Ökonomische Auswirkungen des Konflikts
Wegen Iran-Israel-Konflikt: Steht nun der Ölpreis-Schock bevor?
Der Angriff des Iran auf Israel hat gezeigt, wie sensibel der Ölpreis auf den Nahost-Konflikt reagiert. Bei einer weiteren Eskalation im Nahen Osten könnte er rasant ansteigen, warnen Fachleute.
Teheran/Tel Aviv – Exakt ein Jahr nach dem folgenschweren Angriff der radikal-islamistischen Hamas auf Israel reißen Sorgen vor zunehmenden Eskalationen des Nahost-Konflikts auch weiterhin nicht ab. Während die Angst vor einem Flächenbrand in der Region zuletzt durch den großangelegten Raketenangriff des Irans auf Israel (Dienstag, 1. Oktober) weiter wuchs, treten auch die ökonomischen Folgen des Konflikts mit seinen multiplen Krisenherden zutage.
Nachdem der Iran am Dienstagabend rund 200 ballistische Raketen auf Stützpunkte des Militärs und des Geheimdienstes in Israel geschossen hatte, schwoll der globale Ölpreis am Tag darauf deutlich an. Um zehn Prozent auf insgesamt 77 US-Dollar pro Barrel erhöhte sich der Rohöl-Preis der Referenzsorte Brent, berichtete die BBC. Obwohl er damit noch immer unter dem Niveau vom Jahresbeginn liegt, zeigt es, wie sehr der Ölpreis in der Region im Chaos des Krieges schwankt.
Globaler Ölpreis stieg zuletzt wegen Irans Angriff auf Israel und Sorgen vor Vergeltungsschlag
Der kurzfristige Ölpreis-Anstieg ist jedoch nicht nur ein direktes Resultat des iranischen Angriffs auf Israel, sondern wurde noch durch eine Aussage vom scheidenden US-Präsidenten Joe Biden befeuert. Auf die Frage, ob er einen Angriff Israels auf die iranischen Öleinrichtungen unterstützen würde, sagte Biden mehreren internationalen Medienberichten zufolge am Mittwoch: „Wir führen Gespräche darüber.“ Zuvor hatte bereits Israels Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt, den Angriff des Iran vergelten zu wollen.
Für den Iran sind Öl-Exporte eine bedeutende Einnahmequelle. Er ist der siebtgrößte Ölproduzent der Welt und exportiert als solcher rund die Hälfte seiner Vorkommen ins Ausland – hauptsächlicher Abnehmer ist China. In diesem Jahr hat die Ölproduktion Teherans 3,2 Millionen Barrel pro Tag erreicht und damit den höchsten Stand seit 2018, wie Reuters im August ausgehend von OPEC-Angaben meldete.
Und das, obwohl die USA Sanktionen gegen die Ölindustrie des Landes verhängten und sie ausweiteten, nachdem sie ihr Atomabkommen mit dem Iran im Jahr 2018 aufkündigt hatten. Wie die Wirtschaftswoche berichtet, gelingt es dem Iran mittels einer Schattenflotte, seine Rohöl-Reserven trotz Sanktionen zu exportieren, etwa nach China. Die Schiffe seien teils mit ausgeschaltetem Transponder unterwegs und lassen sich daher kaum orten. Ihre Ladung werde dann auf See mitunter auf andere Schiffe geladen, um die Herkunft des Öls zu verschleiern – eine Strategie, die inzwischen auch Wladimir Putin für die russischen Öl-Exporte anwendet.
Angriffe auf Kharg oder die Meerenge von Hormus könnten Ölpreis steigen lassen
Doch die Gewaltspirale im Nahen Osten und die Androhung von Angriffen auf die Öl-Infrastruktur des Irans belasten die Märkte. Besondere Sorge herrscht angesichts der Frage, ob eine Eskalation des Konflikts die Straße von Hormuz blockieren könnte. Der BBC zufolge findet rund ein Drittel des weltweiten Öltankerverkehrs und ein Fünftel global gehandelten, gefrorenen LNG-Gases seinen Weg durch die Meerenge vor der Stadt Bandar Abbas. Die Straße von Hormuz ist an ihrer engsten Stelle nur 33 Kilometer breit und stellt die einzige Möglichkeit dar, Öl aus dem Persischen Golf zu den Weltmeeren zu transportieren.
Ein anderes Risiko für Irans Öl-Industrie besteht darin, dass die landesweit wichtigste Exportanlage auf der Insel Kharg angegriffen wird. Da ClearView zufolge 90 Prozent der iranischen Öl-Exporte auf diese Anlage entfallen, dürfte ein Angriff für Irans Öl-Produktion und damit auch den globalen Ölpreis folgenschwer sein. Wie das Branchenblatt oilprices.com ausgehend einer Einschätzung Goldman Sachs’ meldet, könnten die internationalen Rohölpreise deutlich ansteigen, wenn das iranische Öl-Angebot im Zuge einer möglichen Eskalation des Nahostkonflikts zurückgeht.
Im potenziellen Fall einer Blockade der Straße von Hormuz könnte der Ölpreis auf rund 100 Dollar pro Barrel ansteigen, berichtet CNN ausgehend von einer Einschätzung ClearViews. Der US-Sender beruft dabei auch auf eine Mitteilung von Citigroup-Analysten, die am Mittwoch an Kunden geschickt wurden: „Jede Schließung der Straße von Hormuz würde einen Wendepunkt für den globalen Ölmarkt und die Weltwirtschaft darstellen“, hieß es darin. „In einem solchen Szenario würden sich die globalen Ölmärkte in unbekannten Fahrwassern bewegen, und die Ölpreise würden wahrscheinlich einen starken und signifikanten Anstieg weit über bisherige Höchststände hinaus erfahren“, hieß es demzufolge weiter.
Im Falle einer weiteren Eskalation im Iran-Israel-Konflikt und eines Ölpreis-Anstiegs wären die Opec+-Verbündeten gefragt
„Wenn die iranische Produktion nachhaltig um 1 Mio. Barrel pro Tag sinkt, könnte der Ölpreis im nächsten Jahr um etwa 20 Dollar pro Barrel steigen“, sagte Daan Struyven, Co-Leiter der globalen Rohstoffforschung bei Goldman Sachs, am Freitag in der ‚Squawk Box Asia‘ des US-Nachrichtensenders CNBC.
Diese Prognose basiere jedoch auf der Annahme, dass die OPEC+-Verbündeten auf einen potenziellen Export-Stopp iranischen Öls im Falle eines großangelegten Angriffs auf die Öl-Produktionsstätten des Landes nicht mit einer Produktionssteigerung reagieren würde, fügte Struyven hinzu. Und das sei überaus unwahrscheinlich.
Wenn die großen OPEC+-Produzenten mit ausreichenden freien Produktionskapazitäten, wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ihre Öl-Produktion dagegen erhöhen und einen Teil potenzieller Verluste iranischen Öls ausgleichen, sei langfristig mit einem deutlich geringeren Anstieg des Ölpreises zu rechnen. Sein Anstieg könnte dann rund 10 US-Dollar pro Barrel betragen, betonte der Goldman-Analyst.
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