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Hohe Löhne und Boni

VW und die Alarmstimmung: „Löhne und Jammern in Deutschland auf einem hohen Niveau“

Volkswagen ist in eine Krise gestolpert, die Arbeitskosten müssen verringert werden. Eine Autoexpertin und frühere VW-Mitarbeiterin analysiert die Krise.

Wolfsburg/München – Deutschlands Autoindustrie erlebte schon bessere Tage. Die Entwicklung der vergangenen Jahre lässt die Gewinne von VW, Mercedes-Benz und BMW rapide schrumpfen. Insbesondere die Wolfsburger Kernmarke leidet unter einer schwachen Rendite.

Ein Hauptgrund der Gewinneinbußen sind hohe Produktionskosten, die Volkswagen besonders in Deutschland belasten. Im Zuge der Tarifverhandlungen 2024 sieht der Hersteller Einbußen bei der Belegschaft als unausweichlich, um weiterhin im Konzert der Großen mitzuspielen.

VW-Krise wegen schwindender Rendite – Produktionskosten sollen runter

Im Zuge des deutlichen Gewinnrückgangs im dritten Quartal 2024 fordert die VW-Geschäftsführung die Mitarbeiter zur finanziellen Beteiligung auf, um die wirtschaftliche Lage abzumildern.

Die Rede ist von einer Gehaltsreduktion von zehn Prozent bei den VW-Mitarbeitern sowie der Verzicht auf diverse Extra-Zahlungen, also Boni und Prämien. Die IG Metall nennt das „inakzeptabel“, wollte sie doch ursprünglich eine Lohnerhöhung bis zu sieben Prozent herausschlagen.

Automobil-Expertin Beatrix Keim, die früher selbst für Volkswagen arbeitete, erläuterte in einem interessanten ZDF-Interview die Hintergründe der VW-Krise.

Volkswagen schrumpft der Gewinn aufgrund mehrerer Ursachen

Dabei gehe es dem Konzern hauptsächlich darum, die hohen Produktionskosten in Deutschland zu senken. Auch die Entwicklungen angesichts der Corona-Krise sowie des Ukraine-Kriegs haben einen gewichtigen Anteil: Fragile Lieferketten und gestiegene Energiekosten haben die finanziellen Aufwendungen massiv erhöht, „insbesondere in den letzten zwei Jahren“.

Volkswagen-CEO Oliver Blume und Managementkollegen wie Arno Antlitz (Finanzvorstand) müssen die Kosten senken.

Managementfehler der Führungsebene sieht Keim nur bedingt: „VW wollte viele Modelle mit sehr vielen Ausstattungsvarianten und noch mehr Optionen anbieten“, diese Flexibilität habe viel Geld gekostet. In einem ORF-Interview erklärte sie zudem, dass VW auch in China „nicht geschlafen“ habe, lediglich zögerlich agiert und nun sieht sich Deutschlands größter Autobauer einer erstarkten Konkurrenz gegenüber.

VW in Deutschland: Löhne auf einem hohen Niveau, auch das Jammern

Dazu kämen die Digitalisierung sowie enorm hohe Arbeitskosten im Vergleich zu anderen Ländern, die ebenfalls Volkswagen-Modelle fertigen. „Weltweit beschäftigt VW weit über 600.000 Menschen, allein in Deutschland sind das über 100.000 und das Lohnniveau ist hier sehr hoch.“

Nichtsdestotrotz mache sich die Inflation auch an VW-Standorten wie Wolfsburg, Braunschweig oder Emden bemerkbar, so Keim: Die Familien der Belegschaft müssten täglich mehr bezahlen, seien aber auch einen gewissen Standard gewöhnt. Ein „Jammern auf hohem Niveau“ bezeichnet sie indes Klagen über mögliche Lohnsenkungen der VW-Beschäftigten.

Die selbst jahrelang bei VW tätige Expertin hält es für gerechtfertigt, dass auch die Mitarbeitenden ihren Beitrag dazu leisten, damit dem Hersteller wieder mehr Geld bleibt. Es müsse beim Einkommen mal „zu einer Mäßigung kommen“, findet die 57-Jährige.

Volkswagen: Personaleinsparungen zusammen mit politischen Maßnahmen?

Die Direktorin des Duisburger Center Automotive Research (CAR) schlägt dahingehend vor, an den Urlaubsanspruch der VW-Beschäftigten ranzugehen, statt an den Geldbeutel. Für Volkswagen bedeute es „bares Geld“, wenn zum Beispiel die Urlaubstage von 30 auf 28 Urlaubstage schrumpfen.

