Spitzenverdiener oder Hungerleider?
„Die ersten Jahre waren bitter“: Alraune und Christian Huba über die Kunst, von der Kunst zu leben
Alraune und Christian Huba aus Aschau im Chiemgau haben ihren Traum vom Leben als Künstler wahr gemacht. Der Weg dahin war alles andere als leicht. Welchen Herausforderungen sich das Paar stellen musste und wie sie es am Ende geschafft haben, von der Kunst zu leben.
Aschau im Chiemgau – Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein in der kleinen Werkstatt des Künstlerpaars Christian und Alraune Huber alias „Huba“ und Alraune. An den Wänden hängen Skizzen mit Entwürfen, im ersten Raum stehen drei große Leinwände, an denen Huba gerade arbeitet. Die Pinsel sind noch feucht von der bunten Farbe. Im hinteren Teil des Ateliers sitzt Alraune an einem Tisch. In ihren Händen hält sie ein Messer, das durch das weiche Wachs einer Osterkerze gleitet, an der sie gerade arbeitet. Um sie herum: Pinsel, Farbe, Papier mit Entwürfen – „Chaos. Ich brauche dieses Chaos“, sagt sie und lacht.
Langer Weg zum Erfolg
Am Fuß der Kampenwand, direkt unter dem Schloß Hohenaschau hat sich das Paar niedergelassen. In dem Altbau mit der knarzenden Tür arbeiten sie, leben ihren Traum vom Dasein als Künstler. Christian Huba widmet sich überwiegend der Bildhauerei und Malerei. Alraune malt, illustriert Kinder-Malbücher und gestaltet Kerzen. Von ihrer Kunst leben sie. „Es ist ein bescheidenes Leben. Aber ein gutes“, sagt Huba.
Das war nicht immer so. Denn um da hinzukommen, wo sie jetzt sind, mussten sie erst sehr tief fallen und langsam einen Weg finden, um mit der Kunst Geld zu verdienen. Alraune, die gebürtig aus Nußdorf am Inn stammt, besuchte die Holzbildhauerschule in Berchtesgaden, Huba, gebürtig aus Zell am See (Österreich), die Stein- und Holzbildhauerschule in Hallein. Beide zog es weg aus ihrer Heimat, weg vom Land in die Stadt, und so lernten sie sich während des Studiums an der Hochschule für Künste in Bremen kennen. „Bald war das erste Kind unterwegs“, sagt Alraune, „und mit der Zeit bekam ich Heimweh“. Also ging es 1997 zurück nach Bayern in den Chiemgau.
Kunst schaffen, die gefragt ist
Nach dem Kunststudium „wird man sehr schnell in die Realität katapultiert“, erinnert sich der Bildhauer. In der anfänglichen Künstlerblase haben sie sich „an der Gesellschaft vorbei entwickelt“. Bis die Blase platzte. „Die ersten Jahre waren bitter.“ Um die Familie über Wasser zu halten, haben als Briefträger gearbeitet und andere Aushilfsjobs angenommen. Sieben Jahre dauerte es, bis das Geschäft mit der Kunst anlief.
Es sei ein Prozess gewesen, herauszufinden, wie sie mit dem, was sie können, auch Geld verdienen, erinnern sie sich. Weg vom freischaffenden Künstler hin zum Auftragskünstler. „Wir produzieren nicht einfach, was in unseren Köpfen herumschwirrt. Wir erörtern, was die Leute brauchen und wofür sie bereit sind, Geld auszugeben“, erklärt Huba.
Alles in allem, so der Bildhauer, funktioniere ihre Arbeit wie jedes andere Unternehmen auch. Sie zahlen Steuern, der Ablauf sei geregelt, wenn auch nicht die Arbeitszeiten. „Man muss streng zu sich sein“, sagt Alraune. Um Abgaben zu erfüllen, sich nicht zu verkünsteln – und am Ende auch selbst mit seinem Werk zufrieden zu sein.
Kindergartenbilder, Lüftlmalerei, Kirchenkunst
Auch wenn die beiden Künstler nach Auftrag arbeiten, heißt es nicht, dass sie dabei ihren eigenen Stil, ihre Ästhetik verworfen haben. „Es bleibt noch viel Raum, den man mit eigenen Vorstellungen und Werten füllen kann“, erklärt Huba. Als Künstler sei es ihnen wichtig, den Zeitgeist abzubilden. „Unser Stil ist die gemäßigte Moderne, die sich Inspiration aus der Tradition holt“, resümiert Alraune.
