Tatort Ainring: Bauer gegen Bauer
„Kein Geständnis, keine Reue, keine Einsicht“: Streit zwischen Nachbarn eskaliert
Ein 64-jähriger Bauer steht vor Gericht wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung. Er soll seinen Nachbarn mit einem Laubbläser angegriffen haben. Der Vorfall ist Teil einer langen Reihe von Konflikten.
Ainring/Laufen – Regelmäßig bläst der 64-jährige Bauer Staub und Dreck in die Wiese seines 59-jährigen Nachbarn. Der ließ ihn gewähren bis zum 15. Juli 2024. Weil er am Folgetag mähen wollte, sollte kein Straßendreck und kein Reifenabrieb das Viehfutter belasten. Doch noch ehe der Nachbar sein Ansinnen hatte vorbringen können, eskalierte die Begegnung. Mit einem Laubbläser war der 64-Jährige auf seinen fünf Jahre jüngeren Kollegen losgegangen. Und stand daher wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung in Laufen vor Gericht.
Beim abendlichen Füttern habe er den Laubbläser des Nachbarn gehört, erzählte der 59-Jährige, und habe auch die „schwarze Wolke“ gesehen. „Ich wollte ihm sagen, er soll heute nicht.“ Doch so weit sei er gar nicht gekommen. „Was mächsd’n, du Rotzleffe?“, soll der Angeklagte ihn angefahren haben. „Dann hod er se buggd, drahd se und schlogd mid’m Rohr gegn mei Hüftn.“ Auf die Frage des Nachbarn „spinnsd du?“, soll der angeklagte Landwirt erneut ausgeholt und mit dem Gerät selbst in Richtung Kopf geschlagen haben. „I hobn mid’m Arm abg‘wehrt“, so der 59-Jährige. Doch damit nicht genug. Zuletzt soll der Angeklagte versucht haben, ihn über eine niedrige Mauer zu stoßen. „Er is mia nach, hod mi packt und des T-Shirt z’rissn.“ Dabei sei er gestürzt und der Angeklagte auf ihn gefallen mit der Drohung: „I hau dir in de Fotzn, so dass di koana mehr kennt.“
Tatort Ainring: Bauer gegen Bauer
Eine ganz andere Version präsentierte der Angeklagte: „Alles Lug und Trug“, behauptete der 64-Jährige. In Wahrheit sei der Nachbar auf ihn gestürzt, worauf er ihn am Leiberl gehalten habe, „damit der ned zu Boden stürzt.“ Sein Gegenüber sei ein „Trum Mannsbuid“, während er „a oids Mandl“ sei. „A anderer hätt eahm a paar mit der Faust gem.“ In Wirklichkeit gehe es seinem Nachbarn doch nur um Geld und um 4000 Quadratmeter Pachtgrund.
Das bestritt der Geschädigte, der darüber hinaus weitere Geschichten über den Angeklagten zu berichten wusste. „Er is‘ beinah‘ mit jed‘m zerstritten.“ Einen anderen Mann soll er mit einer Eisenstange bedroht haben. Trotz mehrfacher Nachfrage des örtlichen Jägers habe er unangekündigt gemäht und dabei ein halbes Dutzend Rehkitze zerfetzt. Dem Vorwurf, er spritze seinen giftigen Mais-Cocktail auch auf die Nachbarwiese, soll der Angeklagte so begegnet sein: „Du glotscherter Hund, des war da Wind.“
Aus einiger Entfernung mitbekommen hatte die Auseinandersetzung ein 35-jähriger Lagerarbeiter. Der bestätigte die Angriffe des Angeklagten auf den Nachbarn und die „geplärrte“ Warnung: „I bring di ins Narrenhaus.“ – „Danach hat er mit seinem Laubbläser weitergemacht, als wär‘ nichts gewesen.“ Auch dieser Zeuge wusste so manche Episode über den Angeklagten zu berichten.
Im August 2020 war der Bauer schon einmal vor Gericht gestanden, weil er einen Mülltonnen-Kontrolleur angegriffen hatte. Das Verfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung war damals gegen die Zahlung von 300 Euro eingestellt worden. Insofern ist der Bauer noch nicht vorbestraft. Nach seinen Einkünften befragt, antwortete er: „Momentan bleibt praktisch nix.“ Von was er dann lebe? „Von der Substanz.“
64-Jähriger geht mit Laubbläser auf Nachbarn los
„Nicht unerheblich geschädigt“, sagte Staatsanwältin Vera Sophia Wagner zu den Verletzungen des 59-Jährigen. Die da waren: diverse Prellungen, ein großes Hämatom und wochenlange Behandlungen wegen einer Venenentzündung mit Bakterienbefall. „Ah gäh! Bei eich hod doch de ganze Familie Krampfandern“, warf der Angeklagte erneut ungefragt ein, nachdem ihn Richter Josef Haiker schon zuvor deutlich ermahnt hatte. Auch weil sich im Gerichtssaal eine Diskussion mit gegenseitigen Vorwürfen zwischen dem 64- und dem 59-Jährigen entwickelt hatte.
„Kein Geständnis, keine Reue, keine Einsicht“, bilanzierte Wagner die knapp zweistündige Verhandlung. Sie beantragte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung. Auch Rechtsanwalt Hans-Jörg Schwarzer sah „keinen Anlass“, an den Schilderungen der Zeugen zu zweifeln. Als Vertreter des Geschädigten beantragte er ebenfalls die Mindeststrafe von sechs Monaten für eine gefährliche Körperverletzung. Weil aber eine Bewährungsstrafe „nicht weh“ tue, sollte der Angeklagte 2000 Euro als Schmerzensgeld an seinen Mandanten zahlen.
Richter weist angeklagten Ainringer mehrfach in die Schranken
„Nicht so eindeutig“, sah Rechtsanwalt Dr. Simon Herget die Beweisaufnahme, ohne wirklich Argumente für den Angeklagten vorzubringen. Obschon es die zwei Schläge wohl gegeben habe, seien sechs Monate „unangemessen hoch“, meinte der Verteidiger und regte die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage an.
Doch damit konnte er beim Vorsitzenden nicht punkten. „Hier handelt es sich nicht um die üblichen Nachbarschaftsstreitigkeiten“, so Haiker. Der Geschädigte habe „lange Zeit zu kämpfen gehabt“ und beim Angeklagten fehle jede Einsicht. An der Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen hegte der Richter keinen Zweifel und entschied auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die er auf zwei Jahre zur Bewährung aussetzte. „Ich hoffe, dieser Druck lässt sie künftig erst überlegen, ehe sie handeln.“ Der Verurteilte hat 1500 Euro an den Geschädigten als Wiedergutmachung zu zahlen und die Verfahrenskosten zu tragen; inklusive der Lasten des Nebenklägers. (hhö)