Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Vorsicht bei der Wahl des Antibiotikums

Viele Mykoplasmen-Infektionen bei Kindern im BGL - worauf Eltern achten müssen

Mykoplasmen-Infektionen treffen häufig auch Kinder.
+
Mykoplasmen-Infektionen treffen häufig Kinder.

Im Laufe des elterlichen Daseins wird man ja mit allen möglichen Infekten konfrontiert. Und auch hier gilt die Devise „öfter mal was Neues“. Waren es direkt nach der Pandemie noch RS-Viren, sind gerade sie angesagt: Mykoplasmen. Auch im Berchtesgadener Land verzeichnen Kinderärzte viele Fälle. Was es mit den Bakterien auf sich hat und warum man besonders bei der Wahl des Antibiotikums aufpassen sollte. Ein Erfahrungsbericht.

Berchtesgadener Land – Atemwegsinfekte kommen und gehen, vor allem bei Kindern. Daher mache ich mir auch nicht viele Gedanken, als mein Jüngster mal wieder hustet. Hinzukommende Ohrenschmerzen zwingen uns ein paar Tage später aber dann doch zum Arzt. Der greift sofort in die Schublade und holt einen Test hervor. Sein Verdacht: Mykoplasmen, denn die würden gerade extrem kursieren. Fast jeder der kleinen Patienten habe entsprechende Symptome, sagt er.

Nasen- und Rachenabstrich inklusive kurzem Würgen – kennen wir ja noch von Corona. Am nächsten Tag ist das positive Ergebnis da. Ohrentropfen genügen bei meinem Sohn. Der Infekt verläuft bei ihm - wie bei vielen anderen Kindern - recht mild und heilt schnell aus.

Mycoplasma pneumoniae ist ein Bakterium, das Atemwegsinfektionen verursacht, insbesondere eine leichte bis mittelschwere Lungenentzündung, bekannt als „atypische Lungenentzündung“ oder „Walking Pneumonia.“ Es ist besonders bei Kindern und jungen Erwachsenen verbreitet und breitet sich leicht über Tröpfcheninfektion aus, etwa durch Husten oder Niesen. Typische Symptome sind Husten, Fieber, Hals- und Kopfschmerzen.

„Hoffentlich hat der Arzt das richtige Antibiotikum verschrieben“

Anders bei meinem Älteren. Den erwischt es zwei Wochen später – Mykoplasmen haben eine Inkubationszeit von bis zu drei Wochen – mitten im Kroatien-Urlaub. Doch bei ihm wird der Husten plötzlich sehr heftig, hinzu kommt erhöhte Temperatur. Zum Glück gibt es in der örtlichen Klinik einen deutschen Arzt, der ein Röntgenbild der Lunge macht. Die erschreckende Diagnose: Lungenentzündung. Mein Sohn bekommt ein Rezept für ein Antibiotikum (Amoxicillin), mit dem es eigentlich schnell aufwärts gehen sollte.

Doch sein Zustand verschlechtert sich weiter. Zurück im Berchtesgadener Land geht es gleich zur Kinderärztin. Nachdem ich ihr die Geschichte geschildert habe, meint sie: „Na, hoffentlich hat der Arzt das richtige Antibiotikum verschrieben.“ Ein Blick von ihr auf die Medikamentenverpackung und es ist klar, dass es das falsche ist. Mein Sohn bekommt nun die passende Arznei (Clarithromycin) verschrieben und nach gut einer Woche ist der Spuk endlich vorbei.

Welche Antibiotika gegen Mykoplasmen wirken – und welche nicht

Bei einer Lungenentzündung werden am häufigsten Antibiotika der Gruppe der Penicilline und Cephalosporine verschrieben. Diese zerstören die Bakterienzellwand. Sie wirken aber nicht gegen Mykoplasmen.

„Mykoplasmen sind so ziemlich die kleinsten Bakterien, die wir kennen. Sie haben keine Zellwand. Das heißt, man kann keine Antibiotika verwenden, die Löcher in die Zellwand machen und muss daher welche nehmen, die die Bakterien direkt hemmen“, erklärt Dr. Fabian Seibert, Sprecher des Apothekerverbands Berchtesgadener Land. Auch er beobachtet in seiner Apotheke in Teisendorf einen Anstieg der Infektionen mit Mykoplasmen. Gegen Mykoplasmen wird in der Regel ein Makrolid-Antibiotikum, zum Beispiel Clarithromycin, verschrieben.

Lieferengpässe bei Clarithromycin-Säften

Doch hier taucht für Eltern kleiner Kinder ein neues, aktuelles Problem auf. Wie so viele andere Medikamente sind auch diese Antibiotika in Form von Säften zur Zeit nur schwer lieferbar. „Wir haben sehr viel Arbeit reingesteckt, dass wir es möglich machen, unsere kleinen Patienten trotzdem zu versorgen“, sagt Seibert. „Säfte können wir nur teilweise aus dem Ausland importieren. Tabletten kann man bis zu einem gewissen Alter nach unten geben, wenn das Kind sie schlucken kann und die Dosierung passt.“

Zudem bestehe die Möglichkeit, die Tabletten mit einem Überzug als Schluckhilfe zu versehen. „Die Tabletten mancher Hersteller dürfen laut Fachinformation gemörsert und suspendiert werden. Hier ist allerdings der Fachmann gefragt, da dies nicht für alle Wirkstoffe aller Hersteller möglich ist.“ Es müsse im Einzelfall beurteilt werden, ob der Wirkstoff gegenüber Licht, Feuchtigkeit und Magensäure stabil ist.