Ihr Schaffen reicht von der Gestaltung eines Kindergartens über Lüftlmalerei bis hin zu Kirchenskulpturen. Huba arbeitet dabei auch mit anderen regionalen Unternehmen wie der Frasdorfer Firma Spielgeräte Richter zusammen. Im vergangenen Jahr schuf Huba Totem-Tierskulpturen für einen Park im kanadischen Toronto. Alraune suchte etwas länger nach einer künstlerischen Ausdrucksform. Versuchte sich auch als Kirchenrestauratorin. Bis sie vor etwa 25 Jahren das Gestalten von Kerzen für sich entdeckte. „Die Symbolkraft der brennenden Kerze fasziniert mich“, sagt sie.
Weniger als 1100 Euro Netto im Monat
Was Christian Huba und Alraune geschafft haben, gelingt längst nicht allen Künstlern. Wie Katrin Dillkofer, Geschäftsführerin des bayerischen Berufslandesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) erklärt, sei es durchaus möglich, als Künstler seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. „Doch nur ein Bruchteil kann seine Existenz durch Verkäufe der eigenen Arbeiten finanzieren.“ Relevant seien deswegen auch Förderungen und Programme von staatlichen und privaten Trägern, die künstlerische Projekte unterstützen und ermöglichen. Denn nicht jeder produziere zweidimensionale Flachware oder Skulpturen, die sich zum Verkauf eignen. Dazu gehören beispielsweise der performative Bereich, Kunst im öffentlichen Raum oder auch die Videokunst. Viele Künstler seien aufgrund ihres praktischen Wissens deswegen auch als Kunstvermittler an Museen und Ausstellungshäusern gefragt.
Wie hoch die durchschnittlichen Verdienste von Künstlern sind, lasse sich laut Dillkofer nur schwer beantworten. „Aktuell führt der BBK Bundesverband gemeinsam mit der Stiftung Kulturfonds eine Erhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstlern durch, die im Herbst 2025 veröffentlicht werden soll.“ Die letzte Erhebung stamme vom Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2021. Daraus geht hervor, dass 36 Prozent der Erwerbstätigen im Bereich der Bildenden Kunst im Jahr 2019 ein Nettomonatseinkommen von unter 1 100 Euro hatten.
Kerze als Kunst im Alltag
Während Christian Huba sich um die großen Aufträge in Form von Holz- oder Bronzeskulpturen kümmert, widmet sich Alraune dem Kleinformat. Die Künstlerin gestaltet aufwendig verzierte Kerzen für jeden Anlass und nach individuellen Wünschen. Egal, ob Hochzeit, Taufe oder Trauerfall.
Bevor sie mit ihrer Arbeit beginnt, sei es ihr wichtig, mit dem Auftraggeber zu besprechen, für wen die Kerze ist: Welche Vorlieben hat das Brautpaar, welche Farben mochte der Verstorbene oder wer ist der Lieblingssuperheld des Firmlings. „Ich versuche, den Menschen da abzuholen, wo er steht. Vom Heiligen bis Superman war schon alles dabei“, sagt Alraune.
Für den Entwurf nimmt sich Alraune zwei bis drei Stunden Zeit. Wird dieser vom Auftraggeber abgesegnet, macht sie sich an die Kerze. Mit Wachs und Farbe gestaltet sie das Motiv. Besonders zu christlichen Feiertagen wie Weihnachten und Ostern – Alraune und Huba sind beide gläubig beziehungsweise spirituell – konzentriert sie sich auf religiöse Motive.
Der Preis einer Kerze steht nicht in Relation zu dem Aufwand und der Zeit, die Alraune dafür aufwendet. Kleinere Kerzen gibt es bereits ab etwa zehn Euro. Für eine aufwendigere Auftragsarbeit mit Wunschmotiv einer mittelgroßen Kerze verlangt sie knapp 50 Euro. Unterm Strich liegt sie dabei zeitlich unter dem Mindestlohn.
Alraunes Kerzenbilder sind detailreich, oft bunt und verspielt. Etwas für das innere Kind, sagt sie. „Dezenter Kitsch. Denn der berührt, besänftigt und löst Emotionen aus.“ Das ist es, was sie mit ihrer Kunst für jeden zugänglich macht. „Ich wünsche mir, dass die Kerzen abgebrannt werden. Genau das ist es ja, was die Energie der Kerze ausmacht“, sagt Alraune.