Gleichwohl hält Beatrix Keim politische Maßnahmen für sinnvoll, um dem E-Auto-Absatz auf die Sprünge zu helfen: Einerseits schlägt sie im ZDF die Senkung der Energiekosten für Industrie und Wirtschaft vor, darüber hinaus plädiert sie für die Wiedereinführung einer zeitlich befristeten Umweltprämie.

Von der Bildfläche verschwunden: Zehn große Automarken, die es nicht mehr gibt

Ein Simca 1100 GLS Baujahr 1972 auf einer Oldtimermesse
Simca – Die Geschichte von Simca (Société Industrielle de Mécanique et Carrosserie Automobile) begann 1934 als Lizenzfertiger von Fiat-Fahrzeugen in Frankreich. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden auch eigene Modelle produziert. Im Jahr 1978 wurde der Autobauer von Peugeot übernommen und die Marke Simca aufgegeben. Die noch existierenden Modellreihen wurden bis 1986 unter dem Markennamen Talbot verkauft. © Sebastian Geisler/Imago
Ein Oldsmobile Vista Cruiser
Oldsmobile – Hierzulande weitgehend unbekannt, gehörte Oldsmobile in den USA vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren zu den erfolgreichsten Marken. Ein bekanntes Modell war beispielsweise der Vista Cruiser (Foto): Ein markant gestalteter Kombi, von dem zwischen 1964 bis 1977 mehr als 360.000 Exemplare gebaut wurden. Anfang der 2000er-Jahre gingen die Verkäufe stark zurück, sodass die Mutter General Motors im Jahr 2004 die Produktion von Fahrzeugen der Marke komplett einstellte. © Pond5 Images/Imago
Ein NSU Prinz auf einem Oldtimer-Treffen
NSU Motorenwerke – Die Geschichte des Unternehmens begann in den 1870er-Jahren als Hersteller von Strickmaschinen. Später produzierte das Unternehmen Fahr- und Motorräder. Erst Ende 1958 kam mit dem Prinz das erste Automodell des Herstellers auf den Markt – es wurde in mehreren Generationen bis 1973 produziert. Bereits 1969 fusionierten NSU und Auto Union zur Audi NSU Auto Union AG, die 1985 wiederum in Audi umfirmierte – mit diesem Schritt verschwand auch der Name NSU. © CEPix/Imago
Ein Plymouth Superbird in einem Museum
Plymouth – Einst gehörte Plymouth zu den erfolgreichsten Automobilmarken der USA und war in den 1940er-Jahren sogar der zweitgrößte US-Hersteller – noch vor Ford. Anfang der 1960er-Jahre verlor die Marke jedoch rapide Marktanteile, bevor man ab 1965 mit Muscle-Car-Modellen wie dem Barracuda oder Road Runner kurzfristig wieder Boden gut machen konnte. Eines der bis heute legendärsten Modelle war der Plymouth Superbird (Foto): eine stark modifizierte Version des Road Runner. Das Modell mit dem gigantischen Spoiler fand jedoch Anfang der 1970er-Jahre kaum Kunden, weshalb weniger als 2.000 Exemplare gebaut wurden. Nach und nach verlor die Marke immer mehr ihre Identität. 2001 entschied die Mutter DaimlerChrysler schließlich, die Marke Plymouth einzustellen. © Pond5 Images/Imago
Eine Borgward Isabella auf einer Messe
Borgward – Zu den größten Verkaufserfolgen des Bremer Autobauers Borgward zählte die von 1954 bis 1962 gebaute Isabella (Foto). Doch bereits ab Mitte der 1950er-Jahren ging es mit dem Unternehmen wirtschaftlich bergab. Anfang der 1960er-Jahre führten die Probleme schließlich zum Untergang. Mitte der 2010er-Jahre wurden die Markenrechte nach China verkauft. Mit SUV-Modellen wurde schließlich ein Comeback-Versuch gestartet, der aber nach kurzer Zeit im Sande verlief. © Pond5 Images/Imago
Ein Daewoo Matiz auf einer Automesse
