Freund startet DKMS-Aktion für ihn
Zum dritten Mal Blutkrebs - Adam (29) aus Ainring: „Wieso sollte ich es nicht schaffen?“
Die Wahrscheinlichkeit, an Leukämie zu erkranken, ist relativ gering. Adam Aczel aus Ainring hat es schon zum dritten Mal erwischt. Doch der 29-Jährige steckt den Kopf nicht in den Sand, im Gegenteil: Für ihn ist das Glas immer halbvoll und nicht halbleer. Für Energie und Motivation sorgt auch sein Freund Philip.
Ainring - „Hallo zusammen, ein lieber Arbeitskollege von uns bei der BRB ist nun leider wieder an Blutkrebs erkrankt und braucht dringend einen Stammzellenspender.“ Mit diesen Worten beginnt diese Geschichte. Eine Arbeitskollegin von Adam meldet sich Mitte Dezember bei uns in der Redaktion. Dass der junge Mann bereits das dritte Mal gegen Blutkrebs kämpfen muss? Dass ein Arbeitskollege und mittlerweile guter Freund von ihm eine DKMS-Aktion in der Firma gestartet hat? Dass für Adam das Glas trotz der Situation immer halbvoll und nicht halbleer ist? Davon war noch lange nichts zu ahnen.
Bei einem Treffen erzählt der Ainringer, dass er 2012 zum ersten Mal an Leukämie erkrankt. Er ist damals 16 und hat eigenen Angaben zufolge keine Ahnung, was da auf ihn zukommt. „Ich habe das erst auf die leichte Schulter genommen“, erinnert er sich zurück. Als eine Untersuchung nach der anderen folgt - MRT, Ultraschall, Herzultraschall, EEG, Knochendichte, Knochenmarkpunktion, Hirnwasser, insgesamt 40 Stück - und es ihm immer schlechter geht, beginnt er zu realisieren. „Durch die Untersuchungen hatte ich auch keine Zeit zum Nachdenken. Ich glaube auch, dass es für mein Umfeld zehnmal schlimmer war“, sagt Adam.
„Das Schlimmste ist eigentlich die Langeweile in der Klinik“
Klar, ihm sei es auch mal schlecht gegangen und er kam ins Grübeln. „Aber man gewöhnt sich daran. Besuch kommt und geht, aber man selbst liegt für viele Wochen im Krankenhaus. Das Schlimmste ist eigentlich die Langeweile in der Klinik“, muss der Kundenbetreuer, der bei der Bayerischen Regiobahn (BRB) arbeitet, schmunzeln. Nach eineinhalb Jahren erleidet er einen Rückfall, wieder gibt es eine Chemotherapie. Doch beim zweiten Mal wird er zum Schluss extrem stark bestrahlt, er bekommt noch eine Knochenmarktransplantation.
Dann hat er über acht Jahre lang Ruhe, der Blutkrebs scheint besiegt. Adam gilt als erfolgreich austherapiert. Bei einer Arztuntersuchung wegen eines anderen Themas folgt Anfang Dezember der Schock: Er hat schon wieder Blutkrebs. Eine Zelle scheint trotz der langen Zeit überlebt zu haben.
Eine Zelle überlebte irgendwie
„Den Ärzten ist unter den registrierten Patienten kein Fall bekannt, bei dem es jemand zum dritten Mal wieder bekommt. Es war auch keine neue Leukämie, wie sich nach Untersuchungen herausgestellt hat, sondern irgendwie muss in meinem Körper eine mutierte Zelle von damals überlebt haben“, schildert der 29-Jährige. Er könnte sich nun klagend fragen: Warum ich? Warum schon zum dritten Mal? Das Klagen würde ihm vermutlich niemand übelnehmen, jeder könnte es verstehen. Doch statt Verbitterung, Wut und Trauer zu empfinden, sieht es Adam ganz anders: „Das ist Mist, klar, aber jo mei: Ich hoffe darauf, dass der Krebs dann wegbleibt. Ich frage mich nicht nach dem Warum, das wird mir niemand beantworten können.“ Er nimmt es, wie es eben kommt, und macht das Beste daraus.
Ich frage mich nicht nach dem Warum, das wird mir niemand beantworten können.
Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Fällen wartet dieses Mal eine andere, eine neuartigere Methode zur Krebsbekämpfung auf ihn. Bei der Immuntherapie erhält er nur eine sehr milde Chemo. Adam erklärt, dass ein Teil seiner Zellen seinem Körper entnommen, nach Amerika geschickt und dort umgebaut beziehungsweise so neu ausgebildet wird, dass sie den Krebs erkennen und bekämpfen. „Es gibt in Deutschland nur zwei Kliniken, welche diese Zusammenarbeit mit den USA durchführen: Frankfurt und München. Und die Ärzte wollten beim dritten Mal nicht wieder die gleiche Chemotherapie durchführen, sonst hätten meine Überlebenschancen bei fünf Prozent gestanden.“ Beim ersten Mal standen die Chancen seiner Auskunft zufolge bei 50 zu 50, beim zweiten Mal nur noch bei 20 zu 80 Prozent. Überleben oder sterben, die Krankheit überstehen - oder eben nicht.
