OB Lung reklamiert, Stadtrat lehnt dennoch ab
Umzug von Reichenhaller Traditionsbetrieb sorgt für Debatte
„Es ist eine durchaus ungewöhnliche Situation. Es kommt nicht oft vor, dass vom Reklamationsrecht Gebrauch gemacht wird“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung in der Stadtratssitzung am Dienstagabend in Bad Reichenhall. Er hielt einen Beschluss des Bau- und Umweltausschusses für rechtswidrig. Die Mehrheit der Mitglieder stimmte Lungs Einwand aber trotzdem nicht zu.
Bad Reichenhall – Zum Hintergrund: Der Bau- und Umweltausschuss hatte sich am 23. Oktober mit einer geplanten Umwidmung beschäftigt. Die alteingesessene Firma Ennemoser, die im Nachbarhaus ansässig ist, möchte ihr Büro und Lager in der Gruttensteingasse 8a als Sattler- und Polsterwerkstatt nutzen. Dazu braucht es die Zustimmung der Stadt. Die Verwaltung hatte empfohlen, das Vorhaben abzulehnen. Der Grund: Es würde für das umliegende Wohngebiet zu viel Lärm entstehen. Diese Empfehlung wurde jedoch vom Gremium mit 1:7 Stimmen abgelehnt.
Knackpunkt Lärmbelastung für die Anwohner
Im Stadtrat schlug die Verwaltung nun erneut eine Ablehnung des Vorhabens vor. Lung erklärte, warum er hier sein Reklamationsrecht genutzt und einen Nachprüfungsantrag gestellt hat. Die Umgebung entspreche faktisch einem Wohngebiet. Für dieses würde durch die Werkstatt zu viel Lärm erwartet. „Wir dürfen nicht aufgrund von persönlicher Sympathie entscheiden, sondern aufgrund von Gesetz und Recht“, betonte er. Zustimmung erhielt der Oberbürgermeister von Friedrich Hötzendorfer (FWG). Die Sache habe „erheblich Staub aufgewirbelt.“ Der Gemeinderat sei an das Gesetz gebunden. Dennoch stelle er den bestehenden Betrieb nicht in Frage.
Dem Beschlussvorschlag nicht zustimmen wollte hingegen Werner Mägerle (Liste Lackner). Er sah eine Beeinträchtigung des Wohngebiets durch Lärm nicht gegeben. „Der Florianiplatz hatte früher zehn Geschäfte. Seit 1900 gibt es dort die Sattlerei und Raumausstattung. Das ist nicht nur eine Hinterhoffirma, sondern sie arbeitet auch mit anderen Betrieben zusammen und hat Referenzen.“ Zudem mahnte er, die Firma könnte abwandern und damit würde auch die Gewerbesteuer an die Stadt wegfallen.
Mängel im Lärmschutzgutachten
„Wir haben über Monate versucht, eine Lösung zu finden. So ist es aber nicht möglich, eine rechtssichere Baugenehmigung zu erlassen“, entgegnete der Bauamtsleiter Thomas Knaus. In der Unteren Immissionsschutzbehörde des Landratsamtes seien die Mängel im Lärmschutzgutachten klar benannt worden. „Das haben wir auch dem Bauherrn weitergegeben. Ein belastbares Gutachten vorzulegen, ist aber brüsk zurückgewiesen worden.“ Hötzendorfer ergänzte: „Das Landratsamt zählt sechs Punkte auf, die grobe Fehler im Gutachten kennzeichnen. Ein zweites wurde verweigert. Was soll die Verwaltung sonst noch machen?“
Sebastian Renoth (CSU) erklärte, dass ihm nicht klar sei, wie in der Werkstatt zu viel Lärm entstehen könne. „Wenn nur eine Person in der Werkstatt arbeitet, können nicht fünf oder sechs Maschinen gleichzeitig laufen. Der Deutsche sucht so lang, bis etwas Negatives zu finden ist. Wir waren uns einig, dass das ein vernünftiges, im Rahmen handelndes Unternehmen ist.“ Knaus erwiderte, dass es im Betrieb fünf Mitarbeiter und einen Lehrling gebe. Der Tacker sei ein besonders kritisches Gerät bei der Lärmerzeugung. Man habe es auch mit einer Bauberatung versucht. „In diesem Fall war es aber nicht möglich, eine Einigung zu finden.“
Misch- oder Wohngebiet?
Lärm dringe nicht nach draußen, wenn ordentlich abgedämmt werde, widersprach Mägerle erneut. Auch sei für ihn klar, dass es sich um ein Misch- und kein Wohngebiet handle. Manfred Hofmeister (Bürgerliste) regte an, dass die Rechtsaufsicht klären solle, ob es sich nicht doch um ein Mischgebiet handle. Lung erklärte, dass man von der aktuellen Situation ausgehen müsse und nicht von der, wie es früher war. Der Gebietscharakter habe sich zu einem Wohngebiet verändert. „Wir haben als Bauaufsichtsbehörde auch unterschiedliche Interessen zu vertreten. Störungsfrei zu wohnen ist eines davon.“
„Die Termine, die da stattgefunden haben, sind Legion“, so der Oberbürgermeister. Die Angelegenheit werden nun wohl auf dem Rechtsweg entschieden werden. In der Abstimmung stimmten schließlich acht Mitglieder dafür, das Vorhaben nicht zu genehmigen, 16 dagegen. Somit wurde der Beschlussvorschlag erneut abgelehnt. Lung möchte nun die Sache der Regierung von Oberbayern vorlegen.
mf
