Umgestaltung der Stadt
„Wie soll Bad Reichenhall in 20 Jahren aussehen?“ - Die Zukunft beginnt mit einem Spaziergang
Nach vielen Jahren - der Stadtrat beschäftigt sich schon seit 2004 mit dem Thema - macht Bad Reichenhall jetzt Nägel mit Köpfen: Ein sogenanntes ISEK mit VU soll her. Doch was genau verbirgt sich hinter der kryptischen Bezeichnung? Welche Firmen sind involviert und welche Rolle spielen dabei die Bürger?
Bad Reichenhall – Der 18. Januar ist ein verregneter, kalter und ungemütlicher Tag. Ein gutes Dutzend Menschen macht sich auf zu einem fünfstündigen Spaziergang quer durch die Stadt. Sie marschieren zunächst in die Obere Stadt, dann über die Nikolauskirche zum Krankenhaus und zur Rupertustherme. Weiter geht es mit dem Bus Richtung Staufenbrücke und Landratsamt. Schließlich landet die Gruppe über St. Zeno und die Fußgängerzone im Kurpark. Die Teilnehmer des Rundganges gehören dem Team rund um das neue ISEK mit VU an. Sie sollen die Stadt in den nächsten Jahren auf Vordermann bringen.
Was ist ein ISEK mit VU?
ISEK mit VU steht für integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept mit vorbereitenden Untersuchungen. Ein ISEK ist die Voraussetzung für ein Städtebauförderungsprogramm und die Grundlage zur Förderung von Maßnahmen in einem Fördergebiet. Wichtig ist hierbei die ganzheitliche Betrachtung. In Bad Reichenhall spricht man von drei Beteiligungssäulen: der Stadt mit ihrer Verwaltung, einem Fachteam und der Bürgerbeteiligung.
Vier Firmen sind beteiligt
Neben Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung sind auch Dr. Pia Heberer als Vertreterin des Stadtrates und Thomas Knaus vom Stadtbauamt anwesend. Sie führen das Planungsteam durch die Kurstadt, um sich den zukünftigen Entwicklungsbereich anzusehen und eine erste Bestandsaufnahme zu machen. „Diese AG hat sich im Wettbewerb durchgesetzt und passt am besten zur Stadt. Ein externer Blick ist sehr wichtig für uns“, freut sich Knaus.
Das Team entstammt vierer Firmen, die jeweils ein eigenes Thema bei der Stadtentwicklung abdecken sollen:
- Schirmer Architekten und Stadtplaner GmbH: Die Würzburger Firma um Projektleiter Johannes Klüpfel beschäftigt sich schon seit Jahren mit Städteplanungen. Bereits beim sogenannten Deutschen Haus hat die Stadt mit ihr gute Erfahrungen gemacht. Besonders findet Klüpfel an Bad Reichenhall das Nebeneinander von Alt und Neu. „Mit der Saline und den vielen Baudenkmälern gibt es hier interessante Räumlichkeiten. Wir wollen aber auch einen Standort zum Wohnen errichten.“ Die Maßnahmen, die nun ausgearbeitet werden, sollen ganz viele Themen aus den Bereichen Leben, Wohnen und Arbeiten umfassen.
- CIMA Beratung und Management GmbH: Für Jan Vorholt aus München hat Bad Reichenhall „erhebliches Potenzial, sich positiv weiterzuentwickeln. Die Gesamtattraktivität ist hoch.“ Die Firma soll sich um die Wirtschaft und den Einzelhandel in der Kurstadt kümmern. Vorholt hält die derzeitigen Leerstände nicht für dramatisch. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft seien gut.
- WGF Landschaft GmbH: Die Firma aus Nürnberg ist für die Themen Landschaft, Freiraum und Stadtklima zuständig. Sigrid Ziesel gefällt besonders, dass die historischen Gärten nah am Altstadtkern sind. „Das ist ein Glücksfall.“ Sie würde sich wünschen, dass auch der Garten am Axelmannstein öffentlich zugänglich wird. Wichtig sind ihr vor allem alte Bäume. „Jeder Baum zählt. Wir kriegen neue Bäume kaum mehr groß, daher müssen wir die alten unbedingt erhalten. Wir verlieren auch Arten und müssen mehr für Biodiversität tun.“
- PSLV – Planungsgesellschaft für Stadt-Land-Verkehr GmbH: Andreas Bergmann hat schon mehr als zwei Dutzend ISEK erstellt und übernimmt mit seinem Team das Thema Verkehr und Mobilität. Ihn freut besonders, dass bereits Änderungen stattfänden, wie etwa die Entstehung neuer Bahnhaltepunkte. „Die Innenstadt soll gut zu Fuß, mit dem Rad und den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Sie darf keine zweite Durchfahrtsachse bleiben und muss entsprechend gestaltet werden.“
Was sind die nächsten Schritte?
Das ISEK soll als langfristiger Handlungsleitfaden dienen. Der Oberbürgermeister blickt dabei in die Ferne: „Wie soll Bad Reichenhall in 20 Jahren aussehen?“ Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. „Wir haben noch kein Konzept in der Tasche und stehen seitens der Planung ganz am Anfang“, meint Klüpfel. Zunächst geht es um die Grundlagenermittlung. Nach der Bestandsaufnahme werden die einzelnen Teams die Situation bewerten und Ziele formulieren. Zum Schluss wird schließlich das Rahmenkonzept erstellt. Laut Oberbürgermeister soll dieses zum Ende des Jahres stehen. „Wir haben uns damit viel vorgenommen. Es ist ein sehr ambitioniertes, sportliches Projekt.“ Stadträtin Heberer bestätigt: „Der Stadtrat hat das ISEK einstimmig beschlossen. Es kann bei so einem Projekt auch mal zu Auseinandersetzungen kommen, das ist aber ein konstruktiver Prozess.“
Die Stadt setzt auf Bürgerbeteiligung
Neben der Politik, Verwaltung und dem Fachteam möchte die Stadt ganz besonders die Bürger mit an Bord nehmen. „Wir wollen nicht im Elfenbeinturm sitzen, sondern brauchen auch den Input von den Bürgern“, so Bauamtsleiter Knaus. „Eine Bürgerbeteiligung benötigt sehr viel Vor- und Nacharbeit“, gibt Lung zu bedenken. „Zuerst machen wir die Bestandsaufnahme. Das Team macht Fotos, zeichnet Bestandskarten und bewertet die Themen. Das braucht Zeit.“ Die erste Beteiligung der Bürger wird im Zuge einer Auftaktveranstaltung im Frühsommer stattfinden. Anschließend soll es noch eine Online-Beteiligung geben.
mf