Terrassen-Streit in Schönau am Königssee
Nach Bierglas-Angriff: Amtsgericht Laufen verhandelt gefährliche Körperverletzung
Ein Syrer hatte im Mai 2021 einen Schönauer auf einer Terrasse mit einem zerbrochenen Bierglas schwer verletzt. Der Mann war danach untergetaucht. Nun musste er sich vor dem Laufener Amtsgericht verantworten.
Schönau am Königssee/Laufen - Die Schönauer Firma hatte dem Syrer gekündigt. Und doch saß der drei Tage später auf der benachbarten Terrasse. Und weigerte sich, zu gehen. Diese Geschichte im Mai 2021 eskalierte so weit, dass ein heute 56-jähriger Nachbar von einem zerbrochenen Bierglas massiv am Unterarm verletzt worden war. Der heute 32-jährige Syrer tauchte anschließend unter, wurde per Haftbefehl gesucht und am 11. Juli 2024 festgenommen. Jetzt stand der ledige Lagerist in Laufen wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht.
Eine Seniorin hatte den Syrer gebeten, ihre Terrasse zu verlassen, weil sie Besuch erwarte. Nachdem der Mann nicht hatte gehen wollen, hatte sich die 79-Jährige an ihren Nachbarn gewandt. „Wenn sie dich bittet, dann geh doch“, schilderte der 56-jährige Schönauer seine Ansprache. Doch der Syrer blieb sitzen. Dass er dann den Gartenstuhl an zwei Beinen aufgekippt hatte, räumte der Schönauer ein. Kaum zu Boden gefallen, sei der Syrer blitzschnell aufgesprungen und habe mit der Faust zugeschlagen. Den Arm zum Schutz noch oben gerissen, will der Zeuge das Glas in der Hand des Angeklagten zunächst nicht wahrgenommen haben. Klar war, es muss mindestens einen zweiten Schlag in Richtung Kopf gegeben haben, denn ein weiterer, vom Schutzellbogen abgerutscht, hatte den Schönauer an seiner Brille getroffen.
In die Scherben „gefallen“?
Das Geschehen bestätigt hatten bei der Polizei sowohl die inzwischen verstorbene Seniorin als auch ein Mitarbeiter der angrenzenden Firma, der schließlich dem blutenden Verletzten zu Hilfe geeilt war. Der Syrer räumte im Gerichtssaal ein, wohl zuerst geschlagen zu haben. Das Glas aber will er „nur“ geworfen haben. Ist es glaubhaft, dass der verletzte Schönauer in die Scherben „gefallen“ war?
Dies und anderes mehr hatte der Rechtsmediziner Dr. med. Fritz Primer zu prüfen. „Die Verletzungen resultieren aus einer typischen Abwehrreaktion“, so der Gutachter, die Verletzungen des Schönauers seien mit nur einem Schlag nicht zu erklären. Primer hatte keinen Zweifel, dass die festgestellten Verletzungen mit dem geschilderten Geschehen zu erklären seien. „Wahrscheinlich war das Bierglas beim ersten Schlag schon kaputt.“ Allerdings: „Hätte es einen Treffer im Halsbereich gegeben, hätte es auch ganz schnell gehen können.“ Soll heißen: ein rasches Verbluten.
Staatsanwältin fordert 15 Monate ohne Bewährung
„Der Arzt hat sicher zwei Stunden an mich hingenäht“, schilderte der Schönauer die anschließende Behandlung im Krankenhaus, doch seine Wundheilung sei „supertoll“. Psychisch sieht sich der Schönauer gleichwohl weiterhin belastet, etwa wenn er bei Dunkelheit das Areal und das Umfeld betritt. Eben diesen Umstand monierte die Staatsanwältin: Eine Entschuldigung des Angeklagten und dessen Versicherung, der Geschädigte brauche sich keine Sorgen zu machen. Die Staatsanwältin unterstrich: „Es hätte wesentlich schlimmer ausgehen können.“ Sie beantragte eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.
Rechtsanwalt Hans-Jörg Schwarzer wollte die „Vorgeschichte“ nicht unerwähnt lassen, denn der „erste Angriff“ sei vom Schönauer ausgegangen, weshalb hier von einem „minderschweren Fall“ auszugehen sei. Die verweigerte Entschuldigung mochte der Pflichtverteidiger „vielleicht mit der Mentalität“ seines Mandanten erklären. Schwarzer beantragte eine dreimonatige Freiheitsstrafe, die in Anbetracht der U-Haft zur Bewährung ausgesetzt werden könne.
Das Urteil
Richterin Ann Kathrin Dolge urteilte auf zehn Monate und eine dreijährige Bewährung. Sie sah die Anklage „unzweifelhaft erwiesen“. „Das hätte entweder ins Auge gehen oder empfindliche Gefäße am Hals treffen können“, beschrieb sie den glücklichen Umstand einer reaktionsschnellen Abwehr.
Die Vorsitzende ordnete den Vorfall in das zu Ende gegangene Oktoberfest ein. „Wäre das dort passiert, hätten wir vermutlich eine Anklage wegen Totschlags oder versuchten Totschlags. Mit einem Verfahren am Landgericht.“ Das Urteil wurde noch im Gerichtssaal rechtskräftig. Erst nach Ende der Verhandlung ging der Syrer auf den Schönauer zu, gab ihm die Hand und entschuldigte sich. Der nahm die Entschuldigung an: „Des passt scho.“ (hhö)