Schwere Vorwürfe
Stromnetz ausgelastet: Lokalpolitiker erzählen vom Strom-Engpass in Oranienburg
Das ausgelastete Stromnetz in Oranienburg sorgt für Schlagzeilen. Die Bundesnetzagentur erwägt nun Konsequenzen. Und Lokalpolitiker berichten von Missmanagement.
Oranienburg – In dieser Woche ist genau das eingetreten, das eigentlich durch gute Planung und klare Gesetze verhindert werden sollte. Die Stadt Oranienburg, nördlich von Berlin, kann keine neuen Stromanschlüsse vergeben, das lokale Stromnetz habe seine Kapazitätsgrenzen erreicht. In einer Mitteilung auf der Webseite der Stadt wird der Umstand damit begründet, dass sich der Strombedarf „enorm entwickelt“ habe, „schneller, als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde“. Als einer von mehreren Gründen werden der Einbau von Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität genannt. Die Bundesnetzagentur nannte dies „nicht akzeptabel“. Es sei eigentlich Aufgabe des Netzbetreibers, vorausschauend zu planen und genau dieser Situation rechtzeitig vorzubeugen.
Chef der Bundesnetzagentur nennt Stromnetz-Vorfall in Oranienburg „ärgerlich“
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte nun in einem Interview mit der Zeit, dass seine Behörde in den vergangenen Tagen „viel Zeit investiert“ habe, um sich ein Bild der Lage in Oranienburg zu machen. „Es geht weniger um fehlende Kapazitäten im Stromnetz, sondern wir haben ein Problem mit einem Umspannwerk. Man hat das enorme Wachstum der Stadt nicht einkalkuliert und erst jetzt angefangen, ein erweitertes Umspannwerk in Planung zu geben – das aber erst 2026 fertig wird. Das ist eine eklatante Fehlplanung mit schweren Konsequenzen für den Stromanschluss in Neubaugebieten und Gewerbegebieten. Die Lage ist ärgerlich und inakzeptabel“, zitiert ihn die Zeitung.
Weiter sagte Müller, dass man an einer kurzfristigen Lösung für Oranienburg arbeite, damit die Stadt keine Vollbremsung bis 2026 einlegen muss und schon bald auch neue Netzanschlüsse möglich werden. „Man könnte beispielsweise das Umspannwerk durch Batteriespeicher entlasten. Das ist keine dauerhafte Lösung, aber eine, mit der man einige Zeit überbrücken könnte. Dafür braucht es ausreichend Batteriespeicher, das klären wir gerade“. Sollte es aber keine schnelle Abhilfe geben können, da werde man über „aufsichtsrechtliche Konsequenzen“ nachdenken müssen, so Müller weiter.
Streit in Oranienburg über Strom-Engpass: Wer ist verantwortlich?
Derweil fragen sich viele Menschen auch über Oranienburg hinaus, wie es zu so einem Planungsfehler kommen konnte. Für die Bundesnetzagentur geht es erstmal darum, das Problem zu lösen und weniger darum, ein „Blame-Game“, wie es Klaus Müller sagt, zu spielen. Das sehen einige Lokalpolitiker jedoch anders. Auf ihrer Webseite schreibt die Piratenpartei Brandenburg, die sowohl im Kreistag Oberhavel als auch in der Stadtverordnetenversammlung Oranienburg vertreten ist, dass bereits seit 2017 bekannt war, dass es Kapazitätsprobleme geben würde.
„Bereits 2017 hat der übergeordnete Netzbetreiber EDIS die Stadtwerke darauf aufmerksam gemacht, dass das bestehende Umspannwerk in der Germendorfer Allee sich seiner Leistungsgrenze nähert und zusätzliche Kapazitäten angemeldet werden müssen. Hierauf hat – so der aktuelle Stand der Dinge – der damalige und inzwischen entlassene Stadtwerkechef Alireza Assadi trotz mehrmaliger Aufforderung nicht reagiert, um ausreichend Kapazitäten für unsere Stadt zu sichern“, heißt es in der Mitteilung. „Es steht der Verdacht im Raum, dass die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zugunsten eines höheren Gewinns der Stadtwerke bewusst nicht vorgenommen wurden.“ Als 2023 der aktuelle Chef der Stadtwerke Oranienburg, Peter Grabowsky, das Amt antrat, habe er „im Eiltempo“ dafür gesorgt, dass ein neues Umspannwerk in Auftrag gegeben werde.
Untersuchungsausschuss und Schadensersatz-Klage gegen Ex-Stadtwerke-Chef
Die Behauptung des Bürgermeisters, Alexander Laesicke, der Strombedarf habe sich schneller entwickelt als prognostiziert, sei laut Piratenpartei damit „schlicht unzutreffend“. Vielmehr handele es sich hiermit um ein „Problem mit Ansage“, das seit mindestens 2017 bekannt war.
Gegen den ehemaligen Stadtwerke-Chef, Alireza Assadi, gibt es schon seit Jahren Vorwürfe des Missmanagements. In Oranienburg hat es sogar einen Untersuchungsausschuss zu seiner Arbeit gegeben. Im März dieses Jahres hat die Stadt sogar angekündigt, eine Schadensersatzklage gegen den einstigen Geschäftsführer zu prüfen. Der neue Streit um die Stromversorgung der Stadt ist also nur die Spitze des Eisbergs.
Transparenzhinweis: Die Gründe für die Belastungen des Stromnetzes in Oranienburg waren in einer früheren Version dieses Textes unzureichend erklärt. Dies haben wir ergänzt. Insbesondere haben wir die ursprüngliche Überschrift angepasst.
Rubriklistenbild: © Daniel Reinhardt/dpa
