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Kommentar zum Adressbuch für Bad Reichenhall, Anger, Bayerisch Gmain und Piding

Information auf Kosten des Datenschutzes? Warum das Adressbuch nicht mehr zeitgemäß ist

Melanie Fischer und das Adressbuch Bad Reichenhall
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Das Adressbuch Bad Reichenhall, Anger, Bayerisch Gmain und Piding erscheint schon zum 27. Mal.

Trotz Google scheint die Nachfrage nach dem Adressbuch für Bad Reichenhall, Anger, Bayerisch Gmain und Piding ungebrochen. Das druckfrische Heft beinhaltet unter anderem die Namen und Adressen aller volljährigen Einwohner. - Nicht ganz unproblematisch bezüglich Datenschutz, oder? Ein Kommentar.

Bad Reichenhall/Bayerisch Gmain/Anger/Piding - Wolltet Ihr schon immer wissen, wer in dieser großen Villa hinter den hohen Mauern wohnt, aus der nichts bekannt ist? Nichts einfacher als das: Schaut nur in das neue Adressbuch. Straße, Hausnummer: Aha! Oder wollt Ihr einem Lehrer einen Streich spielen, wisst aber nicht, wo er wohnt? Kein Problem: Das Adressbuch gibt auch hier Auskunft. Name, Vorname: Ah!

Eigentlich sollte das Adressbuch ja der Bürgerinformation dienen, heißt es in einer Pressemitteilung. Es beinhaltet neben den Namen und Adressen aller Volljährigen von Bad Reichenhall, Anger, Bayerisch Gmain und Piding auch Folgendes:

  • Einen Beitrag von Dr. Johannes Lang über die 150-jährige Geschichte der Stadtkapelle Reichenhall
  • Einen Beitrag von Andreas Hirsch über die Staufenbrücke als historischen Übergang über die Saalach
  • Porträts zu den Gemeinden Anger, Bayerisch Gmain und Piding
  • Einträge von Behörden, Vereinen, Verbänden und öffentlichen Einrichtungen, nach Sachgebieten sortiert
  • Firmen, Selbstständige und Gewerbetreibende, sowohl nach Branchen als auch nach Namen geordnet

„Ich wurde gar nicht gefragt“

In einer Reichenhaller Buchhandlung stoße ich zufällig auf das Adressbuch, das dort ausgegeben wird. Die Mitarbeiterinnen bestätigen die hohe Nachfrage, die gelieferte Palette sei inzwischen fast leer. Und ich bekomme auch gleich den Run auf das Buch mit: Eine Dame schnappt sich ein Exemplar, hält es lächelnd an ihre Brust und marschiert erfreut wieder aus dem Laden. Eine zweite hingegen schaut noch im Geschäft nach, ob ihr Name abgedruckt ist und wird fündig. „Komisch, ich wurde gar nicht gefragt“, wundert sie sich.

Gefragt werden muss man aber in diesem Fall tatsächlich nicht. „Nach Art. 35 Abs. 3 des Meldegesetzes (MeldeG) darf die Meldebehörde Adressbuchverlagen Auskunft über Vor- und Familiennamen, den Doktorgrad und die Anschriften sämtlicher Einwohner, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, erteilen, es sei denn, der Betroffene hat dieser Weitergabe seiner Daten widersprochen“, heißt es auf der Website des Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz, Prof. Dr. Thomas Petri. Die Bürger müssten bei der Anmeldung auf ihr Widerspruchsrecht hingewiesen werden. - Qui tacet, consentire videtur? Wer schweigt, scheint zuzustimmen?

Gefahr von Missbrauch ist gegeben

Die Eingangsbeispiele voyeuristischer Nachbarn oder rachsüchtiger Schüler mögen zynisch klingen, weisen aber auf ein gewisses Missbrauchspotential hin, das solche Adressbücher haben. Nicht umsonst mahnt die Polizei regelmäßig vor Trickbetrug per Telefon. Immer wieder heißt es, man solle seine Nummer und die Adresse aus dem örtlichen Telefonbuch streichen lassen, besonders wenn man einen typischen Vornamen der älteren Generation hat. Mit dem Adressbuch lässt sich jedoch ganz schnell herausfinden, wo die Ernas, Günters, Waltrauds und Karls in den Gemeinden wohnen. Telefon? Nicht mehr nötig, denn man kann ja sofort klingeln und die Menschen unter Druck setzen.

Und auch wenn der Adressbuchverlag selbst keine Werbezwecke mit den Einwohnerdaten verfolgt, ließen sich doch ganz einfach aufgrund des Buches Listen erstellen und gegebenenfalls auch Adresshandel betreiben. Neben unerwünschter Werbung und kriminellen Aktivitäten sind auch Belästigungen durch Stalker möglich. Man kann sogar sehen, welche Häuser nur von einer Person bewohnt werden.

Im digitalen Zeitalter sollten die Gemeinden sensibler mit den Daten umgehen

Der Datenschutzbeauftragte Petri empfiehlt den Kommunen, „die Bürger rechtzeitig vor einer beabsichtigten Weitergabe ihrer Meldedaten an Adressbuchverlage in geeigneter Weise, z. B. durch eine amtliche Bekanntmachung in der Presse, auf ihr Widerspruchsrecht hinzuweisen.“ Die Gemeinden sind jedoch zur Herausgabe der Daten an die Adressbuchverlage nicht verpflichtet. „Die Erteilung von Auskünften steht daher im Ermessen der Kommunen.“

Ist es so schwer, das Büchlein einfach ohne die Informationen über die Einwohner herauszugeben? Auch wenn die Weitergabe der Namen und Adressen an Adressbuchverlage rechtens ist, sollten sich die Gemeinden im digitalen Zeitalter, in dem der Schutz privater Information immer mehr an Bedeutung gewinnt, schon mehr Gedanken um einen sensibleren Umgang mit den Daten ihrer Bürger machen. Zumindest aber sollte mehr Transparenz von Seiten der Meldeämter vermittelt werden, dass solche Daten auf Anfrage weitergegeben werden dürfen, damit jeder selbst entscheiden kann, ob er der Weitergabe widersprechen möchte oder nicht.

mf

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