Die Mykoplasmen-Infektionswelle könnte mit Corona zusammenhängen

Die Zahl der durch Mykoplasmen ausgelösten Lungenentzündungen nimmt derzeit weltweit zu. Das Gesundheitsamt kann jedoch keine verlässlichen Zahlen zur Häufung im Landkreis Berchtesgadener Land liefern, da Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae nicht meldepflichtig sind (in Deutschland besteht lediglich in Sachsen Meldepflicht). „Internationale Studien belegen aber, dass die Zahlen nach der Corona-Pandemie ähnlich wie bei vielen anderen Infektionskrankheiten wieder sprunghaft auf das Vorpandemieniveau und zum Teil deutlich darüber hinaus angestiegen sind.“

Grund sei eine effektive Erregerkarenz über die Zeit der Pandemie, die damit aber auch zu einer Lücke in unserer spezifischen Immunabwehr geführt habe, die nun wieder in kurzer Zeit aufgefüllt werde, schreibt das Gesundheitsamt auf Anfrage. „Dass die Infektionszahlen bei den Mykoplasmen erst jetzt steigen, könnte laut der Fachzeitschrift „Lancet“ daran liegen, dass das Bakterium langsamer wachse, eine längere Inkubationszeit aufweise und weniger ansteckend sei als andere bekannte Atemwegserreger.“

Unterscheidungsmerkmale zu anderen Bakterien, die Atemwegsinfekte verursachen

Die derzeitige Infektionswelle bei den Erkältungskrankheiten kommt für das Gesundheitsamt nicht überraschend, schließlich ist es auch die Zeit der großen Volksfeste. „Allerdings sind wir neben den bisherigen Influenzaviren (hier kommt die Welle in der Regel aber nicht vor Dezember) nun auch mit den bereits im Sommer sehr aktiven Coronaviren als auch den sonstigen Infektionen konfrontiert, die durch die Hygienemaßnahmen über drei Jahre Pandemie als Nebeneffekt aufgeschoben wurden.“ Je nach Gesundheitssituation bestehe hier die Möglichkeit, sich gegen die Erreger impfen zu lassen, die besonders in den Herbst- und Wintermonaten auftreten: Corona, Influenza, Pneumokokken, Keuchhusten. Zudem sei es sinnvoll, die bekannten Hygieneregeln einzuhalten.

Zur Unterscheidung von Mykoplasmen von den meisten anderen Bakterien, die Atemwegsinfektionen hervorrufen, nennt das Gesundheitsamt folgende Merkmale:

  • Ihnen fehlt die sonst für Zellen typische Zellwand (daher auch atypische Erreger genannt).
  • Eine Mykoplasmeninfektion verläuft schleichender als die meisten anderen bakteriellen Atemwegsinfektionen und weniger „spektakulär“ (Fieber eher moderat, Husten eher trocken und unspezifisch), für den Laien zu erkennende mykoplasmenspezifische Merkmale fehlen jedoch. Zeichnet sich nach drei bis vier Tagen keine Besserungstendenz ab, sollte eine ärztliche Konsultation erwogen werden. In jedem Falle aber bei schlechtem Allgemeinzustand oder Atemproblemen.
  • Eine Mykoplasmen-Lungenentzündung fällt beim Arzt seltener durch Rasselgeräusche auf der Lunge auf, als durch ein über der gesamten Lunge scharf klingendes Atemgeräusch, da vor allem ein Schleimhautödem in den mittleren und kleinen Bronchien im Vordergrund steht. Dies kann dem erfahrenen Arzt einen deutlichen Hinweis auf eine Mykoplasmeninfektion geben und die Wahl des Antibiotikums erleichtern. Bei der Diagnostik kann im Zweifelsfall eine venöse Blutentnahme zur Molekulardiagnostik vorgenommen werden. Eine direkt in der Praxis bestimmte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) kann bei hohen Werten den Verdacht erhärten und die Therapieentscheidung erleichtern.
  • Mykoplasmeninfektionen bleiben aus verschiedensten Gründen oft unentdeckt und können wie viele andere Infektionen auch unbehandelt abklingen, es besteht jedoch auch das Potenzial für schwere Verläufe.

Infektionswellen mit Mycoplasma pneumoniae treten laut Apotheken-Umschau zyklisch, nämlich alle drei bis sieben Jahre, auf. Im Moment werde davon ausgegangen, dass die Welle in den nächsten Monaten wieder langsam abebbt. Für manche Eltern vielleicht nur ein schwacher Trost, aber die aktuelle Welle könne man auch als „Trainingscamp fürs Immunsystem“ sehen, heißt es in der Publikation. (mf)

Kommentare