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Ist das noch ein Dummer-Jungen-Streich?

Aiwanger in Bedrängnis: Lehrerin erinnert sich an unglaubliche Attacke

Hubert Aiwanger
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Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.

In der Diskussion um Hubert Aiwanger kommen immer neue Details ans Licht. Die Vorwürfe häufen sich: Jetzt erinnert sich seine Kunstlehrerin an einen in ihrer beruflichen Karriere einzigartigen Angriff, der sprachlos macht.

München – Ein paar Tage lang hat es Hubert Aiwanger ausgehalten. Sonst tippt er auf Twitter, das seit Kurzem X heißt, schneller als sein Schatten. Er diskutiert mit bekannten politischen Konkurrenten, aber auch mit namenlosen Accounts. Seit den Enthüllungen über das Flugblatt aber hielt er still. Gestern dann – fast zeitgleich mit der Nachricht, dass die Staatskanzlei ihre 25 Fragen übersandt habe – meldet sich der stellvertretende Ministerpräsident zu Wort. Die knappe Botschaft: „Schmutzkampagnen gehen am Ende nach hinten los.“ Man darf nun rätseln, ob damit alte Lehrer und Mitschüler, die Journalisten oder doch die CSU und Markus Söder gemeint sind.

Söder jedenfalls hat seine Ankündigung wahr gemacht und seinem Vize, mit dem er sonst auf dem ganz kurzen Dienstweg kommuniziert, offiziell seinen Katalog übermittelt. „Alle Fragen müssen zweifelsfrei geklärt werden – da darf kein Verdacht übrig bleiben“, sagt der CSU-Vorsitzende am Mittwochmorgen. Es werde ein „faires Verfahren“ geben, verspricht er wie ein Richter. Man brauche aber „zeitnahe und maximal transparente Antworten“. Auf seiner Liste seien auch Fragen zu den „neuen Vorwürfen, die jetzt bekannt geworden sind“.

Söder meint damit einen Bericht des „BR“. Dort meldet sich ein ehemaliger Mitschüler zu Wort, der mit Aiwanger in die Klasse gegangen ist. Mario Bauer ist der Erste, der sich vor der Kamera und mit Namen äußert. Er bestätigt, was unsere Zeitung am Montag berichtet hatte: „Er hat sehr oft Hitler-Ansprachen nachgemacht“, sagt der ehemalige Mitschüler dem ARD-Magazin „Report“. Manchmal habe Aiwanger den Raum auch mit einem Hitler-Gruß betreten. Auch Judenwitze habe er „definitiv“ erzählt. „Viele haben ihn damals abgetan als Spinner. Welche starke Gesinnung dahinter gesteckt hat – keine Ahnung.“ Aiwanger weist das gegenüber der „Bild“ zurück. „Mir ist nicht im Entferntesten erinnerlich, dass ich so etwas gemacht haben soll.“

Doch die Vorwürfe häufen sich: Eine weitere Ex-Mitschülerin sagte der „SZ“, Aiwanger habe oft Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ in der Schultasche mitgeführt. Sie wisse das, weil sie selbst das Buch in der Hand gehabt habe.

Fakt ist: Als Politiker hat Aiwanger nie antisemitische Ansichten geäußert. Auch nicht in kleinstem Kreis, wie etliche Mitstreiter bei den Freien Wählern berichten, die teils schon seit Jahrzehnten mit ihm zusammenarbeiten. „Aiwanger hat, seitdem er mein Nachfolger ist, niemals rechtes Gedankengut öffentlich oder intern vertreten. Das Gegenteil war der Fall“, sagt der ehemalige Vorsitzende Armin Grein, der sonst auch mal kritisch ist. Die Reihen sind geschlossen. Man sieht Aiwanger als Opfer einer Kampagne.

Doch in der CSU versteht man nicht, warum der Minister nicht einfach einen Schlussstrich unter seine Schulzeit ziehen wollte – und stattdessen alles abstritt. Dass er das angeblich vom Bruder verfasste Flugblatt gar wieder eingesammelt habe, wie es Bruder Helmut einige Tagen nach Bekanntwerden der Geschichte behauptete, wird durch Erinnerungen an Hitler-Grüße und Judenwitze nicht glaubwürdiger. Aber klar ist: Einen Beweis über die tatsächliche Urheberschaft des Flugblatts dürfte niemand führen können. „Letztlich glaubt jeder das, was er glauben möchte“, sagt ein hochrangiger Vertreter der Freien Wähler. Fraktionschef Florian Streibl weist auch Signale von Söder zurück, eine Koalition sei nicht an einzelne Personen gebunden. „Eine Botschaft müssen wir senden: Eine Koalition in Zukunft wird es auch nur mit Hubert Aiwanger geben“, sagt er nach gemeinsamen Beratungen von Parteispitze und Fraktion.

Kunstlehrerin berichtet von Säure-Angriff

Die Veröffentlichungen treiben jedenfalls viele Menschen um. Es kommen Geschichten ans Licht, die eigentlich nach 35 Jahren niemanden interessieren würden – aber plötzlich ins Bild passen. Gudrun A. beispielsweise war Aiwangers Kunstlehrerin. Unserer Zeitung bestätigt sie auf Anfrage, dass der Schüler sie in der 9. Klasse – also zwei Jahre vor der Flugblatt-Episode – mit einer Säure bespritzt habe. Der Vorfall fand demnach in einem Nebenraum der Kunst-Klassenzimmer statt, der für Schüler eigentlich nicht zugänglich war. A. dachte zunächst, sie sei mit Wasser bespritzt worden. Später stellte sich heraus, dass die Flüssigkeit Löcher in die Kleidung geätzt habe. „Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn er mich im Gesicht oder den Augen getroffen hätte.“ Eine weitere Lehrerin, die sich ebenfalls im Raum befand, bestätigt den Vorfall. Auch sie sei getroffen worden, ebenfalls nur an der Kleidung. Laut A. bekam Aiwanger einen Direktoratsverweis. Die Eltern mussten die Kleidung ersetzen, berichten die Lehrerinnen. Beide sagen, dass ein solcher Vorfall in ihrer Laufbahn absolut einzigartig gewesen sei.

Aiwanger lässt eine Anfrage dazu unbeantwortet. Tatsächlich liegen diese Vorfälle auch fast vier Jahrzehnte zurück. Nie wurde darüber öffentlich gesprochen. Dumme-Jungen-Streiche. Verjährt. Aber jetzt rücken sie trotzdem ins Blickfeld, weil sich Aiwanger vor allem als Opfer darstellt. FDP-Fraktionschef Martin Hagen nennt das „fehlendes Problembewusstsein“.

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