Gemeinderat Bischofswiesen fordert mehr Daten
„Mega Maßnahme“ am Stöhrhaus? Warum der DAV um die Existenz der Schutzhütte fürchtet
Das Stöhrhaus ist ein beliebtes Ziel für Wanderer und Bergsteiger. Der Deutsche Alpenverein (DAV) will die langfristige Zukunft der Schutzhütte sichern, doch dafür wären massive Bauarbeiten am Untersberg notwendig. Deswegen wünscht sich der DAV zeitnah Planungssicherheit, doch der Gemeinderat Bischofswiesen fordert mehr Daten. In der Debatte werden zwei Lager innerhalb des Gremiums deutlich.
Bischofswiesen - Die umfangreiche Sanierung der Schutzhütte Stöhrhaus liegt nur wenige Jahre zurück. Schon damals wurde versucht, dem immer größer werdenden Andrang an Besuchern gerecht zu werden und die Zukunft des Gebäudes auf 1894 Metern Höhe zu sichern. Doch aufgrund von überbordenden Vorschriften und enormen Kostensteigerungen prognostizierte Beppo Maltan von der DAV Sektion Berchtesgaden bereits im Vorjahr: „In zehn Jahren wird es die Schutzhütten nicht mehr geben.“ Einen Vorgeschmack darauf lieferte die Debatte am Dienstagabend im Gemeinderat Bischofswiesen.
Die Erschließung des Stöhrhauses mit Wasser, Abwasser, Strom und Telekommunikation ist dem DAV-Vorsitzenden Maltan zufolge nur sehr dürftig beziehungsweise gar nicht vorhanden. „Besonders die Wasserknappheit wird immer mehr zum Problem. Wir müssen mittlerweile acht bis neun Mal im Jahr Wasser per Helikopter liefern lassen.“ Die Wirte der Hütte, die auf 1894 Metern Höhe liegt, hätten bereits sämtliche wassersparende Maßnahmen umgesetzt. Trotzdem waren die teuren Helikopter-Anlieferungen unausweichlich - obwohl die Wirte zeitweise sogar nur einmal in der Woche geduscht hätten. Aktuell sucht die Sektion neue Pächter für das Haus, nachdem es die letzten nur eine Saison auf dem Berg ausgehalten haben.
Aufwand für Anlagen zu groß
Ein noch größeres Problem am Stöhrhaus sei das Dachwasser, erklärte der Vorsitzende dem Gemeinderat. „Wenn es zu lange steht, wird eine Aufklärungsanlage benötigt, doch dafür ist der Aufwand zu groß. Und dann kommen noch Blüten- und Saharastaub hinzu, dafür braucht es Filteranlagen. Das ist keine langfristige Möglichkeit”, so Maltan. Er befürchtet den Druck und das Eingreifen des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein, denn auch beim Abwasser braucht es eine neue Infrastruktur. „Eine Kläranlage ist keine Option, auch hierfür ist der Aufwand wegen der Wartung zu groß.”
Hinzu kommt eine Stromversorgung mit Leitungen aus Zeiten der Wehrmacht, so der Vorsitzende. Durch die jährlichen Blitzeinschläge und dadurch verursachten Kosten drohten die Versicherungen bereits damit, nicht mehr zu zahlen.
Erste Machbarkeitstudie zeigt Ausmaß
Bei der ersten Vorstellung des Projektes durch Hannes Höglauer vom Ingenieur-Büro Dippold Gerold wurde deutlich: Die Maßnahmen sind mit massiven Eingriffen in die Bergwelt verbunden. Von der Siedlung Winkl sollen so weit wie möglich bestehende Wegenetze und die Stromtrasse ausgenutzt werden, um die Trasse in Richtung Störhaus zu führen. Eine erste Machbarkeitsstudie zu einem möglichen Trassenverlauf machte die Dimensionen deutlich: Auf 5,5 Kilometern Länge braucht es Leerrohre für die Breitbandversorgung, eine Wasserleitung mit zwei Pumpstationen, ein Schmutzwasserkanal mit fünf Schächten, einer Doppelpumpstation und einer Druckluftspülungsanlage sowie Stromkabel mit zwei Transformatoren.
