörde“, so Bürgermeister Öttl. Sobald diese Satzung in Kraft ist, kann der Beschluss über das Ratsbegehren erfolgen.
Geschäftsleiter Martin Nüß hierzu: „Die Erstellung einer Satzung ist nicht so aufwändig. Von der Rechtsaufsicht haben wir eine Mustersatzung erhalten. Diese muss nur in ein paar Kleinigkeiten auf die Gegebenheiten der Gemeinde Ainring angepasst werden. Zwei Mitarbeiter sind damit beschäftigt, aber auch nur weil der Inhalt abteilungsübergreifend ist. So hat der eine Mitarbeiter immer wieder mal Nachfragen beim anderen.“
Bezüglich des Bürgerentscheids erklärt Nüß, dass die Verwaltung alles machen müsse, was bei einer Wahl auch notwendig ist: „Wählerverzeichnis anlegen, Wahlbenachrichtigungen durch den Anbieter des Wahlprogramms versenden lassen, Stimmzettel drucken, Wahlhelfer einteilen, Unterlagen für die Wahllokale herrichten, Briefwahlunterlagen drucken lassen. Das alles ist für den Wahlleiter der größte Aufwand.“ Zudem müsse die Frage ausformuliert und mit der Rechtsaufsicht abgeklärt werden. Außerdem sollen den Bürgern Informationen von beiden Seiten zur Verfügung gestellt werden.
8. Wie sieht der Zeitplan aus?
Derzeit sei geplant, dass die Satzung in der Juni-Sitzung im Gemeinderat erlassen wird. Der Beschluss über das Ratsbegehren könne laut Öttl dann voraussichtlich in der Juli-Sitzung folgen. Geschäftsleiter Nüß betont, dass es für den Bürgerentscheid noch keinen konkreten Termin gebe, aber: „Wenn der Gemeinderat in der Juli-Sitzung das Ratsbegehren beschließt, dann soll der Entscheid im Oktober oder November durchgeführt werden.“ Beim Bürgerentscheid soll auch eine Briefwahl möglich sein.
9. Werden der Investor und die Bürgerinitiative mit ins Boot geholt?
„Das ist eine Frage der Fairness. Daher steht es für mich außer Frage, dass die im Gemeinderat und die von den Vertreterinnen und Vertretern der Bürgerinitiative vertretenen Auffassungen zum Gegenstand des Bürgerentscheides in Veröffentlichungen der Gemeinde in gleichem Umfang dargestellt werden“, erklärt der Bürgermeister.
Gabriele Noreisch meint, dass mit dem Ratsbegehren nun zwar die Gemeinde das Heft in der Hand habe und nicht mehr die Bürgerinitiative. Aber da der Bürgermeister in Aussicht gestellt habe, dass beide Seiten das Für und Wider fair und gleichberechtigt darstellen können und die Bürgerinitiative „auch bei der Formulierung der entscheidenden Fragestellung zum Bürgerentscheid mit einbezogen wird, sehen wir dem Ratsbegehren positiv entgegen.“
Die Bürgerinitiative werde sehr aufmerksam und genau verfolgen, ob und wie offen und fair die Gemeinde das Ratsbegehren angehen wird. „Sachlich, zielgerichtet, ehrlich, mit belegbaren Argumenten werden wir unseren Weg zum Ziel gehen, die einmalig gewachsene, landwirtschaftlich geprägte Högllandschaft von Ainring zu bewahren“, so Noreisch.
10. Wie werden die Bürger informiert?
Bereits in jüngsten Gemeinderatssitzung ist deutlich geworden, dass die Bürger alle Informationen erhalten müssen, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Dazu gehören neben allen erstellten Gutachten auch die Pläne der Investoren sowie die Bedenken der Bürgerinitiative.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Ainringer über den Bürgerentscheid informiert werden können. In Erwägung gezogen wird etwa eine Veröffentlichung in der kommenden Ausgabe der Gemeindezeitung oder auf der Website. „Das haben wir noch nicht endgültig festgelegt. Jedenfalls werde ich allergrößten Wert darauf legen, dass die Bürgerinnen und Bürger auf informierter Grundlage entscheiden können. Wir werden daher sehr klare Informationen vorlegen“, so Öttl.

mf

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