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Frust über Mehrwertsteuer-Erhöhung

„Essen gehen wird absolut zum Luxusgut“: Gibt es jetzt die große Gastro-Pleitwelle in der Region?

Brotzeit im Wirtshaus - das wollen die Pruttinger wieder haben. Georg Maier, der ehemalige Wirt, machte für die Dorfwerkstatt eine einmalige Ausnahmeund sorgte für die Stärkung der Teilnehmer.
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Wird es in den Wirtshäusern der Region bald leerer als hier? (Symbolfoto)

Das Essen im Wirtshaus wird wohl erneut teurer. Die Ampel streicht der Gastrobranche den ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Ab Januar sollen statt nur sieben wieder die vollen 19 Prozent fällig werden. Die Branche ist erbost, kündigt an, die Steuer an die Gäste weiterzugeben – und prophezeit eine Pleitewelle.

München  In den letzten Wochen hatte Metzger Andreas Gaßner in den Sozialen Medien alles gegeben: An Halloween warnte er mit schauriger Maske vor „sauren 19 Prozent“ und tauchte sogar im Starnberger See ab, weil den Gastronomen das Wasser bis zum Hals stehe. Aktionen, mit denen er Unterstützer für die Petition des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) gewinnen wollte. Das Ziel: Sieben Prozent auf Speisen müssen bleiben! Es hat nicht geklappt.

Unmut über Steuererhöhung ist groß

Der Unmut ist groß. Pandemie, Krieg, Inflation: „In unseren letzten drei Preisrunden haben wir diese Mehrbelastungen nie voll weitergegeben“, sagt Stephan Kuffler (Seehaus, Mangostin, Spatenhaus, Weinzelt). „Mit der Erhöhung auf 19 Prozent geht das leider nicht mehr, wir werden sie weiterreichen müssen an den Gast.“

Dazu sieht sich auch Alte-Utting-Chef Daniel Hahn gezwungen – auch wenn es ihn schmerzt: „Grundsätzlich ist es uns wichtig, dass sich gutes Essen jeder leisten kann“, sagt er. Ercan Köse vom Schützenwirt in Miesbach will die Preise vorerst nicht erhöhen, er setzt auf die Hilfe seiner Familie: „Wir wollen, dass die Gäste sich einen Restaurantbesuch weiter leisten können.“ Doch wie lange noch? „Halbwegs vernünftig essen zu gehen wird absolut zum Luxusgut“, warnt Kuffler.

Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, hatte der Bund die Umsatzsteuer, auch Mehrwertsteuer genannt, auf sieben Prozent gesenkt und die Regelung wegen der Energiekrise verlängert. Nun also dreht er das Rad zurück – mit der Folge, dass die Gastronomie wieder unterschiedlich besteuert wird. Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder zur Lieferung wird weiter mit sieben Prozent belastet, Essen im Restaurant und Café hingegen mit dem Normalsatz, der in Deutschland bei 19 Prozent liegt.

„Es ist uns leider nicht gelungen, die Verlängerung zu einem gemeinsamen Koalitionsprojekt zu machen“, erklärte der FDP-Abgeordnete Christoph Meyer. Die Liberalen hatten sich für eine Verlängerung eingesetzt, Grüne und SPD waren dagegen. „Alle Pläne zur Verlängerung der reduzierten Umsatzsteuer in der Gastronomie standen von Anfang an unter Finanzierungsvorbehalt“, sagte Meyer weiter. Ihm zufolge wäre eine Einigung der Ampelparteien zwar möglich gewesen. Jedoch sei die Zustimmung der Länder und die Übernahme ihres Kostenanteils an den 3,6 Milliarden Euro vollkommen offen gewesen. Zudem habe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung der Mittel aus dem Corona-Fonds „die Haushaltsspielräume zusätzlich eingeschränkt“.

Wiener Schnitzel fast drei Euro teurer

Die Branche warnt vor erheblichen Folgen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband sprach von bis zu 12 000 Betriebsschließungen, starken Preissteigerungen, sinkenden Umsätzen und weniger Jobs. Steffen Marx, Chef des Giesinger Bräustüberls in München, hat auf seiner Speisekarte vorsorglich schon zwei Preise stehen, einmal den aktuellen und in Klammern den, wenn er die höhere Steuer in etwa weitergibt: Schweinsbraten 18,80 anstatt 16,90 Euro, Käsespätzle 17,70 statt 15,90 Euro, Wiener Schnitzel vom Kalb 28,80 statt 25,90 Euro.

