Mitgliederzahlen steigen - Doch nun kommt neues Problem
„Renaissance des Zusammenseins“: Warum Bayern einen neuen Ansturm auf Sportvereine erlebt
Noch nie hatten Bayerns Sportvereine so viele Mitglieder wie derzeit. Die Zahlen liegen sogar höher als vor Corona. Die Lust am gemeinsamen Sport ist wieder da - doch die Vereine haben trotzdem Schwierigkeiten, das Angebot aufrechtzuerhalten.
München – Die Zahl war gewaltig, die Angst groß. 100.000 Mitglieder hatte der Bayerische Landes-Sportverband BLSV im Corona-Jahr 2020 verloren. Zwei Prozent. Vor allem die Mitgliedschaften von Kindern und Jugendlichen bröckelten weg, bis zu fünf Prozent. „Alarmierend“, warnte der BLSV vor drei Jahren.
Leere Sportplätze, verwaiste Turnhallen – das ist vorbei. Am Wochenende meldete der BLSV das Gegenteil: Noch nie hat es in Bayern so viele Mitgliedschaften in Sportvereinen gegeben wie im vergangenen Jahr. Der BLSV zählte Ende Dezember rund 4,7 Millionen Mitglieder – 170.000 mehr als im Vorjahr. In den Corona-Jahren sei die Zahl der Mitglieder auf 4,3 Millionen gefallen. Aber auch vor Corona war das aktuelle Niveau nicht erreicht worden. „Ich freue mich über die steigende Zahl der Neueintritte in Sportvereine“, sagt der zuständige Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
„Renaissance des Zusammenseins nach der Vereinsamung in der Pandemie“
Woran liegt’s? Katharina Schwarz vom BLSV spricht von einer Wiederbelebung der Vereinskultur, von einer „Renaissance des Zusammenseins nach der Vereinsamung in der Pandemie“. Vor allem der Dauerbrenner Fußball sei nicht zu toppen. Aber auch Randsportarten wie Cheerleading oder Cricket werden beliebter. Und rund um die großen Städte München, Augsburg oder Nürnberg boomen die Fitness-Angebote als günstige Alternative zum kostspieligeren Fitnessstudio.
Die Mitgliederzahl ist wichtig für die Vereine – auch aus finanziellen Gründen. Die Vereinspauschale, mit der der Freistaat den Sportbetrieb unterstützt, wird laut Innenministerium maßgeblich nach der Anzahl der Mitglieder ausbezahlt – das sei ein zusätzlicher Ansporn gewesen. Geholfen hat möglicherweise auch das Gutscheinprogramm, das Bayern 2021 aufgelegt hatte: Grundschulkinder bekamen 30 Euro für eine neue Mitgliedschaft. Insgesamt wurden Gutscheine für eine Million Euro eingelöst.
Ansturm auf Vereinsangebote – damit kennt sich Florian Bayer, Geschäftsführer beim TSV Gilching-Argelsried, bestens aus. Sein Verein ist der größte im Landkreis Starnberg und die Verantwortlichen führen lange, sehr lange Wartelisten. „Vor allem bei den Angeboten für Kinder“, sagt Bayer. Das tut gut nach der Corona-Krise: Damals verlor sein Verein 600 Mitglieder. In der schwersten Zeit, als monatelang kein Training stattfinden konnte, waren es noch 2800 Mitglieder, die dem Verein die Stange hielten – jetzt sind es wieder rund 3600.
„Wir könnten noch größer sein“
Es war nicht ganz einfach, die Strukturen wieder aufzubauen, sagt Bayer. Viele Übungsleiter und Trainer sind abgesprungen, als der Verein während Corona logischerweise keine Gehälter oder Aufwandsentschädigungen bezahlen konnte. Die Lösung: „Wir haben die Gehaltsstruktur im Verein angehoben“, sagt Bayer. Mitglieder da, Trainer da – jetzt hat sein TSV das Problem, dass nicht genügend Sportstätten zur Verfügung stehen. „Wir könnten noch größer sein.“
Der TSV Eintracht Karlsfeld im Kreis Dachau hat das Vor-Corona-Niveau noch nicht ganz erreicht, Präsident Stephan Priewe ist dennoch zufrieden. 3800 Mitglieder waren es vor der Pandemie, in den düstersten Zeiten 3200, jetzt wieder 3300. „Der Zuwachs kommt“, sagt Priewe – „aber wir müssen erst noch Trainer gewinnen.“ Dann könnte man noch viel mehr Mitglieder aufnehmen, vor allem Kinder. Aber: Viele Ehrenamtliche hätten während Corona „Freizeit gelernt“. Die fehlen jetzt.
Das ist ein großes Problem, wenn nicht sogar das größte, sagt Manuel Schmidhuber, beim BLSV zuständig für die Vereine. Vor allem um Posten in der Vereinsführung reißt sich kaum noch jemand. „Das ist heutzutage nicht mehr einfach mit der ganzen Bürokratie.“ Dazu passt auch diese Entwicklung: Die Zahl der Vereine, auf die sich immer mehr Mitglieder verteilen, nimmt ab. Im Dezember des vergangenen Jahres gab es im Freistaat knapp 11.600 aktive Sportvereine. 2019 waren es noch knapp 11.900.