Dikussion über Vorhaben bei Bischofswiesen
„So etwas Peinliches noch nie erlebt“: Erste Annäherung beim Streitprojekt am Skigebiet Götschen?
Die geplante Erweiterung des Skigebiets Götschen bleibt umstritten. Derzeit stehen vor allem die Baumfällungen am Speicherbecken im Zentrum der Kritik. Nun haben sich erstmals der Bund Naturschutz (BN) und der Betreiber der Götschenlifte, Bernhard Heitauer, direkt über den Ausbau unterhalten. Während Heitauer den BN für seine vielen Klagen kritisiert und die aktuelle Lösung als „Kompromiss“ bezeichnet, halten die Naturschützer an ihrer Ablehnung fest und wittern Absicht im Verhalten der Behörden bei den Baumfällungen.
Bischofswiesen - Es war ein Moment mit Seltenheitswert und jeder Menge Zündstoff: Erstmals tauschten sich Naturschützer und Bernhard Heitauer, Betreiber der Götschenlifte, direkt miteinander über das heikle Thema Götschen-Erweiterung aus. Bei der Mitgliederversammlung des Bund Naturschutz (BN) Berchtesgadener Land wurde nicht mehr nur übereinander gesprochen, sondern miteinander - sachlich im Ton, deutlich in der Sache. Im Zentrum: der geplante Ausbau des Beschneiungsteichs am Bundesleistungszentrum in Bischofswiesen.
Der Konflikt hatte sich bereits im Februar dramatisch zugespitzt. In aller Frühe heulten Motorsägen am Götschen: Auf rund 4000 Quadratmetern wurden Bäume gefällt, um Platz für den Ausbau des Speicherteichs zu schaffen. Der soll künftig rund 15.800 statt bisher 3700 Kubikmeter Wasser fassen - mehr als das Vierfache. Was zunächst nach einer simplen Baumaßnahme aussah, entwickelte sich rasch zur juristisch brisanten Episode.
„Hat ein Geschmäckle“
BN-Kreisvorsitzende Rita Poser sprach bei der Versammlung von einer „Vertrauenskrise“ zwischen Naturschützern, Gemeinde und Landratsamt. Laut der BN-Anwältin Anja Schilling ging am Tag der Fällung um 6.30 Uhr ein Fax aus dem Landratsamt an die Gemeinde: Der Sofortvollzug zur Baumfällung sei genehmigt. Erst zwei Stunden später, gegen 8.30 Uhr, wurde die BN-Rechtsvertretung informiert.
Als am Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung beantragt wurde und gegen 14 Uhr ein Richter persönlich bei der Gemeinde und dem Landratsamt anrief, um den sofortigen Stopp anzuordnen, war es bereits zu spät. Der Kahlschlag in dem Waldstück war bereits abgeschlossen. „Das hat ein Geschmäckle“, sagt Poser. Das Verwaltungsgericht gab dem Eilantrag des BN im Nachhinein statt - die aufschiebende Wirkung wurde wiederhergestellt.
Betreiber stellt klar: „Maßnahme geht von der Gemeinde aus“
Die Pläne für den Beschneiungsteich reichen weit zurück: Bereits 1998 wurde ein Speicher mit 5000 Kubikmetern genehmigt, gebaut wurde letztlich ein kleinerer. Nun soll im Rahmen einer Sanierung aufgestockt werden - auf 15.800 Kubikmeter. Die Maßnahme ist mit rund 830.000 Euro veranschlagt, ein vollständiger Neubau würde rund 1,5 Millionen Euro kosten. Die Zahlen sind nicht aktuell. Finanziert werden die Arbeiten in jedem Fall von Bund, Land und Sportverbänden, schließlich ist der Götschen Bundesleistungszentrum für den Spitzensport.
Bernhard Heitauer stellte bei der Versammlung klar: „Die Maßnahme am Götschen geht von der Gemeinde aus.“ Es sei also nicht, wie oft dargestellt, sein Projekt. Dennoch machte er deutlich, dass ein Teich mit lediglich 3700 Kubikmetern viel zu klein sei. Mit rund 39.000 Kubikmetern Wasser müsse man pro Saison auskommen, um den Skibetrieb aufrechtzuerhalten. Der ursprünglich angedachte Teich mit 40.000 Kubikmetern sei daher sinnvoll gewesen. Die nun geplante Lösung bezeichnete Heitauer als „Kompromiss“.
„Am Ende müssen die Beklagten noch bezahlen“
Heitauer verwies darauf, dass das Wasserwirtschaftsamt einst selbst den Vorschlag für eine größere Bevorratung gemacht habe, um eine effektivere Beschneiung zu ermöglichen. „Wenn man mehr Wasser auf einmal zur Verfügung hat, ist man schneller fertig und schafft bessere Voraussetzungen und eine Grundlage für den Saisonstart“, sagte er.
Gleichzeitig kritisierte er die juristische Strategie des Bund Naturschutz: „Der BN klagt mit Spendengeldern. Da kann man klagen und klagen, und am Ende müssen die Beklagten noch bezahlen.“ Ein Regressverfahren (Anspruch auf Schadensersatz) gegen die Naturschützer, so Heitauer, sei seiner Meinung nach überfällig.
Ausbau wegen Klimawandels nicht nachvollziehbar
Für den BN ist der geplante Ausbau nicht nur rechtlich, sondern auch ökologisch bedenklich. Angesichts der Klimakrise, zunehmenden Schneemangels und schwindender Artenvielfalt sei nicht nachvollziehbar, warum der Teich überhaupt vergrößert werden müsse. Besonders der Umgang mit der Natur stößt auf Kritik: Die gefällten Bäume auf der Fläche müssten nach Auskunft der Gemeinde aus Vorsorgegründen wegen eines möglichen Borkenkäferbefalls nun entfernt werden. „Wir bevorzugen es, die Bäume nur zu entasten und die Stämme herauszuziehen, um Flurschäden zu vermeiden“, sagt Rita Poser.
Brisant: Ameisenhügel im betroffenen Waldgebiet hätten laut Naturschutzrecht eigentlich verlegt werden müssen. „Tatsächlich liegen die Bäume aber einfach darauf“, berichtet Poser. Ob dabei Hügel zerstört wurden, müsse jetzt geprüft werden.
Grafwallner vermutet Absicht
„So etwas Peinliches habe ich mit dem Landratsamt noch nie erlebt“, sagt Paul Grafwallner vom BN mit Blick auf die frühmorgendliche Genehmigung der Baumfällung. Für ihn ein klarer Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Arten wie die Haselmaus oder der Gelbringfalter, die am Götschen vorkommen, stehen unter strengem Schutz. Grafwallner vermutet sogar Absicht hinter dem Vorgehen: „Ein abgekartetes Spiel, um uns die Möglichkeit zu nehmen, rechtzeitig Rechtsmittel einzulegen.“
An abgekartetes Spiel, um uns die Möglichkeit zu nehmen, rechtzeitig Rechtsmittel einzulegen.
Für die Naturschützer steht fest: Ein kompletter Neubau sei unnötig und für die Gemeinde mit erheblichen Kosten und rechtlichen Risiken verbunden. „Wir hielten es für vernünftig, wenn sich die Gemeinde für die Sanierung entscheidet“, sagt Rita Poser. Größer wird der Beschneidungsteich dadurch aber nicht. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sehen die Naturschützer positiv: Denn schon im Eilverfahren hatte das Gericht dem Bund Naturschutz recht gegeben. (kp)

