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„2300 Betriebe stehen vor dem Aus“

Mehrwertsteueranpassung im Gaststättengewerbe - „Preisschock für Gäste“ auch im Berchtesgadener Land

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Urlauber am Königssee lassen es sich schmecken: Ende des Jahres könnte die Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent angepasst werden. Mit preislich deutlichen Konsequenzen für die Gäste.

„Unsere Betriebe haben keine Reserven mehr“, sagt Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer beim Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA). Ob das Wiener Schnitzel statt 23 künftig 26 Euro kostet, macht für den Gast einen gewaltigen Unterschied. Ende des Jahres läuft die Frist aus. Für Gaststätten und Hotels würden statt 7 dann wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer gelten. Geppert befürchtet in diesem Fall dramatische Auswirkungen.

Wie bewertet der DEHOGA Bayern die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer? Wieso ist die Beibehaltung von 7 Prozent für Sie wichtig?

Dr. Thomas Geppert: Eine Steuererhöhung wäre eine Katastrophe für die Betriebe. Diese würde zu einem Preisschock für die Gäste führen - mit fatalen Folgen für die Gesellschaft, den Staat und die Gastgeber. Sterben die Restaurants und Cafés, sterben auch die Innenstädte. Schließt das Gasthaus im Dorf, verschwindet auch ein Stück Heimat und Kultur. Wir wollen, dass für Normalverdiener und Familien ein Gaststättenbesuch weiterhin bezahlbar bleibt - genauso wie das Essen im Kindergarten oder in der Schule. Unsere Branche ist nicht nur ein Job- und Integrationsmotor: Gastgewerbliche Betriebe sind die regionalen Wirtschaftsmotoren. Es sind unsere Restaurants, die auf regional erzeugte Produkte und Dienstleistungen aus der Umgebung setzen und damit nachhaltig wirtschaften. Sie sind darüber hinaus die Grundbedingung, dass Tourismus stattfinden kann. Nicht umsonst lautet das Fazit einer beachteten Studie: ‘Wo das Wirtshaus stirbt, stirbt der Ort’.

Den Kunden hat das bislang kaum etwas gebracht: Gefühlt folgte im Gastgewerbe eine Preiserhöhung auf die nächste.

Geppert: Einmal davon abgesehen, dass es schon vor Corona wettbewerbsverzerrend gewesen ist, auf Speisen im Sitzen - oder im Mehrweggeschirr - 19 Prozent, auf Essen im Gehen und Stehen - oder in Wegwerftellern - hingegen 7 Prozent zu berechnen, hat die Pandemie unsere Branche extrem schwer getroffen. Es gab zwar staatliche Hilfen, die alles andere als selbstverständlich waren - und wofür wir dankbar waren. Diese haben aber nicht im Ansatz ausgereicht, um die Betriebe vor dem Aus zu retten. Viele Betriebe haben sich hoch verschuldet, haben ihre Altersversorgung aufgelöst, nur um durch die Corona-Zeit zu kommen. Und als wir alle dachten: Jetzt geht es wieder los, begann der unsägliche Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die Folgen: Extreme Kostensteigerungen in allen Bereichen, die zum Teil in höheren Preisen weitergegeben werden mussten. Viele Kosten konnten bereits in der Vergangenheit gar nicht auf die Gäste umgelegt werden, weil sonst die Preise unbezahlbar geworden wären.

Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer beim Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband.

Welche unmittelbaren Auswirkungen erwarten Sie bei einer Steuererhöhung für die Branche?

Geppert: Eine Steuererhöhung wäre fatal für die 33.000 gastgewerblichen Betriebe, die 44.7000 Erwerbstätigen sowie alle Gäste. Nach erheblichen Verlusten in den Corona-Krisenjahren stünden bei einer Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen nach unseren Berechnungen noch einmal mehr als 2300 Betriebe im Land vor dem Aus. Mehr als 6500 Betriebe gibt es seit Corona nicht mehr. Zudem ist davon auszugehen, dass viele weitere Betriebsschließungen mit zeitlichem Verzug folgen werden.

Denken Sie, dass Unternehmen ihre Preise erneut erhöhen werden, um die Kosten der Mehrwertsteuererhöhung auszugleichen? 

Geppert: Definitiv müsste die Steuererhöhung durchgereicht werden. Unsere Betriebe haben keine Reserven mehr. In Zahlen ausgedrückt würde das bedeuten, dass zum Beispiel das beliebte Wiener Schnitzel vom Kalb, das heute in einer Gaststätte in Passau 23,90 Euro kostet, künftig mit 26,60 Euro zu Buche schlagen würde.

Welche Auswirkungen könnte die Erhöhung auf die Beschäftigung in der Branche haben? 

