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„Mama ist viel auf Friedhöfen“

Waschen, Föhnen, Ankleiden: Charleen Kadar (29) zieht die Toten den Lebenden vor

Ursula Kadar mit Urnen und Themen-Label
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Charleen Kadar hat ihren Traumberuf gefunden: Bestatterin.

In der Anwaltskanzlei war es ihr zu langweilig: Jetzt ist Charleen Kadar in Waldkraiburg Bestattungsmeisterin mit Leib und Seele. Warum sie sich dabei eher als Eventmanagerin sieht und was sie trotzdem lieber meidet.

Waldkraiburg – Eigentlich bin ich so etwas wie eine Eventmanagerin, weil mein Beruf viel Planung und Organisation verlangt“, meint Charleen Kadar lächelnd. Wahrscheinlich könnte die junge Dame auch als Modeberaterin in einer Boutique oder als Assistentin in einer Zahnarztpraxis arbeiten. Doch davon will die 29-Jährige nichts wissen. Sie befasst sich lieber mit dem Tod. Und das aus beruflichen Gründen. 

Charleen Kadar ist gelernte Bestattungsfachkraft. Seit einem Jahr darf sich die Dorfenerin, die im Bestattungsunternehmen Reisegast in Waldkraiburg angestellt ist, sogar Bestattermeisterin nennen. 

Geistig, emotional und körperlich gefordert

„Mein beruflicher Alltag umfasst viele Ebenen. Ich bin geistig, emotional und auch körperlich gefordert“, erzählt die Mutter eines sechsjährigen Sohnes und ergänzt: „Ich habe die für mich exakt richtige Berufswahl getroffen“.  

Charleen Kadar hat keine Berührungsängste mit Toten.

Salopp ausgedrückt, bringt der Bestatter die Verstorbenen auf den Friedhof. Doch dahinter stecken umfangreiche Aufgaben wie das Trauergespräch mit den Hinterbliebenen, das Erledigen von Formalitäten, die Abholung und hygienische Versorgung des Toten, die Dekoration der Aussegnungshalle und die Organisation der Trauerfeier. 

Ein Findungsjahr und Praktika führten sie zur Bestattung

Nach der mittleren Reife wusste Charleen Kader zunächst nicht, welche Berufsrichtung sie einschlagen möchte. Drei Monate verbrachte sie in einer Rechtsanwaltskanzlei. „Das wurde mir schnell zu langweilig“, erzählt die 29-Jährige und beschloss, sich ein Findungsjahr zu gönnen, das mit unterschiedlichsten Praktika ausgefüllt war. 

Meine Mama schlug vor, ich könnte doch auch in einem Bestattungsinstitut ein Praktikum absolvieren“, sagt Kader. Der Tod sei in ihrer Familie nämlich noch nie ein Tabu-Thema gewesen. 

„Vor den Lebenden muss man sich manchmal fürchten, vor den Toten aber nicht.“

Charleen Kadar

Weil das Praktikum prima verlief, entschloss sich die junge Frau später tatsächlich für die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft. Berührungsängste mit Toten hätte sie zwar nie gehabt, doch Charleen Kadar gibt zu: „Sicher ist der Umgang mit einem Verstorbenen anfangs ein Stück weit gewöhnungsbedürftig.“ Doch Angst und Beklemmung seien ihr fremd. „Vor den Lebenden muss man sich manchmal fürchten, vor den Toten aber nicht“, ist Charleens Überzeugung. 

Wichtig ist Charleen Kadar, den Toten mit Respekt zu begegnen.

Doch dann erwähnt sie eine Situation während ihrer Ausbildungszeit. „Es kann vorkommen, dass ein Toter noch einmal letzte Luft ablässt. Das ist geschehen, als ich seinerzeit mit einem Verstorbenen alleine im Zimmer war und gerade dessen Kopf hochhob. Als ich so etwas wie ein Ausatmen bemerkte, bin ich total erschrocken und sofort aus dem Zimmer gelaufen.“ Heute jage ihr dieses Phänomen längst keinen Schrecken mehr ein. 

Respekt für die Verstorbenen

Ein Bestattungsunternehmen holt den Verstorbenen häufig aus einer Klinik ab. „Die Leiche liegt nackt, nur mit einer Windel oder einem Krankenhaushemd bekleidet in der Kühlung“, berichtet die junge Frau. Die hygienische Versorgung des Leichnams beginnt mit Waschen, wozu auch ein Duschgel zum Einsatz kommt. „Ich föhne die Haare des Toten, manchmal verwende ich zusätzlich Lockenwickler“, sagt Kadar, der es wichtig ist, dem Verstorbenen stets mit Respekt zu begegnen

Hin und wieder wird ein Leichnam sogar geschminkt. Auch das Verschließen etwaiger kleiner Wunden gehört zum Geschäft. Werden allerdings konservierende, kosmetische und rekonstruktive Maßnahmen nötig, weil der Verstorbene etwa durch einen Unfall äußerlich gekennzeichnet ist, so übernehmen Spezialisten diese Aufgabe. 

Das Anziehen ist fast wie bei einem Kleinkind

Was die Bestattermeisterin noch betont: „Das Bekleiden eines Toten ist keine ganz einfache Sache, ähnlich wie bei einem Kleinkind, das sich partout weigert, angezogen zu werden“. Es brauche einen Teampartner, dann sei es einfacher, den Verstorbenen sorgfältig anzukleiden und ihn in einen Sarg zu betten. Man müsse in diesen Punkten synchron zusammenarbeiten. 

„Ich erledigte auch für meine verstorbene Großmutter sämtliche Tätigkeiten, denn für mich sind alle Toten gleich“, unterstreicht Kadar, die aber nicht verschweigen will: „Bei der Beerdigung meiner Oma wäre ich beinahe zusammengebrochen“. 

Als Mutter nimmt sie Abstand vor Trauergesprächen um ein verstorbenes Kind

Sehr ans Herz gehen der jungen Bestattermeisterin auch Trauergespräche, die sich um ein verstorbenes Kind drehen. „Bevor ich selbst Mutter wurde, konnte ich diese Gespräche führen, jetzt nehme ich davon eher Abstand“. 

Was ihr hingegen keineswegs zu schaffen macht, ist der Umgang mit schwerem Gerät, der auf Friedhöfen durchaus nötig sein kann. „Ich habe mit einem Bagger schon mehrmals Gräber ausgehoben“, sagt die 29-Jährige, zu deren Betätigungsfeldern es auch gehört, den Sargwagen zu ziehen oder am Beerdigungstag die Urne zu tragen. 

„Meine Mama ist oft auf Friedhöfen unterwegs“

Die offensichtlich rundherum zufriedene Charleen Kadar betont mehrmals, wie erfüllend ihr Berufsalltag sei. Auch von ihrem persönlichen Umfeld hätte sie noch nie seltsame Bemerkungen hinsichtlich ihrer Arbeit vernommen. Und wenn Söhnchen Samuel gefragt wird, was seine Mama beruflich macht, dann kann er zwar noch keine exakte Beschreibung liefern, aber er weiß: „Meine Mama ist oft auf Friedhöfen unterwegs“.

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