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Am Rande des Bayerischen Outdoor Filmfestivals in Berchtesgaden spricht Thomas Huber darüber, wie sein jüngstes Buch „In den Bergen ist Freiheit - Ein wildes Leben“ entstanden ist, welche Lektionen ihn die Berge lehrten und warum es künftig schwieriger werden könnte, in den Alpen noch unberührte Natur zu finden. Außerdem sieht der ältere der beiden Huberbuam einen Zusammenhang zwischen den vielen Unfällen der vergangenen Jahre in den Bergen und Social Media.
Berchtesgaden - Zu zwei Drittel war das Berchtesgadener Kino am Donnerstagabend gefüllt, als das Bayerische Outdoor Filmfestival (BOFF) startete. Neben den anderen Filmbeiträgen war es vor allem eine Person, die für viele Besucher sicherlich der Hauptgrund des Besuchs gewesen sein dürfte: Thomas Huber war zu Gast. Zum Hauptfilm „Huberbuam - die Seilschaft“ lieferte er einige persönliche Anekdoten und trug auch ein paar Zeilen aus seinem Buch vor. BGLand24 hatte während des Festivals die Gelegenheit, exklusiv mit ihm ein Interview zu führen.
Wie kam es dazu, dass du beim BOFF auftrittst und aus deinem Buch vorliest?
Der Andi (Andreas Prielmaier, Gründer des Formats) ist ein guter Freund geworden. Als klar war, dass er hierherkommt und unseren Film zeigt, war es für mich und meinen Bruder selbstverständlich, dass einer von uns vor Ort ist. Das Buch ist seit einem Jahr draußen und mir macht das auch irgendwo Spaß, daraus vorzulesen und Geschichten zu erzählen. Wenn man sich unseren Film „Huberbuam - Die Seilschaft“ beim BOFF anschaut, dann ist das schon eine Leistungsschau. Wir haben das gemacht, haben jenes gemacht, dann haben wir wieder das gemacht und und und: Davon bin ich mittlerweile herausgewachsen und emanzipiert. Bergsteigerisch bin ich einfach erwachsen geworden.
Wie meinst du das?
Heute erzähle ich nur noch das, was die Berge aus mir gemacht haben, was zum Beispiel eine Eternal Flame (Route am Trango Tower in Pakistan) mit mir als Mensch gemacht hat. Und das trage ich dann über diese Bühne nach außen, weil ich definitiv sage: Diese Berge haben eine so unfassbare Kraft, die haben mich so vieles gelehrt und das möchte ich auch teilen. Es braucht Botschaften, weil wir alle müssen uns mehr und mehr in der Gemeinschaft zusammen helfen, damit wir die Welt zu einer besseren machen können. Wir können das, aber wir müssen es wollen. Das hilft uns nicht, auf die Straße zu gehen, zu demonstrieren oder irgendwas zu machen. Eigentlich müssen wir vielmehr miteinander den Weg gehen, und zwar dafür, Dinge positiv nach vorne zu bringen.
Draußen sein, Erlebnisse teilen, Freundschaft beschließen, Spaß haben: So lautet das Motto des Filmfestivals. Du und dein Bruder, ihr könnt euch damit ganz gut anfreunden, oder?
Definitiv! Spaß haben, aber vor allem Teil der Natur zu werden, die Natur zu verstehen. Und diese Gemeinschaft einzugehen, mit Mensch und Natur, mit dem ganzen Ökosystem. Das ist auch Gemeinschaft, das ist auch Freundschaft, denn wir schließen Freundschaft mit dem Berg, mit dem Fels, mit dem Eis, mit dem Wind, um ein Teil davon zu werden. Das Bergsteigen gibt dir so viele Möglichkeiten. Und solche Festivals bringen eigentlich genau diese Welt den Zuschauern wieder näher, praktisch ins Wohnzimmer. Viele gehen aber nach so einem Filmabend nach Hause und sagen: Morgen muss ich wieder früh raus. Ich sage: Sieh die Welt vielleicht ein bisschen anders, schöner. Es liegt an mir, wie schön ich die Welt mache.
Was sind für dich die größten und wichtigsten Erkenntnisse aus deiner Kletterkarriere?
