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Krise im Wohnungsbau: Wie die Ampel-Politik das Vertrauen einer Branche zerstört hat
Es herrscht Wohnraummangel und doch wird nichts mehr gebaut. Die Koalition muss die Krise in den Griff kriegen und das verspielte Vertrauen der Branche wiedergewinnen.
Berlin – Die deutsche Baubranche sendet über alle möglichen Wege SOS-Signale an die Politik. Der Bauboom ist längst verflogen, trotz akuter Wohnungsnot werden nicht annähernd genug neue Wohnungen gebaut. Investoren springen ab, die Branche sieht sich mittlerweile sogar gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen oder in Kurzarbeit zu schicken, eine Pleitewelle droht. Gespannt blicken alle nun auf den Wohnungsgipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) Ende September. Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA erklärt der Präsident des hessischen Baugewerbes, Thomas Reimann, was getan werden muss – und warum die Ampel eigentlich alles schon hat, was sie braucht.
Baubranche: Ampel-Beschluss aus Meseberg reicht nicht aus
„Wenn wir den Wohnungsbau wirklich zukunftsfest machen wollen, müssen wir das Übel an der Wurzel packen“, sagt Reimann, der im Juni dieses Jahres zum Präsidenten des Verbands baugewerblicher Unternehmer Hessen gewählt wurde. Das, was die Ampel bei ihrer Klausur in Meseberg beschlossen hatte, sei „reichlich wenig“ gewesen und bringe den Unternehmen nicht wirklich viel. Lediglich die degressive AfA lobt der Unternehmer. Auch das sei aber „ein Tropfen auf dem heißen Stein“.
Konkret fordert Reimann das, was mittlerweile schon fast überall zu hören ist: weniger Bürokratie, weniger Auflagen, Gesetze und Vorschriften – und endlich mehr Digitalisierung und Deregulierung. Damit würde das Bauen wieder günstiger werden, sagt er. Um seine Forderung zu veranschaulichen, nennt Reimann ein Beispiel: „Wir haben in Deutschland 16 unterschiedliche Landesbauordnungen. In Hessen gelten andere Vorschriften für Fluchttüren als in Bayern. Ist denn der Feuerwehrmann in Bayern dicker als der in Hessen?“ Um all diese verschiedenen Bauverordnungen in den Bundesländern zu verstehen und umzusetzen, müssen gerade beim privaten Häuslebauer oft Berater eingesetzt werden: ein enormer Preistreiber, so Reimann. Bauen muss einfacher werden, damit würde es auch günstiger gehen.
Baukostensenkungskommission gab schon 2015 Empfehlungen
Das, was Thomas Reimann fordert, ist also eine Reform des Baurechts, eine Verschlankung und Vereinheitlichung der Vorschriften. Das ist nicht neu. Genau zu diesem Ergebnis kam schon 2015 die von der damaligen Regierung eingesetzte Baukostensenkungskommission, die Vorschläge erarbeiten sollte, um das Bauen künftig krisenfester und günstiger zu machen. Der Bericht ist öffentlich einsehbar – politisch ist damit aber nie etwas passiert.
Als allererste Empfehlung in diesem Bericht schreiben die Autoren: „Es sollte eine verpflichtende Folgenabschätzung für die Kosten des Wohnens für alle Entwürfe von Gesetzen, Verordnungen und Normen eingeführt werden.“ Schon 2015 war also klar, dass die vielen Vorschriften in Deutschland langfristig die Preise in die Höhe treiben würden. Eine Folgenabschätzung für diese Gesetze hätte wohl darauf aufmerksam machen können.
Und weiter heißt es in den Empfehlungen: „Auf die stetige Zunahme kostenverursachender Anforderungen aus den verschiedensten Rechtsbereichen sollte der Bund mit einer Transparenzinitiative reagieren. Neue Anforderungen sollten verpflichtend daraufhin geprüft werden, in welchem Umfang damit Kostensteigerungen verbunden sind und das Bauen und Wohnen dadurch verteuert wird.“
Weitere Empfehlungen der Kommission waren: Mehr serielles Bauen, mehr Forschung in kostengünstiges Bauen, Erstellung einer „Musterbauordnung“ für die Länder, damit nicht überall unterschiedliche Vorschriften gelten. Über neun Seiten wird auf verschiedene Möglichkeiten zur Senkung der Baukosten eingegangen.
Heizungsgesetz verunsichert Investoren
Schon damals hätte man also den Empfehlungen der Kommission folgen können – vielleicht würde die Baubranche dann jetzt nicht in der Krise stecken. Nun ist das Kind aber in den Brunnen gefallen. Und recht lange ging es ja noch gut, wie auch Thomas Reimann sagt: „Bis Herbst 2021 hatten wir einen funktionierenden Markt. Dann wurde die KfW 55 Förderung kurzfristig und völlig überraschend eingestellt, was das Vertrauen von Investoren zerstört hat“. Bis Januar 2022 wurden über die staatliche KfW-Bank alle Neubauten gefördert, die den Energieeffizienzstandard 55 erfüllt haben.
Als dann noch das Gebäudeenergiegesetz (GEG), umgangssprachlich als Heizungsgesetz bekannt, ins Gespräch kam, wurden Bauherren laut Reimann noch mehr verunsichert. Diese Verunsicherung gelte es jetzt wieder umzukehren. „Wir brauchen überhaupt kein Geld vom Staat. Was wir brauchen sind Signale des Vertrauens, damit Investoren wieder wissen, dass sie sich auf die Politik verlassen können“, lautet das Fazit des Bauunternehmers deshalb. Ob das auch wirklich bis ins Kanzleramt vordringt, wird sich spätestens Ende September zeigen.
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