Schocknachricht für das Karlsgymnasium Bad Reichenhall
Lehrer soll Kind sexuell missbraucht haben: So verlief der erste Schultag nach dem Bekanntwerden
Ein Lehrer des Gymnasiums in Bad Reichenhall soll ein unter 14 Jahre altes Kind zweimal sexuell missbraucht haben. Die Staatsanwaltschaft bittet um Hinweise aus der Bevölkerung. Wie die Schule mit dem schrecklichen Fall umgeht und was das für Lehrer, Eltern und Schüler bedeutet, erklärt der Schuldirektor Rainer Dieckmann im Gespräch.
Bad Reichenhall – Ein 31-jähriger Gymnasiallehrer steht unter Verdacht, sich im Januar und Februar 2024 in zwei Fällen des sexuellen Missbrauchs an einem unter 14 Jahre alten Kind schuldig gemacht zu haben. Der Beschuldigte befindet sich seit Anfang März in Untersuchungshaft. In diesem Zusammenhang bitten die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei Traunstein um Hinweise. „Der Tatverdächtige zeigte sich bezüglich der vorgeworfenen Sachverhalte grundsätzlich geständig. Es ist nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Übergriffen durch den Beschuldigten gekommen ist“, so die Pressemitteilung.
Die Schule reagiert schnell und informiert Lehrer, Eltern und Schüler
Am Mittwochabend heißt es für den Schuldirektor Rainer Dieckmann schnell reagieren. „Ich habe schon kurz vor der Veröffentlichung die Pressemitteilung erhalten“, erklärt er im Gespräch mit BGLand24.de. Sofort wird der Text an die Lehrer weitergeleitet. Und auch die Eltern erhalten die Pressemitteilung, angehängt in einem Elternbrief. In diesem steht unter anderem: „Als Schule ist es uns an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass jegliche Arten von sexuellen Übergriffigkeiten gegenüber Kindern und Jugendlichen absolut inakzeptabel sind und das im Raum stehende Verhalten seitens des Karlsgymnasiums auf das Schärfste missbilligt wird.“
„Gestern Abend haben wir dann noch Formulierungshilfen verfasst – differenziert nach Jahrgangsstufen“, so der Schulleiter weiter. Mit diesen Formulierungen sprechen die Lehrer schließlich das Thema in der ersten Unterrichtsstunde des heutigen Tages an. Auch das Krisenmanagement KIBBS wird von Dieckmann kontaktiert. „Heute waren zwei Damen bis zum Nachmittag hier. Sie stehen uns auch morgen noch kommunikativ zur Verfügung und würden auf Abruf vorbeikommen, gegebenenfalls auch noch nach den Osterferien.“ Der Vorteil hier: Deren Souveränität als Außenstehende. „Wenn ein Gesprächsbedürfnis auf Lehrerseite da ist und man spricht mit einem gleichsam Erschütterten, ist es nicht so hilfreich.“ Das Angebot des KIBBS wird auch von Lehrern angenommen, eine genaue Zahl möchte Dieckmann aber aus Vertrauensgründen nicht nennen.
Die Schüler haben die Möglichkeit, sich an die Schulpsychologin sowie an weitere Lehrkräfte zu wenden. Einzelne hätten das auch angenommen. Auch für die Eltern stellt die Schule ein Beratungsangebot zur Verfügung. Dieses wurde jedoch bisher nicht genutzt. Es bleibt aber sowohl für die Schüler als auch für die Eltern am morgigen Freitag noch aufrecht.
Die Schüler wollen, dass der Unterricht weitergeht
„Ich habe mir in der ersten Pause ein Meinungsbild eingeholt“, erklärt Dieckmann. „Der Großteil der Schüler war schon informiert durch die Mail an die Eltern. Die meisten haben sich gewünscht, dass man Unterricht hält. Wenn keine Betroffenheit da ist, muss man diesen jungen Menschen auch keine einreden.“
Was sich als großer Vorteil herausgestellt hat, ist, dass das Karlsgymnasium ein eigenes Kriseninterventionsteam hat. Es besteht aus neun Mitarbeitern, darunter die Schulpsychologin, Lehrer verschiedener Schulfächer sowie Beratungs- und Präventionslehrer. Je nach Situation soll durch die breite Aufstellung immer jemand eine Expertise haben. Dennoch ist die Lage für das Team außergewöhnlich. „Die Personen wussten, worauf man achten muss. Wir hatten uns aber auf Amok und ähnliche Situationen eingestellt. Auf so etwas waren wir gedanklich nicht vorbereitet“, so Dieckmann.
Das Frühlingskonzert findet statt
Diskussionen habe es auch darüber gegeben, ob man das Frühlingskonzert am Abend ausfallen lassen soll. Der Schulleiter hat entschieden: Es findet statt. „Alle beteiligten Schülerinnen und Schüler wollen das und sehen sich dazu in der Lage. Musik kann auch für Leichtigkeit sorgen.“ Dennoch gibt es eine Änderung. Dieckmann hätte eine unterhaltende Moderatorenrolle gehabt. Das wäre nun unangemessen. Stattdessen wird er jetzt zu Beginn die Ernsthaftigkeit aufgreifen „und dann der Musik die Stimme geben.“
„Völliges Unverständnis, wie so etwas möglich ist“
Im Gespräch zeigt sich der Schulleiter nach wie vor sehr betroffen. „Die Fassungslosigkeit darüber, Dinge, die man von anderen Institutionen kennt, im Haus zu haben, habe ich immer noch. Auch das völlige Unverständnis, wie so etwas möglich ist.“ Für ihn habe der Geschädigtenschutz die höchste Priorität. „Die Übergriffe, die dem Beschuldigten als Einzelperson zur Last gelegt werden, stehen zur Haltung des Karlsgymnasiums in diametralem Gegensatz“, besagt auch der Elternbrief.
Und weiter: „Wir setzen alles daran, dass unsere Schule einen geschützten Raum darstellt, innerhalb dessen von unseren Schülerinnen und Schülern alles fernzuhalten ist, was sie in ihrer körperlichen oder seelischen Entwicklung beeinträchtigen könnte. Hierfür stehen wir als Schulleitung und als Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen unseres Schutzauftrags für die in unserer Obhut stehenden Schülerinnen und Schüler ein.“
Klar ist auch, dass der Imageschaden für das Gymnasium hoch ist. Dabei ist die Schule selbst Leidtragende. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um die verloren gegangene Sicherheit wieder aufzubauen“, versichert Dieckmann.
mf