Das Schreiben über mein Leben, diese Rückschau darauf und die intensive Auseinandersetzung damit, das fühlte sich wie eine riesige Wand an. Wie eine Latok-1-Nordwand in Pakistan, mit der ich die ersten Seiten meines Buches beginne. Das ist eine irrsinnige Erfahrung, weil du aus deiner Seele schreibst. Das muss man selbst aufschreiben, ungefiltert, denn ich habe diese Natur berührt, den Baum, den Felsen. Ich habe das erlebt und das ist es, was ich auf Papier bringe, was mir wirklich wichtig ist. Da habe ich so viel gelernt.
Irgendwann habe ich an einer Kante gestanden oder vor einer Wand und mich gefragt, warum ich das eigentlich mache. Es geht ja immer nur darum, dass du ein Häkchen dahinter machst. Alexander hat einen ganz bezeichnenden Satz gesagt: Du bist unfrei, und erst wenn du am Gipfel ganz oben bist, bist du wieder frei. Aber du bist auch da nicht frei, wenn du das nur machst, um dein Ego zu untermauern und du dir sagst: Jetzt habe ich wieder was ganz Tolles gemacht. Wenn man so denkt, wird man nie so richtig frei sein.
Frei bist du erst, wenn dir der Ausgang eines Abenteuers vollkommen egal ist und du in den Bergen diese unglaubliche Kraft und Natur spürst. Dann musst du nicht mehr etwas schaffen müssen, sondern du darfst zum Beispiel einer dieser geilen Linien klettern, die du in deinen Gedanken schon lange herumträgst. Das kann auch überall sein, an den kleinsten Bergen in der Heimat und auch an den steilsten Türmen irgendwo draußen in der Welt.
Ihr klettert schon sehr lange und habt vieles erlebt. Was würdest du sagen, an welchem Punkt in der Karriere befindet ihr euch gerade?
Wir stehen kurz vor der professionellen Rente, wenn man so will, denn wir sind schon Mitte 50. Aber dennoch sehe ich uns als Vorbilder für viele, dass man auch im Alter, wenn man sich fit hält, noch Großes leisten kann. Manche geben sich mit dem Alter schon geschlagen. Natürlich, das tut immer weh, wenn alles irgendwo zackert, die Gelenke schmerzen, dem einen tut das Knie weh, der andere hat’s schon an der Hüfte. Ich muss aber sagen, uns geht es dahingehend gut und nach wie vor steckt diese kindliche Neugierde in uns, Neues zu erfahren und zu erleben, in Länder zu reisen und Abenteuer zu bestehen. Und mich wundert es dann teilweise selber, wenn wir sagen: Wir sind Mitte 50 und mit dem Klettern ist es immer noch was. Vielleicht auch deswegen, weil es einfach noch richtig Spaß macht.
Empfindet ihr als Ikonen und Botschafter der Kletterwelt eine gewisse Last und Verantwortung?
Es ist natürlich auch eine Verantwortung, aber wir tragen so eine rebellische Verantwortung in uns. Ich bin eigentlich sehr frech, dass ich einfach sage: Lasst euch bloß nichts gefallen, geht den Weg und seid nicht bitte nicht so angepasst, so gesellschaftskonform. Geht mutig den Weg, den ihr in euren Herzen spürt. Das ist diese Verantwortung, die ich für mich selber trage, und das ist das, was ich wahnsinnig gern weitergeben möchte.
Welche Ziele hast du dir für die nächste Zeit gesteckt?
Ich fahre bald nach Patagonien, werde am Untersberg, an dem ich im Herbst gerettet wurde, meine Route „Meisterstückl“ fertig klettern und mit meinem Hund Torre unterwegs sein. Ich werde zum Latok 1 nach Pakistan fahren und habe noch immer so viele Ziele und Projekte. Aber ich sage auch: Das Leben schreibt immer eine andere Geschichte, wie ich gelernt habe. Darauf muss man sich einlassen. Man hat Ziele, denen man nachgeht, aber das muss nicht immer so geradlinig ablaufen. Aber um dem Freiheitsgedanken treu zu bleiben: Ich hoffe, dass ich noch eine Zeit lang gesund und fit bleibe. Dann darf ich noch die ein oder andere „perfekte” Linie in meinen Leben erleben.
Kommen wir da nicht in die Richtung, dass man sich durch diese Ziele zu sehr einengt? Weil man sich dadurch die Freiheit nimmt und glaubt, man muss das erreichen?
