Volksfeste in Rosenheim, Mühldorf und Bad Reichenhall
Eine Legende unter den Schaustellern: Wie „Luggi“ und die Kollmanns die Generationen prägen
Die Kollmanns sind eine Schausteller-Familie durch und durch. Das gilt auch für Ludwig Kollmann, den alle nur „Luggi“ nennen. Der 65-Jährige aus Pfarrkirchen ist seit Kindesbeinen auf den Volksfesten in Mühldorf, Rosenheim und über die Grenzen Oberbayerns hinaus unterwegs. Doch am liebsten zieht es ihn und seine Familie ins Berchtesgadener Land. Wieso das so ist und warum für ihn der ursprüngliche Charakter immer mehr verloren geht, erzählt er beim Herbstfest in Bad Reichenhall. Das liegt ihm nämlich ganz besonders am Herzen.
Bad Reichenhall - „Schon im Mittelalter waren unsere Familien als Gaukler oder im Theater unterwegs“, weiß Ludwig Kollmann, als wir in seinem Wohnwagen hinter den Fahrgeschäften auf dem Reichenhaller Festplatz sitzen. Trotz des trüben Wetters lässt er sich die gute Laune nicht vermiesen. Überhaupt macht er den Eindruck, als wenn er immer mit einem Lächeln durch das Leben schreitet. Und er übertreibt nicht, wenn er von einer „riesengroßen Familie“ spricht, in der er aufgewachsen ist.
Seine Oma gehörte zu einer Familie mit zehn Kindern (acht Brüder und zwei Schwestern). Sie selbst brachte 24 Kinder zur Welt. „Einer ihrer Brüder hat mit zehn Kindern die wenigsten“, verdeutlicht der 65-Jährige. Er ist Schausteller „von der Pik auf“, wie er sagt. „Ich bin im Wohnwagen zur Welt gekommen und von Anfang an mit meinen Eltern zu den Volksfesten gereist. Wir sind die sechste oder siebte Generation.“ Verständlich also, dass er bei der Frage nach der Anzahl der familiären Schausteller schmunzelnd antwortet: „Das kann ich dir gar nicht so genau beantworten.“
Ehefrau auch eine Schaustellerin
Zu seinen Fahrgeschäften gehören unter anderem eine große Schiffschaukel mit dem Namen „Mexican Fly“ sowie die Laufgeschäfte „Crazy Outback“ und „Coco Bongo“. Früher hatte er auch einen „Top Spin“, doch den hat er verkauft. Die Klassiker wie Kinderkarussell und Autoscooter gehören natürlich ebenfalls zum Repertoire des 65-Jährigen, der seine Frau - wie sollte es auch anders sein - ebenfalls über das Schausteller-Geschäft kennengelernt hat. „Wir kannten uns schon aus der Schule und haben uns dann eine Weile aus den Augen verloren, ehe wir wieder zusammenfanden“, erinnert er sich.
Wenn im Frühjahr wieder die Sonne stärker strahlt, dann fängt das Kribbeln in den Fingern an.
Seine Heimat liegt in Pfarrkirchen (Rottal-Inn) und dort haben die Kollmanns auch ihr Winterquartier: In einer großen Halle werden die Fahrzeuge und Fahrgeschäfte untergebracht. Ab dem Jahreswechsel bereiten sie sich dort auf die neue Saison vor, die an Ostern beginnt.. Reparaturen, TÜV: So richtig Ruhe haben sie eigentlich nie. Sie haben sogar eine eigene Werkstatt, um alles auf Vordermann zu bringen. „Wenn im Frühjahr wieder die Sonne stärker strahlt, dann fängt das Kribbeln in den Fingern an“, beschreibt er die jährlich wiederkehrende Vorfreude. Dieses Gefühl kennt er seit seiner Kindheit.
Mit den Dosenwerfen fing alles an
An seine allererste Attraktion kann er sich noch genau erinnern: ein Stand zum Dosenwerfen. „Wir haben ganz klein angefangen und uns immer mehr aufgebaut“, schildert „Luggi“. Mittlerweile sind die Kollmanns in ganz Deutschland unterwegs, auch in Österreich und den Niederlanden waren sie schon. Dass innerhalb der Familie jemand aus dem Schausteller-Geschäft aussteigen oder gar nicht erst damit anfangen will, kommt sehr selten vor. Eine Verpflichtung gibt es nicht, betont er. „Das geht schon in Ordnung. Aber diejenigen, die aussteigen, kommen immer wieder zurück“, erzählt der 65-Jährige und lacht dabei.
