Bau-Krise
Wohnungsbau-Experten entsetzt über Ampel-Regierung: „Seit Monaten senden wir Signale!“
Die Krise im Wohnungsbau geht weiter. Die Zahl der Genehmigung sank im Sommer auf einen Rekord-Tiefstand. Die Baubranche appelliert – erneut – an die Bundesregierung.
Berlin – Erneut trifft die Baubranche eine Hiobsbotschaft: Im August sanken die Wohnungsbauaufträge um 31,6 Prozent. Von Januar bis August 2023 sank die Zahl der Genehmigungen damit um 28,3 Prozent zum Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch (18. Oktober) mitteilte. Dies entspricht einem Rückgang um 69.100 auf 175.500 Wohnungen. Die Zahl der Genehmigungen gilt als Indikator für das künftige Baugeschehen.
„Schon wieder offenbart der Blick auf die monatlichen Zahlen ein katastrophales Bild“, sagte der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko. „Deutschland braucht dringend neue, bezahlbare Wohnungen. Ansonsten steht der soziale Frieden auf dem Spiel.“
Wohnungsbau in der Krise: „Vertrauen in die Politik ist verloren gegangen“
In den Ergebnissen sind sowohl die Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten. Der Wohnungsbau entwickelt sich immer mehr zum Sorgenkind der hiesigen Wirtschaft. Im September waren 21,4 Prozent der Firmen von stornierten Projekten im Wohnungsbau betroffen – so viele wie noch nie seit Beginn der Umfrage 2012, wie das Münchner Ifo-Institut zu Wochenbeginn mitteilte. Viele Projekte seien wegen der höheren Zinsen und gestiegenen Baukosten nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar.
Nun müsse die Regierung handeln und die Rahmenbedingungen für den bezahlbaren Wohnungsbau schnell verbessern, forderte Gedaschko. So müsse eine Zinssenkung nach dem Beispiel anderer europäischer Länder garantiert werden. Im Gegenzug solle die Branche entsprechend niedrigere Mieten garantieren.
Auch Thomas Reimann, Präsident des Baugewerbe-Verbands Hessen, warnt sowohl Landes- als auch Bundesregierung. „Noch sind die hessischen Bauunternehmen liefer- und leistungsfähig, um den dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, um Straßen und Brücken zu erneuern und für eine zukunftsfähige Infrastruktur zu sorgen“, sagt er. Aber die Zeit drängt. „Das Vertrauen der Investoren in eine stabile politische Umgebung ist verloren gegangen, und nun sehen wir die Auswirkungen im Herbst 2023 mit besorgniserregenden Stornierungen bei Neubau-Projekten“. Dabei sei die aktuelle Krise keine Überraschung: „Seit Monaten haben wir Signale gesendet und Lösungen präsentiert, um dieser problematischen Tendenz entgegenzuwirken“.
Vorherige Regierung hätte Maßnahmen ergreifen können
Bei einem Wohnungsbaugipfel der Bundesregierung mit Vertretern der Baubranche wurde Ende September eine Reihe von Maßnahmen beschlossen – darunter eine großzügigere Ausgestaltung der Regeln für Abschreibungen. Die Branche wertete die Maßnahmen als Schritte in die richtige Richtung, mahnte aber zur Eile. Und viele sahen die Entscheidungen in Berlin als zu wenig an, um den Markt noch zu drehen. Einige Projektentwickler sind bereits in die Insolvenz gegangen. Das Ziel der Regierung, dass 400.000 neue Wohnungen im Jahr gebaut werden, ist in weite Ferne gerückt.
Das Problem ist nach Ansicht Reimanns auch nicht nur eines der Ampel-Koalition, sondern eines, das die vorherige Regierung hätte angehen können. „Wir brauchen eine Reform, wir brauchen weniger Auflagen, weniger Gesetze, weniger Vorschriften. Das Rad müssen wir nicht neu erfinden: schon der letzten Regierung lag der ausführliche Bericht der Baukostensenkungskommission mit pragmatischen Vorschlägen vor.“ In diesem Bericht steht seiner Meinung nach alles, was die Regierung brauche, um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln – und einen Kollaps zu verhindern.
Mit Material von Reuters
Rubriklistenbild: © Monika Skolimowska/dpa
