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„Vorschlaghammer“ und „nicht einfach“

50-Jahr-Feier des Bund Naturschutz in Berchtesgaden: Rüffel für harte Worte des Bürgermeisters

Eine Seilbahn bis zum Watzmannhaus? Ende der 1960er-Jahre sollte das Realität werden. Der Widerstand des Naturschutzes war damals aber zu groß – darauf ging auch Prof. Dr. Hubert Weigert (r.) in seiner flammenden Rede ein.
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Eine Seilbahn bis zum Watzmannhaus? Ende der 1960er-Jahre sollte das Realität werden. Der Widerstand des Naturschutzes war damals aber zu groß – darauf ging auch Prof. Dr. Hubert Weigert (r.) in seiner flammenden Rede ein.

Den Raum für schmeichelnde Glückwünsche hat sich Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp bei der 50-Jahr-Feier des Bund Naturschutz gespart. Statt mit der „Nagelfeile” würden die Naturschützer bei jedem größeren Projekt mit dem „Vorschlaghammer” vorgehen. Mit der Antwort des Ehrenvorsitzenden hatte der Gemeindechef allerdings nicht gerechnet. 

Berchtesgaden – „Ich werte das nicht”, sagte Franz Rasp als er seine Worte kundgetan hatte und noch drei Bitten vortrug, an denen sich nicht nur der Bund Naturschutz (BN) orientieren solle, sondern alle Beteiligten („Hören wir auf, vom Kampf an verschiedenen Fronten zu sprechen.”). Gut gemeint waren Rasps Worte – vielleicht. Allerdings: Die Balance stimmte in den Augen so mancher Beteiligter nicht.

„Der Bund Naturschutz ist wichtig”, sagte Rasp, „aber nicht einfach.” Er wolle die Hand reichen, um gemeinsam zu diskutieren. Aus Zeichen des Dankes zum halben Jahrhundert schenkte Rasp den Naturschützern eine Linde, die im Luitpoldpark gepflanzt wird – „für frische Luft und als Schattenspender”, sagte Rasp. Die vielen Bäume des Ortes, für deren Erhalt sich der Bund Naturschutz eingesetzt hatte, wird das nicht mehr retten.  

BN-Ehrenvorsitzender rüffelt Berchtesgadens Bürgermeister

Zu diesem Zeitpunkt scharrte Hubert Weigert in der ersten Reihe bereits mit den Hufen. Weigert war von 2007 bis 2019 Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland. 16 Jahre lang war er zudem Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern. Weigert gilt als rhetorisch versiert. Der 77-jährige Forstwissenschaftler, der als Ehrenvorsitzender durchaus gehört wird, sah sich darin bestätigt, seine Redezeit dem Bürgermeister zu widmen.

Weigerts flammende Rede besann sich darauf, dass seit 2002 jener entscheidende Fortschritt getan sei, dass Gemeinwohlinteressen vor Gericht ziehen können – „zur Überprüfung, ob etwa Verwaltungsentscheidungen rechtskonform sind”. Dass dies mitunter nicht der Fall ist, zeigt sich an etlichen Beispielen, bei denen der Kreisverband des Bund Naturschutz den Rechtsweg suchte, Anwälte einschaltete und schlussendlich Recht bekam.   

Naturschützer bereits mehrfach im Fokus

„Danke für Ihre Ehrlichkeit”, sagte also Weigert. Das Spannungsfeld, in dem sich Gemeinde- und Gemeinwohlinteressen befinden, sei nicht zu übersehen. Klar ist: Wenn der Bund Naturschutz sich einer Sache annimmt, wird es unangenehm, zeigt die Erfahrung – und oftmals teuer. Die Gemeinden des Landkreises haben so manches Mal Erfahrungen mit den Naturschützern gemacht.