Allein für die Schmutzwasserentsorgung werden die Kosten auf 2,4 Millionen Euro geschätzt, bei der Trinkwasserversorgung sind es 1,85 Millionen Euro. Um auf ein staatliches Förderprogramm, das eine Übernahme von bis zu 75 Prozent der Kosten verspricht, zugreifen zu können, braucht der DAV die Gemeinde Bischofswiesen. Diese muss die Trägerschaft übernehmen, sonst kann die Sektion nicht von dem bis 2027 laufenden Förderprogramm profitieren. Das Projekt soll für die Kommune kostenneutral ablaufen, das heißt die restlichen 25 Prozent steuert der DAV hinzu. Doch das war am Dienstagabend nicht das Problem des Gemeinderates, vielmehr ging es um das Ausmaß des Projektes.
PV-Anlagen reichen noch aus
So meinte Thomas Resch: „Der Druck des DAV aufgrund des zeitlich begrenzten Förderprogramms ist verständlich. Doch ich frage mich, ob die Verhältnismäßigkeit stimmt.” Er wollte von Maltan wissen, inwiefern der Stromverlust der alten Kupferleitungen - etwa ein Drittel geht verloren - den Betrieb gefährde. „Dank der PV-Anlagen ist das noch nicht der Fall”, entgegnete der Sektionsleiter. Die Frage von Resch, ob Zisternen im Bereich der Schutzhütte eine Möglichkeit wären, dem Wassermangel entgegenzuwirken, verneinte Maltan. „Die Probleme bleiben die gleichen.”
Wird die Gesamt-Ökobilanz wirklich verbessert?
Auch Hans Metzenleitner äußerte Verständnis, das Interesse des DAV sei berechtigt. „Schutzhütten waren schon immer Problemkinder. Doch die Wirtschaftlichkeit und der Fortbestand des Stöhrhauses gegenüber den massiven Eingriffen in die Natur müssen sehr gut abgewogen werden. Wir brauchen mehr belastbare Daten”, forderte der Gemeinderat. Das Gremium könne der Trägerschaft nicht blauäugig einfach so zustimmen. „Wird die Gesamt-Ökobilanz wirklich verbessert? Das wäre wichtig zu wissen, um eine Vergleichsbasis zu haben und herauszufinden, ob man sich dadurch die Helikopter-Flüge erspart.”
„Es geht um eine Schutzhütte und kein Hotel“
Während also ein Teil des Gemeinderats mehr Fakten forderte, machte ein Mitglied aus seiner Ablehnung dieses Projektes keinen Hehl. „Es geht um eine Schutzhütte und um kein Hotel. Die Besucher haben keinen Anspruch auf solche Wassermengen und Möglichkeiten vor Ort”, betonte Paul Grafwallner. Er befürchte, dass durch die Bau- und Wartungsarbeiten der Charme der alpinen Wanderwege verloren geht. Außerdem gelte es, den Besucherandrang zu managen. „Niemand will Massenwanderungen und genau das droht, wenn nach der Erschließung die Menschen nur noch mit einer Wasserflasche im Gepäck auf den Berg wandern. Da wird noch mehr los sein”, ist sich Grafwallner sicher.
Für eine weittragende Entscheidung wie diese forderte er mehr Zeit, „es wird noch mehr ökologische Untersuchungen geben müssen”. Doch für ihn ist schon jetzt klar dafür zu plädieren, diese „Mega-Maßnahme” als Gemeinde nicht zu unterstützen. Er sehe die Verhältnismäßigkeit des Projektes nicht gegeben, sondern eher das wirtschaftliche Interesse, das Defizit am Stöhrhaus auszugleichen. Daher solle schnellstmöglich eine Entscheidung getroffen werden, damit der DAV anderweitig planen könne. Auch Bürgermeister Thomas Weber betonte, dass es an diesem Abend ohnehin nicht um eine Entscheidung geht, sondern nur eine erste Information über das Thema. „Das kann nicht in eineinhalb Stunden entschieden werden, das ist allen Beteiligten klar.”
Verständnis für Bedenken
Für die meisten Bedenken des Gemeinderates zeigte Beppo Maltan von der DAV Sektion Verständnis und versuchte, noch einmal die Dringlichkeit des Projektes sowie die möglichen Folgen bei einer Ablehnung der Trägerschaft zu verdeutlichen. Denn ohne die Zustimmung der Gemeinde werde man die Infrastrukturpläne nicht weiter verfolgen und eine andere Richtung einschlagen. Maltan: „Wir wollen uns nicht den Vorwurf machen lassen, dass wir nicht alle Optionen wahrgenommen haben. Entweder wird das Stöhrhaus langfristig zur Selbstversorgerhütte oder es muss im schlimmsten Fall komplett geschlossen werden.”