In der EU haben die meisten Länder eine höhere Umsatzsteuer als Deutschland. Spitzenreiter ist Ungarn mit 27 Prozent (siehe Grafik). Allerdings wird die Gastronomie in den meisten Ländern bevorzugt. So erhebt Ungarn für Essen nur fünf Prozent Umsatzsteuer – 22 Prozent weniger als der Normalsatz.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach von einem fatalen Signal. Die höhere Steuer führe „zu höheren Lebensmittelpreisen, ist mittelstandsfeindlich und heizt die Inflation nur zusätzlich an. Unsere Wirtschaft und Bevölkerung müssen in diesen Krisenzeiten entlastet werden – und nicht belastet.“ Anstatt die Preise beim Essen zu erhöhen, brauche es „eine Senkung der Steuer auf Grundnahrungsmittel auf null Prozent“, betonte Söder. Der FDP warf er einen beispiellosen Wortbruch vor. Die Freien Wähler warnen, bayerische Wirte könnten nicht mehr mit jenen in Österreich und Tschechien mithalten. In beiden Ländern liegt die Umsatzsteuer für Essen bei zehn Prozent.

Der Verband der Tiefkühlindustrie hatte im Oktober eine Befragung beim Marktforschungsinstitut Innofact in Auftrag gegeben. 53 Prozent der 1035 Befragten gaben an, seltener zum essen zu gehen, sollte die höhere Umsatzsteuer einen weiteren Preisanstieg in Restaurants bringen.

Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, kritisierte die Ampel scharf. Es habe „klare Signale“ gegeben, den ermäßigten Satz zu verlängern (siehe Interview). „Ich erwarte von einer Regierung, dass sie sagt: Das ist richtig und das wollen wir.“ Auch sei die Rechnung des Bundes falsch. Zwar spare man jetzt vielleicht Geld, aber als Folge würden die Steuereinnahmen aus der Gastronomie sinken

Es gibt aber nicht nur Kritik. Die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer sagte im Deutschlandfunk: „Die Corona-Pandemie, die ist vorbei. Dass man weiterhin die Gastronomie extra unterstützt, ist nicht einzusehen.“

Angela Inselkammer, Präsidentin des bayerischen Gaststättenverbands, fordert weiterhin sieben Prozent für die Speisen.

„Wir sind fassungslos und tief getroffen“

Angela Inselkammer ist Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), betreibt den Brauereigasthof Hotel Aying und hat 120 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Frau Inselkammer: Wie ist Ihre Gemütslage?

Wir sind fassungslos und tief getroffen. Am Montag hatten wir noch die Nachricht bekommen, dass die Koalitionsspitzen sich geeinigt haben, die reduzierte Mehrwertsteuer noch ein Jahr weiterlaufen zu lassen. Dann kam das Urteil – und reflexartig sind wir die Ersten, die gekürzt werden.

Sie sehen einen direkten Zusammenhang zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Verschiebung der 60 Milliarden Euro vom Corona- in den Klimaetat für nichtig erklärt hat?

Eindeutig. Und das finden wir furchtbar. Eine Steuererhöhung auf Speisen ist ein fataler Irrweg.

Mal provokant gefragt: Ist das jetzt ein Jammern auf hohem Niveau oder droht Wirten und Gästen wirklich Schlimmes?

Vielen Gastronomen im Land steht das Wasser bis zum Hals. Wir haben drei schwere Jahre hinter uns – und jetzt kommt wieder ein Knüppel. Wir hatten Preiserhöhungen in erheblichem Maße: teurere Energie, 20 Prozent höhere Lohnkosten, 25 Prozent mehr Lebensmittelkosten. All das haben wir nicht eins zu eins an den Kunden weitergegeben, sondern großteils geschluckt. Jetzt kommen noch mal zwölf Prozent Steuer obendrauf. Das heißt, wir müssen die Preise erhöhen – obwohl unsere Gäste selber Probleme haben mit ihren Ausgaben.

In den meisten EU-Ländern hat die Gastro einen bevorzugten Steuersatz.

Die reduzierte Mehrwertsteuer machen andere EU-Länder ja nicht einfach so, sie ist ein Wettbewerbsargument. Bei uns ist es auch eine Frage der Gerechtigkeit. Das Essen zum Mitnehmen bleibt ja bei sieben Prozent. Essen für Schulen und Kitas dagegen wird jetzt teurer um zwölf Prozent. Das ist eine krasse Ungerechtigkeit.

Haben Sie denn Hoffnung, dass es doch noch anders kommt?

Wir haben alle unsere Argumente breit und klar diskutiert – mit dem Bundeskanzler, dem Bundesfinanzminister, mit allen. Und alle hatten uns persönlich versichert, dass sie den niedrigeren Satz richtig finden. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber dass sich noch was ändert, das bezweifle ich. Aber wir haben eine Menge Ministerpräsidenten, die auf unserer Seite stehen. Vielleicht haben die eine Möglichkeit, ihr Gewicht noch mal ins Spiel zu bringen.

Interview: Wolfgang Hauskrecht

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