Genau das habe ich gelernt: All diese Träume, diese geilen Linien beengen nicht mehr meine Freiheit, denn ich muss nicht. Ich muss gar nichts, ich darf. Heute sage ich wirklich, ich darf nach Patagonien. Was ich dann in diesem Land der Stürme alles erleben darf, wird sich zeigen. Und diese Freiheit leben zu dürfen, das finde ich so schön, das ist ein Geschenk. Und wenn das Wetter einen Monat lang schlecht ist und ich wieder nach Hause fahre, dann wird es auch auf eine gewisse Arte richtig geil gewesen sein.
Wie kamst du darauf, ein Buch zu schreiben?
Alexander war beim Schreiben viel fleißiger als ich. Vielleicht, weil es mich nicht so sehr interessierte und weil ich meine Zeit viel mehr den Dingen widmen wollte, die mich interessierten: Dieses verrückte, steile Leben zu leben. Viel lieber erzählte ich diese Geschichten auf der Bühne, als sie aufzuschreiben. Aber immer mehr Leute haben mich im Anschluss eines Vortrages angesprochen, dass ich genau diese Geschichten endlich mal aufschreiben sollte. Und dann kam die Pandemie und mir wurde schnell klar: wenn nicht jetzt, wann dann? Da hatte ich die Zeit dazu.
Fiel es dir schwer, dich zu offenbaren und deine Leben so offenzulegen?
Ich muss immer aufpassen, dass ich nicht zu viel schreibe, denn ich bin sehr authentisch. Wenn ich mal schreibe, dann schreibe ich, und manchmal auch zu sehr darüber, was mein Herz berührt. Das musste ich im Nachgang nochmal filtern, denn es muss nicht jeder, der das Buch liest, alles von mir wissen. Das, was du schreibst, ist dein Leben, deine Seele, und du kannst nichts verstecken. Wenn du etwas verstecken musst, dann ist irgendwas nicht richtig. Und es ist auch nicht richtig, immer nur die Schokoladenseite dieses Lebens zu zeigen, denn es gibt auch immer eine andere Seite.
Wie würdest du dein heutiges Ich mit deinem 30 Jahre jüngeren Ich vergleichen? Was hat sich im Alter verändert?
Ich habe einen anderen Erfahrungsschatz und dadurch konnte ich sehr viel kompensieren. Aber das Alter bringt natürlich mit sich, dass der Stoffwechsel langsamer wird und ich nicht mehr so viel trainieren kann. Die Krux dabei ist nicht das Training, sondern die Regeneration. Früher habe ich zwei, drei Trainingseinheiten gemacht und einen Tag Pause. Jetzt brauche ich pro Einheit einen Tag zum Regenerieren. Und der Trainingsumfang ist meistens auch das Leistungsniveau.
Hast du Angst davor, dass dich das Alter irgendwann zum Karriereende zwingt?
Nein, davor fürchte ich mich nicht. Ich bin so alt, wie ich bin. Und wenn es dann einmal nicht mehr so gut geht, dann mache ich irgendwas anderes. Ich möchte einfach nur meine kindliche Neugierde und die Auseinandersetzung mit der Natur leben dürfen. Ich habe noch so viele Ideen, die gar nicht mal so viel mit dem Klettern zu tun haben. Deswegen finde ich das auch so cool, was der Andi macht: Der haut sich auf sein Stand-up-Paddle und legt einfach los, radelt durch die Natur oder macht etwas anderes. Das finde ich cool, denn da draußen sind einem keine Grenzen gesetzt. Die Grenze bist nur du in deinem eigenen Denken.
Wenn du auf die nachkommenden Kletter-Generationen blickst: Bemerkst du einen Unterschied im Vergleich zu deinen Anfängen?
Das ist ein Riesenunterschied. Heute gibt es überall Kletter- und Trainingsmöglichkeiten. Alexander und ich haben uns die künstliche Kletterwand praktisch erst erfinden müssen. Aus der Not schraubten wir einfach Holzleisten an die Kellerwand, bauten aus einer Bretterwand einen Überhang und fertig war die erste Boulderwand für uns. Heute haben die Jungen, vor allem die Kinder, so viel mehr Möglichkeiten, zum Beispiel bei den Alpenvereinen. Die klettern im Alter von sieben oder achten Jahren Routen, die wir mit 15 oder 16 erst geklettert sind.