In Berchtesgaden scheiterte das Ansinnen auf dem Grund der „Villa Schön“, eine Außenbereichsinsel im Innenbereich mit einer Reihe damals hochpreisiger Wohnungen zu versehen. Den Investoren verging das Lachen spätestens bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs. 

„Demokratie ist etwas Unbequemes“

Die Kreisgruppe des Bund Naturschutz bemüht eine Anwaltskanzlei, mit der sie seit Jahren zusammenarbeitet. Geht eine Klage raus, wird das Projekt zumindest verzögert. Seit 2002 ist das möglich. Für Weigert markiert dieses Jahr eine Zeitenwende, weil seitdem auch Verwaltungsentscheidungen einfacher hinterfragt werden können: „Ja, Demokratie ist etwas Unbequemes”, sagt er.

In Weigerts Worten liegt Nachdruck: „In diesem Land gibt es keine Hau-ruck-Politik, das gibt es vielleicht in China”, entgegnete er in Richtung des Berchtesgadener Gemeindechefs. Insofern müsse Bürgermeister Franz Rasp damit leben, sich eben auch mit Unbequemem auseinanderzusetzen. Weigert zeigte sich mit Rasps Ausführungen zufrieden. „Wir haben hier noch immer Respekt vor den Menschen”, sagte Forstwissenschaftler Weigert.  

BN befürwortet Verbandsklagerecht

Das Verbandsklagerecht im Naturschutzrecht ist seit mittlerweile 22 Jahren im Bundesnaturschutzgesetz verbindlich geregelt. Hinzu kommt: Das Klagerecht der Naturschutzverbände entspricht seit diesem Zeitpunkt grundsätzlich jenem von Einzelpersonen. „Das ist ein zentraler Fortschritt des Rechtsstaats”, lobte Weigert das Klagerecht.

Durch diese Möglichkeit werde die Stimme der Natur und des Naturschutzes deutlicher gehört. Die Mitwelt, die bei Projekten eben nicht am Verhandlungstisch sitzt, hat somit eine Stimme, kann mitsprechen und Einwände liefern. Weigert lobt diese Entwicklung, und dass dadurch komplexe Angelegenheiten eben auch mal verzögert würden oder gar vom Tisch kämen. 

Politik rühme sich mit der Landschaft

Dass das Berchtesgadener Land immer wieder in den Schlagzeilen stehe, nachdem sich der Bund Naturschutz engagiert hatte, sei leicht zu begründen: „Die Region hier ist ein Hotspot der Biodiversität.” Ein landschaftlicher Höhepunkt folgt auf den nächsten. „Das ist historisch gewachsen, kaum woanders ist das so”, so Weigert. 

Der 77-Jährige erinnerte an den „Kampf gegen die Watzmann-Seilbahn”. Hätte es damals keinen so harten Widerstand gegen die Absicht der Gemeinden gegeben, „hätten wir in dieser einmaligen Landschaft eine Seilbahn”, schlussfolgerte der BN-Ehrenvorsitzende. „Die Politik könnte sich dann nicht mehr mit der Landschaft rühmen”, sagte der langjährige Vorsitzende. „Ich bin dankbar, was die Ehrenamtlichen geleistet haben und heute noch leisten.”

Naturschutz als Gesellschaftsaufgabe

Weigert äußerte seine Enttäuschung darüber, dass die Gemeinde-Feuerwehren in höchsten Tönen beim „Tag des Ehrenamtes” gelobt würden. „Auch der Naturschutz verdient diese Anerkennung, weil er uns allen dient.” Auch der Bund Naturschutz sei nicht fehlerlos: „Dann muss man sich dafür auch mal entschuldigen.” Diesen Mut vermisse er in der Politik sagte Weigert in Richtung des Berchtesgadener Bürgermeisters. 

Naturschutz sei eine Gesellschaftsaufgabe: „Es geht hier um uns alle.” Wirtschaftliche und persönliche Interessen dürften dabei niemals vorrangig betrachtet werden.

kp

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