Geppert: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer würde zu einem deutlichen Rückgang gastgewerblicher Betriebe und somit zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. Wenn jetzt jemand denken sollte: ‘Na ja, wir haben doch einen Fachkräftemangel in allen Branchen, die Mitarbeiter werden schon irgendwo anders unterkommen’, stimmt dies nur in sehr begrenztem Maß. Zum einen arbeitet in unseren Betrieben jeder 17. Erwerbstätige Bayerns, in Summe 44.7000. Nur zum Vergleich: BMW und Audi beschäftigen zusammen 165.000 Mitarbeiter weltweit. Neben den Fachkräften beschäftigen wir auch Menschen unabhängig davon, ob und welchen Abschluss sie haben. Da gibt es nur wenige Branchen, die über entsprechende Stellen verfügen. Noch ein Aspekt muss beachtet werden: Wir bieten Ausbildungs- und Arbeitsplätze in allen Regionen Bayerns, auch und gerade dort, wo sich andere Firmen zum Teil schon seit Jahren zurückgezogen haben. Ich weiß schlichtweg nicht, wo diese Menschen künftig Arbeit finden könnten.

Hat der Verband Erhebungen anstellen lassen, wie Verbraucher auf potenzielle Preiserhöhungen reagieren könnten?

Geppert: Ja, über 69 Prozent unserer Betriebe halten die Preiserhöhungen bei ihren Gästen für nicht durchsetzbar. 83 Prozent gehen im Falle einer Erhöhung von einem ‘sehr starken’ bis ‘starken’ Nachfrageeinbruch aus. Das Ergebnis hat uns nicht überrascht, denn jeder von uns spürt es doch selbst, dass wir deutlich weniger Geld in der Tasche haben, das wir ausgeben können. Gleichzeitig steigen die Kosten für unsere Hoteliers und Wirte in allen Bereichen immens: Die Energiepreise explodieren, die Personalkosten sind durchschnittlich über 20 Prozent gestiegen. Auch der Wareneinsatz für Lebensmittel ist teurer geworden. Dazu kommt die Konsumzurückhaltung der Gäste. Selbst dort, wo der Umsatz noch gleich geblieben ist, ist der Ertrag in den Keller gerutscht. Umsatz ist eben nicht gleich Gewinn. Nur weil das Wirtshaus voll ist, heißt es nicht, dass der Betrieb gut verdient. Gastronomiebetriebe müssen sechsmal so viele Mitarbeiter einsetzen, um auf denselben Umsatz wie der Einzelhandel zu kommen. Nur mal zur Einordnung: 40 Prozent der Gastronomiebetriebe in Bayern haben weniger als 100.000 Euro Jahresumsatz.

Welche Ratschläge gibt der Verband seinen Mitgliedern, um sich auf diese Änderung vorzubereiten?

Geppert: Zunächst einmal müssen wir für die Entfristung der Mehrwertsteuerreduzierung kämpfen. Politisch gesehen ist dieser Kampf ja nicht aussichtslos, unsere Argumente sind sachlich richtig und gut begründet. Deswegen hat Bundeskanzler Scholz bereits zugesichert, dass er für den Beibehalt ist, ebenso Bundesfinanzminister Christian Lindner. Mittlerweile gibt es auch seitens der Grünen Signale in Richtung Entfristung. Sollte es dennoch zu einer Steuererhöhung kommen, gibt es leider nicht das eine Patentrezept. Neben unumgänglichen Preiserhöhungen werden die einen ihre Öffnungszeiten auf die umsatzstärksten Zeiten reduzieren. Andere werden ihre Speisekarte ausdünnen oder Rezepturen ändern und viele werden nachrechnen, ob sich der Betrieb weiterhin rechnet. Wir setzen alles daran, dass es künftig nicht nur in Städten und an Autobahnausfahrten eine gastronomische Grundversorgung gibt. Wir wollen auch weiterhin in ganz Bayern ein lebens- und liebenswertes Angebot bieten können.

Das sagt Olya Linnberg, DEHOGA-Kreisvorsitzende im Berchtesgadener Land

Olya Linnberg, DEHOGA-Kreisvorsitzende im Berchtesgadener Land, betreibt im Berchtesgadener Talkessel mehrere Hotels.

„Brutale Auswirkungen“ bei einer Mehrwertsteueranpassung befürchtet Olya Linnberg, Kreisvorsitzende des DEHOGA im Berchtesgadener Land und selbst Betreiberin mehrerer Hotels in Berchtesgaden. „Wir müssten neue Wege finden, Personal einsparen und andere Waren einkaufen“, sagt sie. Gäste würden sich dann zweimal überlegen, ob sie zum Essen in eine Gaststätte gehen oder doch lieber in der Ferienwohnung kochen. Eine Rückkehr zu den 19 Prozent? Die DEHOGA-Kreisvorsitzende ist überzeugt davon, dass die Auswirkungen auf Gastronomie und Hotellerie verheerend wären.  

kp

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