In einigen Filmbeiträgen beim BOFF geht es auch um die unberührte Natur. Wenn du auf unsere Region blickst: Gibt es da noch Orte, wo die Natur wirklich unberührt ist?
Das Wichtigste ist erst einmal: Geh in die Natur heraus und versuche, so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen. Dann hat derjenige, der nach dir kommt, dieselben Möglichkeiten, der Natur so zu begegnen wie du. Das ist natürlich sehr schwierig und es kommen immer mehr Massen in die Berge. Mittlerweile wird vielen klar, dass es hier den attraktivsten Erholungsraum gibt. Wenn wir die Veränderungen der globalen Temperaturen und den Klimawandel betrachten, stellen wir fest, dass man es auf Mallorca, in Ägypten, Marokko oder der Türkei kaum noch aushält, weil es dort immer heißer wird. Und der Kühlschrank Europas sind die Alpen. Es kommen immer mehr Menschen, die einfach sagen: Im Sommer fahren wir lieber in die Berge. Und dann wird es hier einfach eng, weil so viele Menschen unterwegs sind.
Als Bergsteiger und Kletterer haben wir schon noch Möglichkeiten, denn wir können, wenn wir wollen, dorthin gehen und klettern, wo noch nie ein Mensch war. In diesen Moment sprechen wir dann von einer Erstbegehung. Wenn du die Route am Fuße des Berges oder der Wand betrachtest, mit deinen Leuten, ein Bier trinkst, und dann eine Linie siehst. Wenn du dann anfängst mit dem Bauen, du den Dreck aus dem Felsloch herausputzt, einen Haken einbohrst und dann anfängst zu klettern, wo noch nie zuvor ein Mensch war. Diese Momente sind einfach faszinierend.
Ende Oktober hattest du beim Klettern am Untersberg einen Unfall, der noch relativ glimpflich ausging. Du warst dir damals im Nachhinein nicht sicher, ob du dir damals nicht zu viel Druck gemacht hast, weil beste Bedingungen herrschten und sich das Wetter bald ändern könnte. Wie stehst du heute dazu?
Das war einfach Pech, und in diesem Pech hatte ich unfassbares Glück, dass ich überlebt habe. Wenn mein anderer Griff auch noch gewackelt hätte, wäre ich heute nicht mehr hier.
Eine Erfahrung, die vermutlich zum Extremklettern dazu gehört, oder?
Ja, so wie es eben Reinhold Messner immer sagt: Wir gehen dorthin, wo man mit einem einzigen Fehler umkommen kann. Aber dein Können und Gespür werden dich überleben lassen. Glück gehört natürlich auch dazu. Man weiß ja auch gar nicht, wie oft und wie knapp man an solchen Momenten vorbeigerauscht ist. Ich hatte einfach nur Glück und bin dankbar dafür, dass alles gut gegangen ist.
Stichwort Unfälle: Die Bergwacht hat auch 2023 wieder viele tödliche Unfälle verzeichnet. Mehr als im Vorjahr, aber weniger als im Rekordjahr 2021, als es durch Corona einen regelrechten Ansturm auf die Berge gab. Wohin soll das noch führen?
Das Problem ist natürlich, dass sich jeder selbst inszenieren will, gepushed durch Social Media. Da wird auch so viel Druck erzeugt, dass man nur als jemand gilt, wenn man wirklich ein cooler Hund ist. Das ist nicht die wirkliche Welt. Die wirkliche Welt bist du: dass du der Natur begegnest und nicht, dass du das geilste, beste, wildeste und tollste Bild machst. Erlebe die Natur, gehe Schritt für Schritt und verstehe ihre Sprache. Das ist auch genau das, was ich auf meinen Vorträgen den Zuhörern vermitteln möchte. Erfolgreich oder gut unterwegs ist man erst dann, wenn man die Sprache seines Umfeldes versteht. Als Banker musst du die Sprache des Geldes verstehen und als Bergsteiger, Kletterer oder Wanderer musst du die Sprache und Anforderungen der Berge verstehen. Der Berg spricht mit dir, daran glaube ich. Und du darfst den Berg nie ignorieren, die Natur wird immer stärker sein und dich ordentlich abwatschen.