Gemeinde will den Zugang dauerhaft sichern
Hakenkreuz-Schmiererei in NS-Stollen beim Berchtesgadener Bahnhof entdeckt - „Völlig inakzeptabel“
Eigentlich sollte die Metalltür, die in den ehemaligen NS-Stollen beim Bahnhof in Berchtesgaden führt, verschlossen sein. Doch weil sie das eben nicht war, nutzte jemand die Gelegenheit und schmierte ein Hakenkreuz in den Gang. Sven Keller von der Dokumentation geht von Absicht aus, die Gemeinde will handeln.
Berchtesgaden - Die Tür steht offen. Nicht einladend, sondern achtlos. Wenige Meter vom Bahnhof entfernt führt ein unscheinbarer Zugang neben dem Bavaria-Parkplatz in Berchtesgaden in einen kleinen ehemaligen NS-Stollen. Der rund zehn Meter lange Gang endet in zwei abzweigenden Räumen, voll gestellt mit alten Regalen, Kanistern und Gerümpel. Auf der Rückwand des Stollens: ein übergroßes, weißes Hakenkreuz - provokant aufgetragen.
„Wer Hakenkreuze an Wände pinselt, macht sich aus guten Gründen strafbar“, sagt Dr. Sven Keller, Leiter der Dokumentation Obersalzberg beim Institut für Zeitgeschichte München. Der Begriff „Schmiererei“ sei da noch verharmlosend. „Derjenige, der das macht, weiß in aller Regel, was er tut und welche Gesinnung er damit plakatiert“, ist sich Keller sicher.
Symbol soll umgehend entfernt werden
Die Metalltür, eingelassen in schweren Fels und zugewuchert mit Pflanzen, hätte eigentlich verschlossen sein sollen. Dass sie es nicht war, habe man beim Markt Berchtesgaden nicht gewusst, sagt Marktbaumeister Peter Hasenknopf auf Nachfrage: „Dass dort ein Hakenkreuz angebracht wurde, ist natürlich völlig inakzeptabel.“ Man werde das Symbol umgehend entfernen und den Zugang sichern lassen, sagt er. Auch werde geprüft, ob zusätzliche Maßnahmen nötig sind, um vergleichbare Vorfälle künftig zu verhindern.
Für Historiker wie Keller ist der Vorfall Teil einer größeren Problematik. Hakenkreuz-Schmierereien haben in der Bundesrepublik eine lange Tradition. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die sich immer wieder neu an konkreten Orten zeigt“, sagt er. Dass der Stollen nur wenige Gehminuten vom Obersalzberg entfernt liegt, macht den Fund eine Spur brisanter. Dort residierte einst Adolf Hitler. Orte wie Berchtesgaden seien für bestimmte Leute offenbar besonders reizvoll. „Vermutlich erwarten sie sich eine größere Aufmerksamkeit und mediales Skandalpotenzial“, so Keller. Die Frage sei, ob man genau diesem Kalkül ungewollt Vorschub leiste.
Entschlossen, aber nicht übertrieben reagieren
Dennoch betont Keller: „Ich sehe nicht, dass das ein spezifisches Berchtesgadener Problem ist. Ein Hakenkreuz ist ein Hakenkreuz - es ist nicht ortsabhängig in seiner menschenverachtenden Bedeutung.“ Wichtig sei eine entschlossene, aber nicht „überhitzte“ Reaktion: Anzeige, Entfernung, keine Bühne. Wer laut skandalisiert, wird leicht zum Erfüllungsgehilfen der Täter.
Dass der Stollen leicht zugänglich ist - verborgen, feucht, vernachlässigt - spielt dabei eine Rolle. „Gerade an solchen Orten muss man Taten ernst nehmen, ohne in Provokationsstrategien hineinzufallen“, sagt Keller. Täter würden gezielt solche Orte wählen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen - gerade dort, wo historische Bedeutung mitschwingt.
Nie fertiggestellte Bahntunnel
Was tun mit solchen Relikten? Einige fordern, sie baulich zu tilgen. Andere wollen sie historisch einordnen. Keine Bühne für Täter. Vorbildlich sei der Umgang dann, wenn Symbole schnell entfernt werden, ohne großes Aufsehen - nicht, um etwas zu vertuschen, sondern um Propagandaerfolge zu verhindern. Dafür brauche es nicht nur handlungsfähige Behörden, sondern auch eine wachsame Zivilgesellschaft.
Dass es sich um einen historischen Ort handelt, ist bekannt. Bereits 2022 hatte die Dokumentation Obersalzberg auf das Areal hingewiesen - ein nie fertiggestellter Bahntunnel aus der NS-Zeit findet sich in der Nähe. Heute wirkt er wie ein Depot des Vergessens und wird als Lagerplatz verwendet.
Auch Bevölkerung gefragt
Die Gemeinde will den Zugang nun dauerhaft sichern, heißt es auf Nachfrage. Wie lange das Symbol bereits an der Wand war, ist unklar. Doch für Keller steht fest: „Es braucht eine schnelle Reaktion der zuständigen Stellen.“ Und immerzu Menschen, die solche unerwünschten, verfassungsfeindlichen Symbole auch jederzeit melden.
Berchtesgaden spielte im Nationalsozialismus eine zentrale Rolle als Rückzugs- und Repräsentationsort Adolf Hitlers. Auf dem nahegelegenen Obersalzberg ließ er seinen Berghof errichten, zahlreiche NS-Größen folgten mit eigenen Anwesen. Das Gebiet wurde zu einer abgeschirmten Machtzentrale des Regimes ausgebaut - mit Bunkern, Straßen und Planungen für weitere Bauten. Auch die Kinder der Familien spielten eine wichtige Rolle.
Bis heute ist der Ort durch diese Vergangenheit geprägt, was Fragen nach Erinnerungskultur und dem Umgang mit Relikten der NS-Zeit besonders drängend macht. (kp)


