Umstrittene Subventionen
Nachtzuschläge, Entfernungspauschale, Dienstwagen-Privileg: Wo die Ampel Milliarden sparen könnte
Die Ampel feilt am Entwurf des Bundeshaushalts. Doch die Ausgaben-Schwerpunkte sorgen für Streit. Dabei gäbe es reichlich Spielraum, wenn die Koalition die ausufernden Subventionen zusammenstreichen würde.
Berlin - Die Bundesregierung könnte rund 80 Milliarden Euro durch die Streichung von Subventionen, Steuervergünstigungen und Finanzhilfen, Sozialleistungen und Förderprogrammen einsparen. Das berichtet das Handelsblatt. unter Berufung auf eigene Berechnungen. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die aus Sicht von Ökonomen entweder klimaschädlich, ökonomisch ineffizient oder deren Wirksamkeit zweifelhaft ist.
Am naheliegendsten seien Einsparungen im Bereich der klimaschädlichen Subventionen. Zuletzt beliefen sich laut Umweltbundesamt die klimaschädlichen Staatshilfen auf 65 Milliarden Euro im Jahr. So koste die Energiesteuerbefreiung auf Kerosin den Staat allein 8,36 Milliarden Euro, die Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff 8,2 Milliarden Euro oder die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge vier Milliarden Euro.
Klimaschädliche Subventionen
Aber auch bei den klimaschädlichen Subventionen ist es für die Politik nicht einfach, Geld zu sparen. So liste das Umweltbundesamt auch die Entfernungspauschale in Höhe von sechs Milliarden Euro als klimaschädliche Staatshilfe auf. „Eine Abschaffung der Entfernungspauschale würde einer Steuererhöhung gleichkommen, die abzulehnen ist“, teilte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums auf Handelsblatt-Anfrage mit. Ebenso lehnt Finanzminister Christian Lindner (FDP) ein Streichen des Dienstwagenprivilegs ab, das aus seiner Sicht nicht einmal eine Subvention darstellt, sondern eine Pauschalierung und damit Vereinfachung.
Ähnlich schwierig verhält es sich laut Bericht beim Abbau von Steuervergünstigungen. Das Bundesfinanzministerium beziffert das Volumen aktuell auf 29,2 Milliarden Euro, laut Bundesrechnungshof ist der Umfang seit 2010 sogar von zehn auf 35 Milliarden Euro gestiegen. Allein die vier größten Ermäßigungen für Gastronomie, Hotellerie, Kultur und öffentlichen Nahverkehr machen demnach zusammen im Jahr 9,4 Milliarden Euro aus. Und gehören laut Ökonomen eigentlich alle abgeschafft.
Subventionen: Streichung der Sonntagszuschläge tabu
Das Gleiche gilt für die Steuerfreiheit auf Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Nach Einschätzung des finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts (Fifo) der Universität Köln lädt diese Steuervergünstigung zu Missbrauch und Fehlanreizen ein. Wenn Arbeitnehmer nachts arbeiten müssten, sollten Unternehmen sie besser bezahlen, statt dass der Staat Tätigkeiten zu später Stunde subventioniere. Gewerkschaften haben sich aber dagegen positioniert.
Mit ähnlich großem Widerstand, allerdings von den Arbeitgebern, wäre bei Abschaffung einer anderen Steuervergünstigung zu rechnen: dem Streichen der Steuerfreiheit bei der Vererbung von Betriebsvermögen. Unternehmer, die nach einer Erbschaft ihre Belegschaft konstant halten, müssen anders als Normalbürger keine Erbschaftsteuer zahlen. Damit will die Politik die Stärke der deutschen Familienunternehmen erhalten.
Allerdings wurden mit dieser Ausnahme auch viele Steuersparmodelle entwickelt. Selbst viele liberale Ökonomen wie Clemens Fuest oder Lars Feld fordern inzwischen die Einführung einer Erbschafts-Einheitsteuer, der auch Betriebserben unterliegen sollen. Laut Berechnungen von DIW-Ökonom Stefan Bach könnte solch eine Reform fünf Milliarden Euro jährlich mehr in die Staatskassen spülen.
Die größten Subventionen
| Subvention | Volumen |
|---|---|
| Einfrieren Mütterrente 1 und 2 ab 2024 | 12,2 Milliarden Euro |
| Energiesteuerbefreiung Kerosin | 8,36 Milliarden Euro |
| Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff | 8,20 Milliarden Euro |
| Entfernungspauschale | 6 Milliarden Euro |
| Mehrwertsteuerermäßigung für tierische Produkte | 5,24 Milliarden Euro |
| Steuerausnahmen für Firmenerben | 5 Milliarden Euro |
| Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge | 4 Milliarden Euro |
| Pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen | 3,10 Milliarden Euro |
| Ermäßigter Steuersatz Gastronomie | 3,10 Milliarden Euro |
| Ermäßigter Steuersatz Kultur | 3 Milliarden Euro |
Ihre Meinung zum Subventionsabbau?
Ökonom Heinemann fordert stufenweisen Subventionsabbau
Der Ökonom Friedrich Heinemann schlägt vor, sich auf die Subventionen und Steuervergünstigungen zu konzentrieren, die „zweifelhaft“ sind. Würden schlechte Subventionen binnen zehn Jahren um jährlich durchschnittlich 25 Prozent und zweifelhafte Subventionen um 12,5 Prozent gekürzt, ließen sich nach Heinemanns Berechnungen 13 Milliarden Euro jährlich einsparen.
Noch größere Summen wären aber beim wohl schwierigsten Thema zu holen: den Sozialausgaben. Denkbar wäre aber laut Ökonom Heinemann etwa, jüngst auf den Weg gebrachte Reformen zumindest zu stoppen. Die Rente mit 63 etwa verschärfe den Fachkräftemangel. Würde man sie jetzt einfrieren, würde das zwei Milliarden Euro im Jahr sparen. Ein Stopp der Mütterrente I und II brächte sogar 12,2 Milliarden Euro im Jahr.
Zweifel, ob der Bund sein Geld richtig einsetzt, gibt es auch bei der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Trotz wachsender Ausgaben trage die Förderung nur in geringem Umfang zu Beschäftigungsperspektiven bei, moniert der Rechnungshof. Dennoch hat der Bund das Instrument vorzeitig entfristet, ohne die vorgesehene Evaluation abzuwarten. Erwartete Mehrausgaben: langfristig 1,1 Milliarden Euro pro Jahr. Und dies sind nur einige Beispiele. Kürzungspotenzial gibt es laut Ökonomen auch bei den familienpolitischen Leistungen. Im Gesundheitssektor könnte eine stärkere Eigenbeteiligung die chronische Unterfinanzierung lösen.