Daewoo – Mitte der 1990er-Jahre versuchte sich in Europa die koreanische Marke Daewoo zu etablieren – unter anderem mit dem Kleinstwagen Matiz (Foto). Allerdings war dem Hersteller kein Erfolg beschieden: Nachdem das Unternehm in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, wurde die Pkw-Sparte von einem Konsortium um General Motors übernommen. Ab 2005 wurden die Daewoo-Modelle (auch der Matiz) dann unter dem Namen Chevrolet verkauft.  © Papsch/Imago
Der 1.000.000 Trabant im Museum
Trabant – Obwohl der Trabant bereits in den 1960er-Jahren als veraltet galt, war er ein echter Verkaufsschlager – allerdings gab es in der ehemaligen DDR auch kaum Alternativen zu dem von Sachsenring produzierten Zweitakter. Geduld war nicht nur aufgrund der geringen Motorleistung, sondern auch wegen der durchschnittlichen Wartezeiten auf ein Fahrzeug von mehreren Jahren gefragt. Dennoch: Mehr als drei Millionen „Trabis“ liefen zwischen 1958 und 1991 vom Band. Das Foto zeigt das 1.000.000-ste Exemplar, das im November 1973 gebaut wurde. Mit dem Ende der DDR endete auch bald die Produktion des Trabis. © Eberhard Thonfeld/Imago
Ein Pontiac Firebird Trans Am, Baujahr 1984
Pontiac – Die US-Marke Pontiac war vor allem in den 1960er-Jahren sehr erfolgreich. Hierzulande kennen viele den Hersteller vor allem aus Serien und Filmen. Der schwarze Pontiac Firebird Trans Am (zweite Generation) mit dem riesigen Adler auf der Haube faszinierte die Zuschauer in „Smokey and the Bandit“ (1977). Die dritte Generation des Firebird (Foto) wurde in den 1980er-Jahren als Basis des Serien-Wunderautos K.I.T.T bekannt. Der große Erfolg früherer Jahre stellte sich dennoch nicht mehr ein: 2010 legte der General-Motors-Konzern die Marke Pontiac auf Eis. © Pond5 Images/Imago
Ein Saab 900 Cabrio Baujahr 1991
Saab – Das erste Pkw-Modell des Herstellers ging 1949 als Saab 92 in Serie. Wirklich große Stückzahlen produzierte der schwedische Autobauer zwar nie, dennoch gelten einige Baureihen wie der 900 (Foto zeigt die Cabrio-Version) als legendär. 1998 ging Saab eine Kooperation mit General Motors ein. Fortan wurden viele Gleichteile aus dem Konzernverbund eingesetzt, dennoch stellte sich auf lange Sicht kein wirtschaftlicher Erfolg ein. 2011 meldete Saab Insolvenz an.  © Sebastian Geisler/Imago
Ein Rover 75
Rover – Die Geschichte des englischen Automobilherstellers Rover geht bis ins Jahr 1896 zurück. Über viele Jahrzehnte konnten sich die Briten im Automobilgeschäft behaupten, bis das Unternehmen 1967 Teil der British Leyland Motor Cooperation wurde. Durch eklatante Fertigungs- und Qualitätsmängel ruinierte die Marke ihren Ruf – bis es Anfang der 1980er-Jahre durch eine Kooperation mit Honda wieder etwas bergauf ging. 1994 übernahm schließlich BMW die britische Marke – und versenkte dadurch Milliarden. 2000 zog der bayerische Autobauer die Reißleine und gliederte Rover wieder aus. 2005 folgte die Insolvenz. © Heritage Images/Imago

Werksschließungen bei VW hält die Wirtschaftsexpertin für unrealistisch: „Man versucht, das Ganze in anderen Möglichkeiten, wie Stellenabbau oder der Reduzierung von Zulieferern zu machen.“

Volkswagen leidet unter hohen Arbeitskosten in der Heimat

Kürzlich erklärte VW-Konzernchef Oliver Blume, er sehe keine Alternative zu harten Sparmaßnahmen. „Das Ziel für Kosten- und Kapazitätsanpassung steht“, wird der CEO in Bild am Sonntag zitiert. Der Weg dorthin sei zwar „flexibel gestaltbar“, die Kosten in Deutschland müssten jedoch massiv runter.

Der gesamte Konzern sei in der Heimat schlichtweg zu teuer. „Unser Arbeitskostenniveau ist beispielsweise hier oftmals mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt unserer europäischen Standorte“, lässt der 56-Jährige wissen. (PF)

Rubriklistenbild: © Jens Schicke/Imago

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