Abwarten, wie der Körper reagiert
Doch genau deswegen denkt sich der begeisterte Hobbyfußballer und Fan von Manchester United: „Warum sollte ich es jetzt nicht schaffen? Ich habe die viel schlimmeren Therapien überstanden und die aktuelle ist viel verträglicher.“ Die Immuntherapie gebe es erst seit 2010, doch sie sorge für vielversprechende Ergebnisse und habe eine sehr gute Erfolgsquote. Wenn Adams Zellen aus Amerika zugeschickt und ihm wieder eingeführt werden, wird es ihm für wenige Wochen schlecht gehen. „Da kann es schon passieren, dass ich für fünf oder sechs Wochen ins Krankenhaus muss. Und dann muss man abwarten, wie der Körper reagiert.“
In der Zwischenzeit findet sich vielleicht ein Stammzellenspender bei der DKMS. Diese Aktion kam nur ins Rollen, weil Philip Weise ohne Adams Wissen in seiner Firma um Unterstützung bat. Die beiden Arbeitskollegen kennen sich noch nicht, als Adam die ersten beiden Male krank wird. Als sie privat mehr und mehr miteinander zu tun haben und aus Kollegen Freunde werden, weiht ihn Adam ein. Als sie Mitte Dezember zu einem Geburtstag aufbrechen und abends noch feiern gehen möchten, kommt auf einmal die Nachricht von Adam: „Ich kann nicht mitkommen, ich habe wieder Blutkrebs.“
Nach dem Schock folgt der DKMS-Aufruf
„Wir wussten natürlich nicht, was wir sagen und wie wir reagieren sollen. Alle waren geschockt und bestürzt, und wir haben angefangen zu überlegen, wie wir ihm helfen können“, erinnert sich der 31-Jährige. Er selbst kennt Krebs aus seinem privaten Umfeld und verbindet es eher mit „an der Klippe zum Tod stehend“ als mit „ein bisschen Therapie und dann wird das schon wieder“. Philip: „Ich weiß, dass Adam das komplett anders sieht. Er macht sich nicht verrückt und lebt sein Leben, das ist absolut positiv.“
Trotzdem will er seinem Freund helfen: Er meldet sich bei der BRB-Geschäftsführung, wirbt um Unterstützung. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht in der Firma. Auf einmal sprechen Philip Arbeitskollegen an, mit denen er noch nie ein Wort gewechselt hat. Innerhalb kürzester Zeit animiert er über 200 Personen zur DKMS-Anmeldung. „Selbst wenn wir für Adam niemanden finden, helfen wir vielleicht einer anderen erkrankten Person. Und dass die Firma und seine Freunde so hinter ihm stehen, gibt ihm noch mehr Zuversicht und Motivation.“
„Motiviert mich total“
Adam schildert, wie sehr ihn diese Aktion gefreut habe, und dass er in Philipp einen sehr guten Freund gefunden hat. „Das motiviert mich total und gibt mir auch Energie.“ Auch seine Familie und andere Freunde würden sich sehr um ihn kümmern. „Alle sind für mich da, natürlich auch meine Freundin Michelle. Und auch wenn sich manche viele Sorgen machen, sie trifft es auf den Punkt: Jetzt geht es mir noch gut, diese Zeit will ich genießen, und wenn es mir schlechter geht, dann sehen wir weiter.“ Diese Sichtweise ringt auch seinem Freund großen Respekt ab. „Adam hat einen Schlecht-Filter: Wenn ihm jemand etwas Positives und Negatives sagt, dann saugt er nur das Positive auf.“
Zusammen waren die beiden schon mehrmals im Urlaub, unter anderem auf Mallorca und in Kroatien. Ihr letztes Abenteuer führte sie nach Pakistan. Philip hat schon über 70 Länder auf seinen Reisen besucht und das Land in Südasien stand ganz oben auf seiner Liste. Und Adam? Der wollte einfach nur mit seinem Freund wieder verreisen. Erst als der Flug gebucht war, informierte er sich über Pakistan. „Es ist mir eigentlich egal, wo ich Urlaub mache. Viel wichtiger ist, mit wem ich dort bin“, meint Adam. Er wusste nicht, was auf ihn zukommt, aber das war ihm egal.
Abenteuer im pakistanischen Nirgendwo
Sie sehen den K2, den zweithöchsten Berg der Erde, fahren mit dem Motorrad über schlecht ausgebaute Straßen und Gebirgspässe, bleiben mitten im Nirgendwo in der Nähe der chinesischen Grenze wegen eines Defekts liegen, werden in Tunneln von unheimlichen Menschen überrascht: Doch am meisten erstaunt sie die Gastfreundlichkeit der Einheimischen. „Die Armut ist doch ziemlich hoch, doch das Wenige, was die Menschen haben, teilen sie dann noch mit dir als Fremder. Man nimmt dort schon einiges mit und die meisten Menschen verbinden Pakistan auch eher mit Krieg oder Armut, aber nicht mit der Landschaft und den vielen Bergen“, so Adam.
Für die Zukunft stellt er sich vorerst keine großen Pläne auf, sondern nimmt es, wie es kommt. „Die Leukämie grätschte mir schon mehrmals bei Ausbildungen dazwischen. Irgendwann will ich mal eine Familie gründen, aber momentan mache ich mir keine Gedanken darüber, was später mal ist. Ich will in das Hier und Jetzt schauen, das durchstehen und dann den nächsten Schritt machen.“


