Drohende Standortschließung in Burgkirchen
Sommer der Entscheidung für 1000 Arbeitsplätze in Burgkirchen: „Langsam in die Pötte kommen“
Die IHK ist gegen das drohende Verbot der umstrittenen PFAS-Chemikalien – und für den Erhalt der Produktion in Burgkirchen und damit von 1.000 Arbeitsplätzen. Dieser Sommer sei entscheidend. Was die heimischen Unternehmer von Altöttings Landrat Erwin Schneider und von Ministerpräsident Markus Söder fordern.
Ampfing – „Altöttings Landrat Erwin Schneider hat einen extrem guten Vorschlag“, um die PFAS-Produktion in Burgkirchen zu retten, sagte Dr. Bernhard Langhammer, Vorstand von ChemDelta-Bavaria, bei der jüngsten Sitzung der Unternehmer im IHK-Regionalausschusses Altötting-Mühldorf in Ampfing. Dieser liege seit zwei Monaten allen Beteiligten vor, jetzt sei es Zeit, ihn endlich zu veröffentlichen. „Dann muss auch die bayerische Staatsregierung in die Pötte kommen“, die verhalte sich bislang erstaunlich ruhig. Bis zum Herbst werde sich entscheiden, ob der Produktionsstandort in Burgkirchen und damit bis zu 1.000 Arbeitsplätze zu retten seien.
Zum Hintergrund: Die European Chemicals Agency (ECHA) arbeitet derzeit daran die umstrittenen PFAS-Stoffe (per- und polyfluorierte Chemikalien) europaweit zu verbieten. Die werden unter anderem von Dyneon in Burgkirchen produziert. Das drohende Verbot führte bereits dazu, dass die US-Konzernmutter 3M im Dezember 2022 ankündigte, ihr Dyneon-Werk in Gendorf bis Ende 2025 zu schließen.
Modernster Produktionsstandort der Welt vor dem Aus
„Dyneon hat in Burgkirchen den modernsten Produktionsstandort für PFAS der Welt“, erklärte Langhammer vor dem IHK-Regionalausschuss. Es sei die einzige Anlage, die PFAS recyceln kann; außerdem gab es Pläne bis 2028 die Summe von 200 Millionen Euro in eine neue Anlage mit geschlossenen Wasserkreisläufen zu investieren. „Damit könnte Dyneon die Fluorpolymere so produzieren, wie es der Standard für die Zukunft sein muss.“
Laut Langhammer seien sich alle einig, dass die Ausbreitung von PFAS-Stoffen in der Natur „so weit wie möglich eingegrenzt“ werden müsse. Aber es könne nicht auf sie verzichtet werden: Die Stoffe und die PFAS-Tenside seien unter anderem für die Chip-Produktion unerlässlich. „Sie machen Nano-Strukturen erst möglich“, erklärte Langhammer. Ein weiteres Beispiel: In einem BMW mit Verbrenner-Motor sei ein Kilogramm PFAS-Stoffe verbaut; in einem BMW mit Elektromotor dagegen 20 Kilo. „Die Erkenntnis, dass wir in Zukunft ohne PFAS nicht auskommen, kommt langsam an, auch in der amerikanischen Politik“, so Langhammer. „PFAS ist systemrelevant.“
„Wenn das klappt, dann gibt es nur Sieger“
Vor diesem Hintergrund forderte Langhammer jetzt den politischen Druck zu erhöhen, um den Standort Burgkirchen und seine Arbeitsplätze zu retten. Denn auch die bayerische Staatsregierung habe sich dazu bislang „erstaunlich ruhig“ verhalten.
Langhammer verwies dazu auf den „extrem guten“ Vorschlag von Altöttings Landrat Erwin Schneider (CSU), um die Fluorpolymer-Produktion am Standort Gendorf zu retten: 3M werde den Standort los, die Arbeitsplätze und die Produktion blieben erhalten. „Wir werden dann technologisch der modernste Standort für Fluorchemie. Wenn das klappt, dann gäbe es nur Sieger“, so Langhammer.
Dieser Vorschlag müsse jetzt endlich auch der Öffentlichkeit präsentiert werden. Auf Nachfragen der OVB-Heimatzeitungen erklärte Dr. Robert Müller, Pressesprecher im Landratsamt Altötting, dass Landrat Schneider die Öffentlichkeit am Freitag, 23. Juni, informieren werden. Der Presse-Einladung war zudem zu entnehmen, dass es sich um die Gründung einer „ChemDelta-Stiftung“ handelt.
Größtes Risiko ist ein Abwandern von verunsicherten Mitarbeitern
Der Sommer sei jetzt entscheidend, so Langhammer. „Das größte Risiko ist, das Abwandern von Mitarbeitern. Wenn die das Gefühl haben, dass es keine Anschluss-Lösung gibt, dann werden die sich wegbewerben. Dann schließt die Produktion schneller als mancher glaubt.“
Dem schloss sich auch die Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Altötting-Mühldorf und Vizepräsidentin der IHK München-Oberbayern, Ingrid Obermeier-Osl, an: „Der Vorschlag muss jetzt rausgehen, sonst ist der Standort nicht zu halten.“
PFAS-Resolution der IHK Altötting-Mühldorf
Bereits im März hatten sich die Mitglieder des IHK-Regionalausschusses in einer Resolution einstimmig gegen ein PFAS-Verbot ausgesprochen, um „eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbssituation in ganz Europa zu vermeiden“. Herbert Prost, Leiter der IHK-Geschäftsstelle in Mühldorf, erklärte, dass diese Resolution inzwischen unter anderem Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) sowie Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und anderen Mandatsträgern übergeben wurde. Gleichzeitig rief er dazu auf, sich an dem laufenden Konsultationsverfahren zum geplanten Verbot zu beteiligen.
Was sind PFAS?
PFAS ist eine Abkürzung für per- und polyfluorierte Chemikalien. Diese Stoffgruppe umfasst nach Schätzungen mehr als 10.000 verschiedene Stoffe. Sie kommen nicht natürlich vor und werden erst seit den späten 1940ern hergestellt. Chemisch gesehen bestehen die organischen Verbindungen aus Kohlenstoffketten verschiedener Längen, bei denen die Wasserstoffatome vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt sind. PFAS sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch stabil. Aufgrund dieser Eigenschaften werden sie in zahlreichen Verbraucherprodukten wie Kosmetika, Kochgeschirr, Papierbeschichtungen oder Textilien verarbeitet. Die Stoffe sind schwer abbaubar und mittlerweile überall in der Umwelt verbreitet. Sie werden daher auch als „Ewigkeits-Chemikalien“ bezeichnet.