Auftakt zum Herbstfest in Bad Reichenhall




Einmal Schausteller, immer Schausteller: Das gilt auch für ihn, der sich ein anderes Leben gar nicht vorstellen kann. Er lebt und atmet für die Volksfeste. Seine frühesten Erinnerungen daran stammen aus Marktschellenberg, Berchtesgaden, Bad Reichenhall und Anger. Daher stammt auch die Verwurzelung zum Berchtesgadener Land. „Viele Besucher kenne ich schon mein ganzes Leben lang. Und wenn sie dann mit ihren Enkelkindern kommen, das ist einfach nur schön.“
Warum Bad Reichenhall etwas Besonderes für ihn ist
Der Festplatz in der Kreisstadt hat einen besonderen Platz in seinem Herzen, wie er schildert. „Wenn ich von der Bundesstraße abbiege, die Berge sehe und um die Kurve auf den Platz zufahre: Da kommen die ganzen Erinnerungen hoch.“ Dann denkt Luki an all die vielen Schausteller, die verstorben sind oder aufgehört haben. Dann denkt er an seine Kindheit, als er mit seinen Eltern für mehrere Wochen im Berchtesgadener Land Halt machte. „Das vergisst man nicht, da gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf.“
Auch deshalb ist ihm das Herbstfest so wichtig. Seit über 60 Jahren kommt er hierher. Ein Hightlight war, als die Feuerwehr vor einigen Jahren mit einem Fahrzeug in der Saalach stand, um ein Feuerwerk zu veranstalten. Aufgrund eines Wolkenbruchs kam dann das Wasser und die Florianijünger musste den Wagen schleunigst aus dem Flussbett ziehen. „Das war eine Aktion“, schmunzelt er.
Die Folgen der Pandemie
Auch jetzt spürt er, dass sich die Reichenhaller darüber freuen, dass die Kollmanns wieder da sind. „Die wollen ein Volksfest. Das haben wir auch im letzten Jahr am Königssee gemerkt: Die Besucher waren begeistert und freuten sich darüber, endlich wieder Schausteller zu sehen.“ Als er mitbekam, dass Markusch Graschberger und Christoph Berger das Herbstfest wieder aufleben lassen, nahm er sofort Kontakt auf.
Die Pandemiejahre hatten nämlich ihre Spuren hinterlassen. „Es gab Kinder, die haben noch nie in ihrem Leben ein Karussell gesehen“, weiß Kollmann. Und dann kam noch die Sorge hinzu, wie und ob es überhaupt weitergehen kann. Corona sorgte dafür, dass sich „Luggi“ Sorgen um die Zukunft seiner Fahrgeschäfte machte. „Die Attraktionen und Wagen waren über Nacht nichts mehr wert, weil wir nirgends auftreten konnten. Es gab auch viele Schausteller, die aus finanziellen Gründen aufgehört haben.“ Doch als die Einschränkungen gelockert wurden und die Volksfest wieder stattfanden, ging es wieder aufwärts. „Die Menschen wollten wieder raus und ein normales Leben führen“, so Kollmann.
Wie sich die Besucher verändert haben
Natürlich hat sich im Laufe der Jahre vieles verändert. Die Besucher seien mehr an Partys interessiert und weniger an Blasmusik und Unterhaltungen. „Weinzelte und Bars nehmen immer mehr Überhand. Die Leute trinken zwei Maß, fangen dann mit dem härteren Stoff an und wissen dann nicht mehr, wo oben und unten ist. Es heißt Volksfest und nicht Partymeile oder Open-Air.“ Die Besucher seien zum Teil auch eigensinniger und dank des vielen Alkohol auch aggressiver geworden. „Wir Schausteller werden immer mehr zur Nebensache.“
Natürlich spielt auch das Thema Geld eine größere Rolle. Karten für die Fahrgeschäfte oder Süßigkeiten werden nicht mehr so bereitwillig wie früher bezahlt. „Uns wäre es auch lieber, wenn wir weniger verlangen müssten. Aber wir sind durch die gestiegenen Kosten an einem Punkt angekommen, an dem sich die Preise wirklich nicht mehr verändern sollten. Wir wollen ja schließlich noch lachende Kinder sehen“, betont der Schausteller.
Viele schöne Erinnerungen
Gefragt nach den Höhepunkten in seiner Laufbahn, weiß Kollmann gar nicht, wo er anfangen soll: Es gab so viele. „Als wir 2023 zum ersten Mal beim Oktoberfest in München waren oder die letzten Male auf dem Rosenheimer Herbstfest: Das waren schon Highlights.“ Ob größeren oder kleinere Volksfeste, der 65-Jährige mag sie alle.
Und wenn es nicht mehr geht, nehmen mich meine Kinder mit und kümmern sich um mich.
Seine Söhne sind - welche Überraschung - auch Schausteller. Er arbeitet zusammen mit ihnen und wenn er mal zu alt sein sollte für das Geschäft, ist die Nachfolge auch schon geregelt. „Als Schausteller gibt es eigentlich keinen Ruhestand. Und wenn es nicht mehr geht, nehmen mich meine Kinder mit und kümmern sich um mich“, weiß er.
Auch wenn Pfarrkirchen immer sein Zuhause sein wird: Er freut sich jedes Mal aufs Neue, wenn er mit seinen Fahrgeschäften wieder in Richtung eines Volksfestes aufbricht. „Bei mir im Kinderkarussell sind schon zwei, drei Generationen durchgefahren. Die Menschen wiederzusehen und sich mit ihnen zu unterhalten: Das sind die schönsten Momente und die bleiben für immer. Das wird auch hoffentlich niemals enden.“ (ms)

